150 Jahre „Antiautoritäre Internationale“
Wenn sich Anarchismus und Sozialchauvinismus näher kommen...
Ende Juli tagte im schweizerischen Saint-Imier ein Anarchistenkongress.
Er erinnerte an die Gründung der „Antiautoritären Internationale“ im Jahr 1872. Sie war das von Michail Bakunin ins Leben gerufene anarchistische Gegenkonzept zur Vereinigung der internationalen Arbeiterbewegung unter Leitung von Karl Marx und Friedrich Engels.
Man feierte 150 Jahre Spaltung, Desorganisation und Verwirrung der Arbeiterbewegung und unter den Massen. Schon Engels hatte präzise die Kritik am Anarchismus auf den Punkt gebracht: "In dieser Gesellschaft existiert vor allem keine Autorität, denn Autorität = Staat = absolut vom Übel. (Wie die Leute eine Fabrik treiben, eine Eisenbahn befahren, ein Schiff leiten wollen ohne einen in letzter Instanz entscheidenden Willen, ohne einheitliche Leitung, das sagen sie uns freilich nicht.) Auch die Autorität der Majorität über die Minorität hört auf. Jeder einzelne, jede Gemeinde ist autonom, wie aber eine Gesellschaft von nur zwei Menschen möglich ist, ohne daß jeder von seiner Autonomie etwas aufgibt, das verschweigt Bakunin abermals." (Marx/Engels Werke Bd. 33, S. 389)
Bakunin zog sich übrigens später weitgehend aus der Arbeit seiner „Internationale“ zurück. Seine (!) Autorität war infrage gestellt worden. Das ging ihm dann doch zu weit.
Auf dem diesjährigen Happening wurde die Krise der anarchistischen Bewegung deutlich. Man konnte sich eigentlich in nichts Konkretem einig werden. So gab es Anarchisten, die vehement für den Kampf mit dem reaktionären Selenskyi-Militär gegen das neuimperialistische Russland eintraten, genauso gut wie eine Putin-freundliche Strömung. Wenn der Sozialchauvinismus sie ruft, werden viele Antiautoritäre ganz unantiautoritär und beerdigen das „Internationale“ gleich noch mit.