Offene Parteienkrise

Offene Parteienkrise

Linkspartei vor der Spaltung?

In der Krise der Linkspartei verschärfen sich die Widersprüche über die politische Richtung. Sie werden mit offenem Streit medial ausgetragen.

Von gis / fu
Linkspartei vor der Spaltung?
Nach vier Jahren: Amira Mohamed Ali tritt nicht mehr als Fraktionsvorsitzende der Linkspartei an. (Bild¹)

Vor einigen Tagen gab die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linkspartei, Amira Mohamed Ali, ihren Rückzug aus diesem Amt bekannt. "Ich habe mich entschieden, bei der kommenden Vorstandswahl nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zu kandidieren", schrieb sie in einer Erklärung. Ihr falle zunehmend schwer, den Kurs der Parteiführung in der Öffentlichkeit zu vertreten, der in vielen Punkten ihren politischen Überzeugungen widerspreche.

Wagenknecht soll ihr Mandat abgeben

Mohamed Ali ging es, wenn nicht sogar in der Hauptsache, um den Umgang der Partei mit Sahra Wagenknecht. Der Parteivorstand hatte am 10. Juni beschlossen, Sahra Wagenknecht solle ihr Bundestagsmandat niederlegen. Der Beschluss kam vor dem Hintergrund von Wagenknechts Ambitionen, eine eigene neue Partei gründen, zustande. Wagenknecht selbst erklärte, dass es nach der Sommerpause "große Neuigkeiten" geben werde... .

Die Bundestagsfraktion der Linkspartei

besteht zur Zeit aus 39 Mitgliedern. Wenn es weniger als 37 werden, verliert sie ihren Fraktionsstatus. Durch den Streit um Wagenknecht und deren mehr oder minder offene Ambitionen in Richtung einer eigenen Partei könnte das schneller passieren, als der Linkspartei lieb sein kann.

Rackete-Nominierung löst nächste parteiinterne Krise aus

Die mutige Kapitänin der Seenotrettung Carola Rackete soll auf Vorschlag des Bundesvorstands hin eine Spitzenkandidatin der Linkspartei auf Platz 2 für die Europawahl werden. Sie ist zweifellos eine Kämpferin für das Recht auf Flucht und Umweltaktivistin. Mitglied in der Linkspartei will sie nicht werden. Rackete kündigte an, sie wolle ihr Mandat aktivistisch für Klimagerechtigkeit nutzen. Ihre Kandidatur sei „für die Bewegungen gedacht“, sie wolle „in Brüssel eine Art ‚Watchdog‘“ sein. Das Mandat nicht als Selbstzweck zu betrachten, spricht durchaus für den aufrichtigen Anspruch von Rackete. Diejenigen in der Linkspartei, die Wagenknecht und Mohamed Ali unterstützen, reagieren mit heftigem Widerstand gegen die Aufstellung von Rackete, weil diese sich konsequent öffentlich für Flüchtlinge einsetzt. Der Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich sagte, mit radikaler Klimapolitik und dem Ruf nach offenen Grenzen bei gleichzeitiger Vernachlässigung der sozialen Frage „gewinnen wir nichts, sondern verlieren weiter“. Stattdessen schlägt er offen sozialchauvinistische Töne an: „Wir können nicht alle Menschen aufnehmen, die zu uns kommen wollen.“

Beide Flügel spielen ökologische, soziale und Flüchtlingsfrage gegeneinander aus

Jeder fortschrittliche Mensch, gleich welcher Parteizugehörigkeit, müsste angesichts der Flüchtlingshetze und einer zunehmend faschistoiden Flüchtlingspolitik der Regierungen Aufklärung betreiben und sich für die internationalistische Einheit der Arbeiterklasse einsetzen, anstatt zu versuchen, der AfD Wähler zu entziehen, indem sie deren Parolen übernehmen. Ulrich und Klaus Ernst führen die Kritik an der Linkspartei-Führung mit solchen Argumenten von rechts.

 

In anderen Fragen kommt die Kritik von ihnen am Parteivorstand und dessen Unterstützern von links. So bei der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine, die der Parteivorstand mal mehr mal weniger kritisch befürwortete, während sie von Wagenknecht & Co aber klar abgelehnt werden. Führende Mitglieder, wie der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow und der Berliner Bürgermeister Klaus Lederer, warben offen für Waffenlieferungen an Kiew. Währenddessen besetzen Wagenknecht und ihre Anhänger die soziale Frage, die von der Parteiführung vernachlässigt wird, als ihr Thema. So, wenn Wagenknecht erklärt, dass "die soziale Frage wieder in den Vordergrund gestellt werden müsse, auch um Spaltungen zu überwinden."

 

In Thüringen, wo die Linkspartei die Regierung führt, werden in jedem Jahr Hunderte Menschen abgeschoben (alleine in 2022 wurden 238 Menschen aus Thüringen abgeschoben). In Berlin hatte schon die PDS von 2002 bis 2006 an der Privatisierung von ca. 180.000 Wohnungen mitgewirkt, als sie erstmals mit der SPD regierte und mit Harald Wolf ein PDS-Mitglied (heute ebenfalls Linkspartei) den Stellvertretenden regierenden Bürgermeister Berlins stellte. 2017 lies sie weitere 100.000 Wohnungen aus der Sozialbindung fallen. In den letzten Jahren der Linkspartei-Regierungsbeteiligung wurden jedes Jahr ca. 1000 Menschen aus Berlin abgeschoben.

 

Wer zuerst eine sozialistische Perspektive und dann linke kämpferische Opposition zugunsten von Reformismus und Sozialchauvinismus aufgibt, der teilt die ganze Krise des Reformismus. Die Alternative zu der reformistischen Sackgasse ist der internationale Zusammenschluss auf fortschrittlicher Grundlage - zum Beispiel im Internationalistischen Bündnis, aber auch vielen weiteren fortschrittlichen Selbstorganisationen der Massen.

 

Eine echte sozialistische Alternative ist für diejenigen, die sich zur Notwendigkeit der revolutionären Überwindung des Kapitalismus bekennen, die MLPD.