Wirtschaftsentwicklung

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Mit "Pragmatismus und Umsetzungspower" aus der Krise?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beschwor noch Anfang des Jahres in seinem Jahreswirtschaftsbericht: "Wir haben die Krise beherrschbar gemacht." [1]

Von rj
Mit "Pragmatismus und Umsetzungspower" aus der Krise?
DAX-Kurstafel in der Frankfurter Wertpapierbörse (foto: Dontworry (CC BY-SA 3.0))

Dagegen übt sich der Monopolverband BDI jetzt in Schwarzmalerei: "Weltwirtschaft auf der Durststrecke" [2] und "Der Standort Deutschland erodiert." [3] Als Ursache hat der BDI ausgemacht: "Ein toxischer Cocktail aus unnötiger Bürokratie, hohen Steuern und teurer Energie macht Deutschland im europäischen und internationalen Standortwettbewerb unattraktiv." Und er zieht die Schlussfolgerung: "Um Deutschland zurück auf den Wachstumspfad zu bringen, kommt es jetzt auf Prioritäten, Pragmatismus und Umsetzungspower an." [4]

 

Das durchsichtige Motiv: Mit "Pragmatismus und Umsetzungspower" sollen möglichst alle Einschränkungen im weltweiten Konkurrenzkampf um den Maximalprofit (Lieferkettengesetz, Umweltschutzauflagen, Mindestlöhne …) aufgehoben und die Energiekosten für die Industrie weiter gesenkt werden. Aber auch damit können die Monopolherren die Gesetzmäßigkeiten der zunehmend labilen Entwicklung der seit Mitte 2018 anhaltenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise nicht aufheben.

 

Sämtliche bürgerlichen Ökonomen ignorieren diese im Kapitalismus gesetzmäßige Krisenentwicklung geflissentlich. Nicht mehr zu leugnende Krisenerscheinungen werden dann mal der Corona-Pandemie, mal dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in die Schuhe geschoben. Liegt es vielleicht an diesen bürgerlichen Scheuklappen, dass sie inzwischen immer öfter bereits veröffentliche Wirtschaftszahlen nachträglich herunterkorrigieren müssen? So ging die OECD noch im März dieses Jahres davon aus, dass die USA 2022 in der Industrieproduktion den Vorkrisenstand übertroffen hätte. Damit wären 2022 knapp 80 Prozent der Weltwirtschaft in der Industrieproduktion wieder über dem Vorkrisenstand gelegen. Das hat die OECD inzwischen korrigiert: Nach den jetzt vorliegenden Zahlen haben im vergangenen Jahr nur etwas über 60 Prozent der Weltwirtschaft den Vorkrisenstand der Industrieproduktion übertroffen, insbesondere die alten imperialistischen Länder liegen fast alle noch darunter.

 

Und seit Ende 2022 zeigt sich erneut ein deutlicher negativer Trend: So ging die Industrieproduktion im IV. Quartal 2022 und im I. Quartal 2023 in der EU, bei den G7 und in der gesamten OECD zurück (jeweils im Vergleich zum Vorquartal). Einen solchen Rückgang in zwei aufeinander folgenden Quartalen gab es seit Anfang 2020 – dem Einbruch in Verbindung mit der Corona-Pandemie – nicht mehr. Der Rückgang betrifft vor allem die alten imperialistischen Länder, während die Industrieproduktion bei einigen neuimperialistischen Ländern noch wuchs.

 

Während die bürgerlichen Ökonomen für Deutschland zwar eine "technische Rezession" einräumen mussten, verlieren sie kein Wort darüber, dass die deutsche Industrieproduktion seit Jahren weit unter dem Vorkrisenstand verharrt, im I. Quartal 2023 lag sie bei 92,1 Prozent. Noch deutlicher ist der Rückstand in der Automobilindustrie: 28 Prozent weniger PKW-Neuzulassungen und 23 Prozent weniger PKW-Produktion im Mai 2023 als im Vorkrisenmonat Juni 2018. [5] Der seit Anfang letzten Jahres anhaltende Rückgang des Auftragseingangs in der gesamten Industrie, insbesondere im Maschinenbau, zeigt deutlich, dass sich das auch so schnell nicht ändern wird. Monatliche Schwankungen im Auftragseingang gehen meist auf Großaufträge in der Rüstungsindustrie zurück (z.B. im Mai +137 Prozent im "sonstigen Fahrzeugbau" gegenüber April). [6]

Bürgerliche politische Ökonomie vor dem Scherbenhaufen

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Einen Lichtblick gibt es aber doch noch für die Monopolbosse: Nach einer aktuell veröffentlichten Studie der OECD sind die Gewinne der Unternehmen in Deutschland in der Weltwirtschaftskrise (seit Ende 2019) stärker gestiegen als in vielen anderen Industriestaaten. Das ist neben der staatlichen Subventionspolitik und anderen Faktoren auf die Spekulation zurückzuführen, die heute gesetzmäßiger Bestandteil der kapitalistischen Produktionsweise ist. Die Stückgewinne stiegen um ganze 24 Prozent, während die Lohnstückkosten gleichzeitig nur um 13 Prozent wuchsen. [7] Da ist doch noch genug übrig für einen ordentlichen Lohnnachschlag, um den der Kampf entwickelt werden muss. Ein Argument: Der Reallohnindex sank vom IV. Quartal 2019 bis zum I. Quartal 2023 um 15 Prozent! [8]

 

 

 

 

 

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