3. Internationale Bergarbeiterkonferenz
Beeindruckende Berichte aus 27 Bergbauländern – Protest gegen massive Behinderungen
Ein dicht gedrängtes Programm gestalteten und erlebten die bislang insgesamt 630 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Start der 3. Internationalen Bergarbeiterkonferenz in Thüringen.
Der erste Tag gestern begann mit sieben Auftakt- beziehungsweise Werbedemonstrationen an verschiedenen Orten der Thüringer Kalibergbau-Region. Man merkte, die Bergarbeiterkonferenz ist schon Thema unter den Leuten. Da hingen Plakate beim Norma-Discounter oder an einer Durchgangsstraße. Etliche sagten „Ja, habe ich schon gehört“ oder „Da haben mich schon zweimal Leute darauf angesprochen.“ Manche auch: „Überlege mir, hinzugehen.“ (Mehr dazu)
Bevor die Eröffnungsfeier im Dorndorfer Kulturhaus losging, gab es dort eine Pressekonferenz mit Vertretern der Internationalen Koordinierungsgruppe (mehr dazu).
Gehalt- und kulturvolle Eröffnungsfeier
Der große Saal im Kulturhaus von Dorndorf war bis auf den letzten Platz gefüllt, als Punkt 16 Uhr das "Steigerlied" ertönte. Die gehalt- und kulturvolle dreistündige Eröffnungsfeier sorgte für eine kämpferische, nachdenkliche und optimistische Stimmung. Ein großes Gefühl der internationalistischen Arbeitersolidarität war spür- und greifbar.
Claudia Schewior von BergAuf Bergkamen und Eugène, Gewerkschaftssekretär der kongolesischen Bergarbeitergewerkschaft FOSIKO, moderierten das Programm des Nachmittags. Claudia Schewior erteilte Stefan Engel das Wort. Er hat vor vielen Jahren die Initiative für internationale Bergarbeiterseminare ergriffen, aus denen seit 2013 die Bergarbeiterkonferenzen hervorgingen. Er sagt, er sei richtig gerührt ob der Tatsache, wieviele Bergarbeiterdelegationen aus noch so weit entfernten Ländern keine Mühe gescheut haben, hierherzukommen und sich mit den Bergleuten aus aller Welt zu beraten und auszutauschen. Dass diese Konferenz überhaupt stattfinden kann, ist ein Riesenerfolg im Kampf gegen die staatliche Repression. Er hob hervor, wie wichtig Kennenlernen und Verbrüderung sind. Wenn man gemeinsam kämpfen will, und das über Ländergrenzen hinweg, muss man eine Vertrauensbasis haben. Wenn die Bergleute kämpfen, darf keine Streikbrecherkohle ihnen das Genick brechen.
Ein Highlight der Veranstaltung war die etwas gekürzte Fassung der großen Bergarbeiterrevue, aufgeführt vom Jugendverband REBELL. Nach einer Pause stellten sich alle anwesenden Bergarbeiterdelegationen vor - und jeder Kontinent hatte einen Kulturbeitrag dabei, Arbeiter- und Kampflieder (mehr dazu).
Plenum mit Länderberichten
Andreas Tadysiak, Hauptkoordinator der Internationalen Bergarbeiterkoordinierung, begrüßte heute morgen die Plenumsteilnehmer im extra aufgebauten großen Zelt vor dem Hauptgebäude der Freizeit- und Ferienanlage „Im Waldgrund“ bei Truckenthal.
Gleich zu Beginn wurde eine Protesterklärung gegen die Visa-Verweigerung für 30 Teilnehmer der Bergarbeiterkonferenz aus 18 Ländern einstimmig beschlossen. Darin heißt es unter anderem: „Wenn das die Werte der werteorientierten Außenpolitik von Frau Baerbock und anderen ist, dann zeigt das ihre Heuchelei und dass sie arbeiterfeindliche Werte hat. … Im Geist des Internationalismus erklären wir an alle, deren Teilnahme vereitelt wurde: Ihr seid bei uns!" Diese Behinderungen kennzeichnen eine neue Qualität der Unterdrückung der internationalen Bergarbeiter und antiimperialistischen Bewegung (mehr dazu). Umso größer ist der Erfolg, dass diese Konferenz im Kampf gegen alle Widerstände erfolgreich stattfindet.
Überlegene Kraft wird dringend gebraucht
Andreas Tadysiak berichtete, dass mittlerweile 44 Mitgliedsorganisationen aus 24 Ländern zur Internationalen Bergarbeiterkoordinierung gehören. Das Ziel der 3. Konferenz bestehe darin, eine Höherentwicklung der Koordinierung der Kämpfe der Bergarbeiter zu erreichen und eine Intensivierung der Kooperation ihrer verschiedenen Organisationen. Das gemeinsame Begehen internationaler Kampftage wie des 1. Mai gelinge schon erfolgreich.
Es reiche aber nicht, gemeinsame Aufrufe und Erklärungen herauszugeben: „Jetzt geht es verstärkt darum, unser internationales Kampfprogramm auch in der Praxis umzusetzen.“ Nur wenn es gelinge, gemeinsam länderübergreifende Kämpfe zu organisieren, könne daraus eine den Konzernen und Herrschenden überlegene Kraft entstehen. Und die werde dringend gebraucht: „Es geht um nicht weniger als darum, die ganze Menschheit vor dem Kapitalismus zu retten.“
So würden die Rohstoffe heute in verheerendem Ausmaß aus der Erde gerissen und die Sicherheits- und Arbeitsbedingungen im Bergbau vieler Länder katastrophal mit Füßen getreten. Nur aus Gründen des Maximalprofits verweigern die verantwortlichen Konzerne die Durchsetzung einer Kreislaufwirtschaft, die zum Beispiel auch beim Grubenwasser möglich wäre. Dadurch ließen sich unter anderem riesige Mengen Lithium gewinnen. Immer mehr stelle sich die Frage nach einer gesellschaftlichen Alternative zum kapitalistischen System, das zunehmend zerstörerischen Charakter annimmt. Andreas Tadysiak: „Lasst uns auch diskutieren, wie wir eine lebenswerte Zukunft ohne Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen – entgegen dem antikommunistischen Mainstream, der darüber Denkverbote verhängt.“
Geballte Kompetenz in Länderberichten
Nach einer kurzen Vorstellung der Foren am Nachmittag ging es weiter mit den insgesamt 27 Länderberichten. Es war beeindruckend, welch geballte Kompetenz in Sachen weltweiter Bergbau und ausgewerteter Kampferfahrungen der Bergleute dabei zusammenkam. Zum Einstieg wurde die bewegende Grußadresse des ukrainischen Bergarbeiters Dimitrij vorgetragen, dem die Ausreise verweigert worden war: „Ich bin überzeugt, dass die Zeit kommen wird, wo die Arbeiterklasse der Ukraine brüderlich gemeinsam mit allen Arbeitern der Welt den Kapitalismus überwinden wird und die Arbeitermacht wieder aufbauen wird.“
Die Länderberichte wurden in alphabetischer Reihenfolge vorgetragen. Darunter waren auch einige, die nicht von Delegierten, sondern von Freunden der Bergarbeiterbewegung vorgetragen wurden, die in Deutschland leben und enge Verbindung zu Bergleuten in ihrer Heimat haben. So hatten Teilnehmer, die aus Albanien stammen, wertvolle Informationen über die Bedeutung des Bergbaus und die Kämpfe der Bergarbeiter dort zusammengetragen.
Der Länderbericht aus Deutschland machte deutlich, dass nach der Schließung des Steinkohlebergbaus immer noch 59.000 Bergleute in 43 aktiven Bergwerken arbeiten und viele neue geplant sind, so zum Abbau von Zinn, Kupfer und Lithium. Der Beitrag würdigte den Bergarbeiterstreik von 1997 als größten Massenkampf in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch die 17 selbstständig organisierten Demonstrationen gegen die RAG-Politik der verbrannten Erde.
Klare Verurteilung des Ukrainekriegs
Bedeutend war, dass aus verschiedenen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion Länderberichte vorgetragen wurden, die sich alle gegen den imperialistischen Krieg um die Ukraine positionierten: So aus der Ukraine, aus Kasachstan, Georgien und ein in Abwesenheit der Delegation aus Russland vorgetragener Bericht. Der kasachische Delegierte berichtete unter anderem von den Massenprotesten im ganzen Land, die sich Anfang 2022 ausgehend von Bergarbeiterstreiks entfaltet hatten und schließlich von einer Militärallianz unter Führung Russlands niedergeschlagen wurden. Aus Russland wurde berichtet, dass viele Bergleute bereits eingezogen wurden, auch bis zu 45-Jährige. Streiks und Proteste werden gnadenlos unterdrückt und die Bergbaugebiete Donezk und Luhansk Russland als Kolonien einverleibt. Die Ukrainer schilderten, wie in ihrem Land nicht nur die Kommunistische Partei, sondern fast alle anderen Organisationen, oppositionelle Zeitungen und Streiks verboten sind. Wenn Arbeiter ihre Unzufriedenheit äußern, wird ihnen mit Entlassung oder der Abkommandierung an die Front gedroht. Sie forderten zur Solidarität mit den Brüdern Konovitch auf, die als Leiter des kommunistischen Jugendverbands strafrechtlich verfolgt werden. Der Bericht endete mit den Worten: „In der Vereinigung aller fortschrittlichen Kräfte mit der gesamten Arbeiterklasse der kriegführenden Länder liegt unsere Kraft.“
Katastrophale Auswirkungen in Afrika
Gut vertreten waren afrikanische Länder mit Berichten aus Guinea, Marokko, Südafrika, Uganda, Südsudan, Togo, Senegal und Ruanda. Sie prangerten vielfältig die gewaltige Ausdehnung der Ausplünderung ihrer zahlreichen Bodenschätze durch die verschiedenen imperialistischen Mächte in Zusammenarbeit mit den eigenen Regierungen an. Das hat dramatische Folgen für die Zerstörung der Umwelt und die katastrophalen Arbeits- und Sicherheitsbedingungen im vorwiegend handwerklich geprägten Kleinbergbau. Die Löhne reichen kaum zum Leben. Tödliche Unfälle nehmen zu. Sie stellten dem gegenüber, wie gerade die reichhaltigen Rohstoffvorkommen die Grundlage für eine allseitige Entwicklung der Wirtschaft und Gesellschaft ihrer Ländern sein könnten, wenn sie den Arbeitern und breiten Massen statt einigen wenigen Monopolen zugute kämen.
Aus Indonesien wurde gefordert, gemeinsam die Voraussetzungen für weltweite Streiks bei den internationalen Konzernen zu schaffen, die ihr Land insbesondere der für die E-Autoproduktion dringend benötigten Rohstoffe ausrauben: „Ohne Kobalt und Nickel können sie keine E-Autos produzieren.“ In erbitterten Kämpfen gegen die Bergbaukonzerne Freport und IMIP konnten die Bergleute erste Erfolge erreichen.
Weitere Berichte kamen aus Kolumbien, Indien, Peru, Philippinen, Dominikanische Republik und Nepal. Andreas Tadysiak bedankte sich ausdrücklich dafür und betonte die Bedeutung einer besseren Organisiertheit, nicht nur in kämpferischen Gewerkschaften, sondern auch in revolutionären Parteien, die weltweit immer enger zusammenarbeiten müssen.
Aktion zum Antikriegstag
Um 13.30 Uhr begrüßte Anna Schmit vom Jugendverband REBELL mindestens 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einer Aktion anlässlich des Antikriegstags: „Mit dieser Aktion heute fordern wir: Der Krieg um die Ukraine muss sofort beendet werden! Aktiver Widerstand gegen alle imperialistischen Kriege.“
Mit Sicherheit war dies heute in Deutschland die am „meisten international zusammengesetzte“ Antikriegsaktion. Die Bergarbeiterkonferenz verwirklicht die Einheit von Austausch und praktischer Zusammenarbeit direkt ganz lebendig. Nach einem griechischen antifaschistischen Lied wurde die Aktion mit einer kurzen, kämpferischen Demonstration samt Trommelgruppe beendet (mehr dazu).
Spannende Foren
Heute Nachmittag gab es parallel acht Foren zu folgenden Themen: "Bergarbeiter gegen Krieg und Faschismus", "Für die Einheit des Kampfs für Umwelt und Arbeitsplätze", "Bergarbeiterlöhne, Renten und der Kampf für höhere Löhne und Renten", "Der Kampf gegen die Politik der verbrannten Erde der RAG", "Situation, Bedingungen und Ausbeutung von minderjährigen Jugendlichen", "Kampf um Gesundheitsschutz, für soziale Absicherung der Bergleute", "Lebensverhältnisse, Frauen und Familien" sowie "Bergleute und Sozialismus".
Zum Forum "Bergleute und Sozialismus" September kamen rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Es war gemeinsam vorbereitet von Teilnehmern aus Georgien, der Parteivorsitzenden der MLPD, Gabi Fechtner, einem Vertreter des Karl-Marx-Instituts in Polen und einem ehemaligen Bergmann der Wismut im Untertagebau. Der Sozialismus ist die richtige Antwort auf die existenzielle Bedrohung der Menschheit durch den Kapitalismus, und das ist heute zu einem Wettlauf mit der Zeit geworden! Gabi Fechtner führte eingangs aus, dass der Sozialismus kein ausgedachtes Schema, sondern der nächste Schritt vorwärts in der Menschheitsgeschichte ist! Nach Berichten aus verschiedenen Ländern entfaltete sich eine lebhafte Diskussion auch über die die von ihr eingebrachten Prinzipien des Sozialismus. Interessante Beiträge befassten sich mit Subbotniks und der Stachanow-Bewegung. Unentgeltliche freiwillige Arbeit für den sozialistischen Aufbau, das war eine Errungenschaft des Sozialismus, die im Bewusstsein der Massen nicht totzukriegen sind. Es gibt gesellschaftliche Verwirrung über den Sozialismus, von den Herrschenden verbreitete antikommunistische Zerrbilder. Gabi Fechtner ging darauf ein, dass es auch unter den Teilnehmern des Forums verschiedene Meinungen über den Sozialismus gibt, auch darüber, wann er verraten wurde. Die MLPD ist der Meinung, das dies vom 20. Parteitag der KPdSU und Chruschtschow ausging. Und sie hat Lehren daraus gezogen, wie eine solche Entwicklung zukünftig verhindert werden kann. Dazu gehört auch, gemeinsam und streitbar zu diskutieren, um sich einig zu werden, wie man heute dem Sozialismus zu neuem Ansehen verhelfen kann. Das ist selbst eine klare Kampfansage an den Antikommunismus.
Heute Abend wird das Programm mit einem Internationalen Kulturfest fortgesetzt, über das Rote Fahne News noch berichten wird. Genauso wie über die Diskussionen auf den anderen Foren.
Das ganze Programm ist auch geprägt von der ehrenamtlichen Arbeit zahlreicher Helfer, die in tausenden Arbeitsstunden alles vorbereitet haben, für die köstliche Ernährung sorgen, den Sanidienst, den Schutz und die Sauberkeit der Anlage. Eben typisch kämpferische Bergarbeiterbewegung!