97 Prozent sind vernichtet
Die Liebe zum Schutz der Moore
„Oh schaurig ist's, über's Moor zu gehn“, schrieb vor hundertachzig Jahren die romantische Dichterin Annette von Droste-Hülshoff. Würde sie heute ihre Ballade vom Knaben im Moor verfassen, würde sie ganz andere Schauerlichkeiten entdecken.
97 Prozent aller Moore sind in Deutschland durch Torfabbau und Trockenlegung für landwirtschaftliche und Siedlungsflächen vernichtet. Seit einigen Monaten haben Monopolpolitiker aller Landesregierungen ihre Liebe zur Rettung der Moore entdeckt. Und in Wahlkampfzeiten werden sie besonders aktiv, wie jetzt in Bayern. Ende Juni besuchte Markus Söder mit großer Medienpräsenz den Dachsee im Allgäu. Beim Seerundgang belehrte er die anwesende Presse, dass Moore zu den "unterschätztesten CO₂-Speichern überhaupt" gehören.[1] Das hat er allerdings sehr früh entdeckt! In der bayerischen Landesregierung kommen bekanntlich manche Erkenntnisse eben später an.
Seit vielen Jahrzehnten ist nämlich schon bekannt, dass Moore mit ihren einzigartigen Ökosystemen Lebens- und Rückzugsräume für viele bedrohte Arten darstellen, riesige Mengen Kohlenstoff speichern und im Landschaftswasserhaushalt als Filter und Rückhalteflächen wirken. Weltweit bedecken Moore nur drei Prozent der Landfläche. Sie speichern aber doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Erde zusammen mit 30 Prozent aller Landflächen. Diese charakteristische Fähigkeit besitzen sie, weil die abgestorbenen Pflanzenteile unter Wasser sich aufgrund von Sauerstoffmangel nicht zersetzen und eine Torfschicht bilden. [2]
Jedes Jahr werden 5000 Quadratkilometer Moorlandschaft zerstört
Sobald aber Moore trockengelegt werden und die Torfschicht zu Tage gebracht wird, kehrt sich die Eigenschaft als Kohlenstoffspeicher ins Gegenteil um. Aus Speicher werden riesige Emissionsquellen von Treibhausgasen. Zerstörte Moore setzen jedes Jahr pro Hektar rund 40 Tonnen CO2-Äquivalente frei. Weltweit ist bereits eine Feuchtgebiet-Fläche von der doppelten Größe von Deutschland trocken gelegt. Jedes Jahr werden weitere 5000 Quadratkilometer Moorlandschaft zerstört. Dabei haben bereits weltweit agierende Konzerne der Pflanzenbauindustrie noch viele bisher unberührte riesige Feuchtgebiete im Auge, unter anderem in Indonesien und im Kongo. Die Trockenlegung von Mooren erhöht zudem die Gefahr von Moorbränden, die in großen Hitzeperioden rasant zunehmen und gewaltige Mengen an Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen.
Schon vor zwei Jahren kündigte Söder bei einem Besuch im Donaumoos das „größte Moorrenaturierungsprojekt an, das es jemals in Bayern gegeben hat.“ Das Donaumoos im Südwesten von Ingolstadt gelegen, ist das größte Niedermoos in Bayern. Außer ein paar Vorarbeiten ist nichts passiert, kritisieren Umweltverbände. Seit der Ankündigung ist durch den weiteren Raubbau eine weitere Million Tonnen CO₂ in die Atmosphäre gelangt. Kein Quadratmeter Fläche wurde bisher renaturiert. Stattdessen gibt es aber reale Pläne, in dem Gebiet riesige Solarparks zu errichten. [3]
Wer profitiert von der Zerstörung der Moore?
Torf ist im weitesten Sinne ein Bergbauprodukt. Es ist eine erste Stufe der Pflanzenverkohlung, die sich in qualitativen Stufen über Braun-, Steinkohle, Anthrazit, Grafit bis zum Diamant entwickelt. Für den Aufbau eines zehn Meter mächtigen Torfkörpers braucht ein lebendiges Moor etwa 12.000 Jahre. Torf wurde von den Bauern früher als Brennmaterial oder als Einstreu in den Ställen verwendet. Heute dient Torf vor allem der Herstellung von Pflanzenerde. Gemeinhin werden dafür die vielen Gartenbesitzer verantwortlich gemacht, die sich einen Sack beim Baumarkt kaufen. Die eigentliche Masse geht aber an große Unternehmen des industriellen Gemüsebaus. Es gilt als die profitabelste Methode, auf Torf Pflanzensetzlinge gedeihen zu lassen, die dann ins Freiland ausgesetzt werden: Gewächshaustomaten aus Spanien, Salatköpfe aus Holland und andren EU-Ländern.
Und genau aus der Ecke kommt der Widerstand gegen das notwendige sofortige Verbot von weiterem Torfabbau. Scheinheilig tritt der Industrieverband Garten (IVG) e.V. für den vollständigen Schutz bestehender intakter Moore ein. Aber dort, wo bereits ein Eingriff erfolgte, soll ungehindert die Nutzung fortgesetzt werden. Da bereits in den allermeisten Feuchtgebieten Trockenlegungen oder Torfabbau im Gange sind, bedeutet das nur ein ungehindertes „Weiter so“! Die profitgierigen Monopole haben dabei auch den Bauernverband an der Seite wie ein getreuer Knappe beim Ritter von der traurigen Gestalt. Stefan Köhler, Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbands warnte: „Pauschale Verbote für die ackerbauliche Nutzung müssen Tabu sein und Bauernland muss in Bauernhand bleiben!“ Erstens hat kein Umweltverband von pauschalen Verboten gesprochen, sondern von notwendigen gesetzlichen Vorgaben für alle. Zweitens, es ist doch die herrschende vom Bauernverband über Jahrzehnte mit getragene Agrarpolitik, die beschleunigt dafür sorgt, dass Bauernland nicht mehr in Bauernhand der vielen Klein- und Mittelbauern ist, sondern von Investoren angeeignet wird.
Deutschland ist übrigens nach Kanada mit einem Wert von 343 Millionen Euro der zeitgrößte Exporteur von Torf (196 Mio Euro).
Was tun?
Natürlich ist es richtig, wenn jeder einzelne Garten- und Blumenfreund beim Einkauf von Blumenerde sich aufmerksam die Beschreibung ansieht und statt Erde aus Torf eine aus Kompostherstellung wählt. Aber das kann nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Klein- und Mittelbauern müssen sich für ihre Forderungen zusammenschließen. Sowohl für den Erhalt ihrer Existenzen und um einen wertvollen Beitrag für den Umweltschutz leisten zu können. Das kann auch eine Umstellung von Viehhaltung und Ackerbau bedeuten. Es gibt z.B. erste bewährte Experimente, Wasserbüffel zu halten, wofür die Moorgebiete eine artgerechte Daseinsweise bilden. Statt Bezahlung nach Hektarprämie müssen die Bauern für ihre Arbeitsleistung bezahlt werden, wozu die Bereitstellung von Lebensmitteln, Agrarrohstoffen und Umweltschutzmaßnahmen gehören. Das kann nur auf Kosten der Profite von Agrar-, Handels- und Lebensmittelkonzernen gehen.
Die kämpferische Umweltbewegung und ihre Jugend muss auch die Rettung der Moore zu ihrer Sache machen. Wir müssen uns aber im Klaren sein, dass bestimmte Kipp-Punkte nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Eine Wiedervernässung von Mooren würde die Dramatik nur abmildern. Denn zerstörte Ökosysteme kann man nicht so einfach und schon gar nicht in ein paar Generationen wiederherstellten.
Die Vernichtung der Moore ist nur eine Facette der bereits eingeleiteten globalen Umweltkatastrophe. Solange der Schutz des Eigentums von Monopolen, Großbanken und Großinvestoren existiert, wird diese Bedrohung der Menschheit auf der Erde weiter befeuert. Der nächste Schritt vorwärts für die Menschheit kann nur der echte Sozialismus sein. Dort wird statt dem Profit die Einheit von Mensch und Natur zum allgemeinen Leitfaden von Ökonomie, Politik und Kultur werden.
Dieser Artikel steht Leserinnen und Lesern von Rote Fahne News kostenfrei zur Verfügung. Die Erstellung von Rote Fahne News ist jedoch nicht kostenlos. Hier erfahren Sie / erfahrt ihr, wie man bequem für Rote Fahne News spenden kann!