Leipzig
Revolutionäre Spuren und ein antikommunistischer Schandfleck
Genossen aus dem Ruhrgebiet auf Urlaub in Sachsen: Gerne zeigen wir ihnen Leipzig. Für uns eine Gelegenheit, selbst tiefer in die wechselvolle Geschichte unserer Stadt einzudringen.
Los ging es an der ehemaligen Stasi-Zentrale. Aus Zeitgründen heute nur einen kurzen Blick in die dort eingerichtete Gedenkstätte. Dieser reichte für einen ersten Einblick in die komplexe Widersprüchlichkeit der Ereignisse um die Wiedervereinigung Deutschlands 1989. Ein ausgestellter Aufruf der demokratischen Volksbewegung vom Januar 1989 dokumentiert: den Aktivisten ging es sicher nicht darum, endlich den BRD-Kapitalismus zu erhalten. Sie argumentierten mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gegen die bürokratisch-kapitalistische DDR-Führung.
Wir besuchten die Kommunistin Clara Zetkin im Johannapark. Sie hat in Leipzig viele prägende Jugendjahre gelebt. Clara hat nicht nur den Internationalen Frauentag maßgeblich initiiert, sondern mutig als Alterspräsidentin im August 1932 die erste Sitzung des neu gewählten Reichstags eröffnet. Vor den hasserfüllten Augen von 230 Abgeordneten der faschistischen NSDAP.
Am Konsulat des US-Imperialismus vorbei, ging es zum prunkvollen Sitz des Bundesverwaltungsgerichts. Vor wenigen Wochen erhob hier der Flüchtlingsaktivist Alassa Mfouapon Klage gegen faschistoide Polizeimaßnahmen. Vor 90 Jahren erkämpfte der bulgarische Kommunist Georgi Dimitroff an gleicher Stätte seine Freiheit im so genannten Reichstagsbrandprozess.
Weil das Bruno-Apitz-Haus seit längerem geschlossen ist, sieht man dort nur eine Gedenktafel. Der Autor des weltberühmten biografischen Romans „Nackt unter Wölfen“ (über das Konzentrationslager Buchenwald) ist bis heute Leipziger Ehrenbürger.
Die nötige Rast nahmen wir in einer der kulinarisch vielfältigen Kneipen in der Karl-Liebknecht-Straße – liebevoll "Karli" genannt. Einige 100 Meter entfernt folgte der Augustusplatz. Er ist einer der größten Stadtplätze in Deutschland. 1937 wurde er nach dem sächsischen König Friedrich August I. benannt. Von 1945 bis 1990 trug er allerdings den Namen Karl-Marx-Platz und war 1989 der zentrale Versammlungsort der Montagsdemonstrationen.
Getreu dem Motto: das Ekligste zum Schluss, endete unser Rundgang vor dem Zeitgeschichtlichem Forum. Bei freiem Eintritt kann man hier antikommunistische Geschichtsklitterung pur erleben. Uns reicht schon die abartige Bronzeplastik vor dem Haus. Das „Jahrhundertsprung“ genannte Werk entstand in der Endphase der DDR und stand im Zentrum ihrer letzten Kunstausstellung. In ihrer scheußlichen Destruktivität zeigt sie eine Figur, die rechts die Hand zum faschistischen Hitler-Gruß reckt und links die Faust zur kommunistischen Begrüßung.
Diese Bronze von Wolfgang Mattheuer passt so gut in die antikommunistische Gleichsetzung von rechts und links, dass sie von der BRD gerne übernommen wurde. Anders als der Karl-Marx-Platz. Er wurde nach der Wiedervereinigung, mit folgender Einverleibung der DDR in den BRD-Kapitalismus, wieder nach dem sächsischen Feudalherrscher benannt. Wir führten nicht nur eine kleine Protestaktion an diesem Schandmal durch, sondern blickten auch in die Zukunft. Wäre der eingeschmolzene Jahrhundertsprung nicht ein Grundstoff für eine Karl-Marx-Statue auf dem wiederbelebten Karl-Marx-Platz?
Neugierig geworden? Anfragen für Führungen gerne über die Landesleitung der MLPD in Elbe-Saale (elbe-saale@mlpd.de)