Duisburg
Unser Professor liebäugelt mit der AfD – eine Auseinandersetzung in der Familie
Mit unserem Professor gab es in der Familie zuletzt eine heftige Debatte zur AfD. Als Liberaler hat er bisher immer die FDP gewählt und dabei den Kapitalismus als Wiege der Demokratie gepriesen. Jetzt sei er aber soweit, eventuell die AfD zu wählen, aus Protest gegen die Ampel-Regierung. Da waren wir erst mal baff, weil er selber immer gegen Faschisten war.
Daran haben wir angesetzt und gegen Höcke & Co als Faschisten polemisiert. Das allein hat aber nicht gereicht. Wir haben auch an sein demokratisches Verständnis appelliert, dass wahltaktische Unterstützung der AfD kein Denkzettel in die richtige Richtung ist, im Gegenteil: Es stärkt die faschistische und rückschrittliche Richtung! So werden wissenschaftsfeindliche Corona-Leugner, Nationalismus und so weiter gestärkt. Wir haben sogar an seine Vorbildfunktion als Professor appelliert. Dass er selbst für demokratische Überzeugungen einstehen soll und nicht den Demagogen auch noch den Weg ebnen. Besser ungültig wählen als AfD. Da meinte er, eventuell seien ja Volksabstimmungen wie in der Schweiz nötig.
Ein weiterer Punkt: Ihm gefiel die Unterstützung Putins im Ukrainekrieg durch die AfD nicht. Aus seiner Sicht, weil das dem Westen schadet. Da haben wir nachgehakt, doch mal über die tieferen Gründe nachzudenken. Putin unterstützt die AfD weil eine Destabilisierung der EU seinen Großmachtplänen nützt. Die AfD phantasiert davon, Deutschland zu neuer Größe zu verhelfen. Beides sind imperialistische Großmachträume - von wegen Freiheit und Frieden.
Es war klar, dass wir ihn nicht vom Sozialismus als Alternative überzeugen können. Wie stark bei ihm jedoch, aufgrund seiner elitären Stellung in der heutigen Klassengesellschaft, die Nähe zur ultrareaktionärem Gedankengut ist, hat uns doch überrascht. Da ist aber auch noch die andere Seite: das Misstrauen in die Herrschenden, und - wie in seinem Fall - Sympathie für arbeitende Menschen.
Gerade deshalb war es wichtig, ihn mit unseren Standpunkten zu konfrontieren. Das tut sonst keiner in der Familie, aus Angst vor Streit. In unserem Fall hat es nicht geschadet, sondern er hat uns zugehört und wurde zumindest zum Nachdenken angeregt.