Kerpen

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Ein Skandal mit System

Als das Dorf Lützerath am Braunkohletagebau Hambach gewaltsam von der Polizei geräumt werden sollte, hatten Bürgermeister in der Region sich geweigert, die Polizei anzufordern. Die Stadtverwaltung von Kerpen, das an den Tagebau grenzt, gehörte nicht dazu.

Von Landesleitung Nordrhein-Westfalen der MLPD
Ein Skandal mit System
Tagebau Hambach (rf-foto)

Jetzt ist klar geworden, warum: Die Stadtverwaltung hatte 2017 mit RWE einen Vertrag geschlossen, in dessen Vorbemerkung steht, dass „die Weiterentwicklung des Tagebaus Hambach von der Stadt Kerpen nicht in Frage gestellt wird.“ RWE wollte absichern, dass bei der geplanten Ausdehnung des Tagebaus auf das Stadtgebiet die Stadtverwaltung stillhält. Dieser Vertrag wurde bis heute geheimgehalten.

 

In einer Sendung des WDR am 11. Juli wurde dieser Skandal aufgedeckt. Der Vertrag wurde in einer nichtöffentlichen Sitzung des Stadtrates über die Gründung der Stadtwerke quasi versteckt. Jetzt weist der CDU-Fraktionschef darauf hin, dass der Inhalt des Vertrages auf einer Leitentscheidung der damaligen NRW-Landesregierung unter Hannelore Kraft (SPD) und Sylvia Löhrmann (Grüne) aus dem Jahr 2016 basiere, die die damals geplanten Abbaugrenzen des Tagebaus Hambach als unveränderlich bestätigte. Konkret geht es derzeit um das Abbaggern des Kerpener Ortsteils Manheim, auf dem noch ein Bauernhof in Betrieb ist. Kerpen bekam als „Gegenleistungen“ von RWE u.a. Gelder für „Vereine, Organisationen und Institutionen“, wie ein Stadtsprecher einräumte.

 

Warum wurde der Vertrag geheimgehalten? Dieser Vertrag sollte gerade in einem Zeitraum, in dem der Widerstand gegen die weitere Ausdehnung des Tagebaus Hambach in der Region, bundesweit und auch darüber hinaus wuchs und zu einem Brennpunkt im Kampf gegen die weitere Verbrennung von Braunkohle zur Stromerzeugung und gegen die Zerstörung landwirtschaftlicher Flächen und des Hambacher Waldes wurde, die Interessen von RWE mit allen Mitteln durchsetzen helfen.

 

RWE-Sprecher Guido Steffen sagt, diese Art Verträge seien üblich. Die Geheimhaltung derartiger Verträge und Beratungen des Stadtrates darüber ist nach Auskunft der Stadt Kerpen zum Schutz von „Betriebsgeheimnissen“ von RWE zwingend, ein Verstoß dagegen strafbar. Diese vollständige Unterordnung des Staates einschließlich der Parlamentarier unter die großen Konzerne hat System: Es ist das System des staatsmonopolistischen Kapitalismus.

 

Wenn jetzt die Vorsitzende der Grünen im Stadtrat von Kerpen die Geheimhaltung des Vertrags als „Skandal“ bezeichnet, muss sie sich die Frage gefallen lassen, wie sie dazu steht, dass die Grünen in der früheren Regierung zusammen mit der SPD in ihrer Leitentscheidung von 2016 die damaligen noch sehr weitreichenden Abbaupläne von RWE bestätigt hatte. Damit auch, das der Ort Manheim dem Tagebau zum Opfer fällt.

 

Nach dem „Stilllegungspfad“ der von der Bundesregierung am 16. Januar 2020 beschlossenen „Einigung“ mit den Braunkohlekonzernen zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung soll noch bis 2038 weiter Braunkohle im rheinischen Revier gefördert werden. Nötig ist aber ein vollständiges Ersetzen fossiler Brennstoffe durch regenerative Energien mit dem Ziel der Senkung der Treibhausgas-Emissionen um 70 bis 90 Prozent bis zum Jahr 2030 und klarer Kurs auf Absenkung des CO2-Gehalts in der Luft auf 350 ppm! (Aus dem MLPD-Umweltprogramm).

 

Die Arbeiter in den Braunkohlerevieren und Kraftwerken brauchen Ersatzarbeitsplätze und werden dringend gebraucht für die Beseitigung der schlimmsten Schäden durch den Tagebau. Wie die Kämpfe der Bergleute geführt werden, für welche Ziele, mit welcher Perspektive und wie sie koordiniert werden, darüber wird die 3. Internationale Bergarbeiterkonferenz vom 31. August bis 3. September in Thüringen beraten.

 

 

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