Mit dem Rote-Fahne-Magazin mit Titelthema Sozialismus
Neulich im Stadtteil ...
Wir sind auf dem Weg zu unseren wöchentlichen Hausbesuchen im Wohngebiet. Heute wollen wir auch eine ältere Frau besuchen, die aus Russland stammt.
Bei unserem ersten Besuch hatten wir mit ihr über den Ukrainekrieg gesprochen und sie vertrat einen klaren Standpunkt: Der Angriff von Putin auf die Ukraine verstößt gegen das Völkerrecht. Aber die NATO und die USA sind auch nicht besser, sie haben auch schon viele Kriege angezettelt. Sie ist offenbar gut informiert und politisch interessiert. Heute wollen wir ihr die neue Rote Fahne mit dem Titelthema Sozialismus vorstellen. Wir sind gespannt, was sie zum Sozialismus sagt. Schließlich ist sie aus dem angeblich „realen Sozialismus“ ausgewandert - und wir sind schon auf Aussagen gefasst wie - „Sozialismus, das hatten wir ja schon. Das ist auch keine Lösung.“ Mal sehen ...
Wir klingeln. Sie öffnet und lächelt uns freundlich an. Sie erinnert sich an unsere Diskussion vom letzten Mal. Wir gehen gleich in die Offensive: „Heute wollen wir gerne mit Ihnen über den Sozialismus sprechen. Wir treten für den echten Sozialismus ein. Wir sind der Meinung, dass in der Sowjetunion ab 1956 der Sozialismus, wie ihn die Menschen unter Führung von Lenin und Stalin aufgebaut haben, von einer Bürokratenqlique verraten wurde. Unter Chruschtschow wurde der Kapitalismus wieder eingeführt".
Sie greift interessiert nach der Zeitung und sagt: "Ja, nach dem Tod von Stalin ging's bergab." Wir sind kurz sprachlos angesichts einer so treffenden Einschätzung. Während wir unsere Gedanken sortieren, spricht sie weiter: "Den einfachen Leuten ging es immer schlechter. Wir sind aus Sibirien nach Deutschland gekommen, weil wir deutsche Vorfahren haben. Wir haben dort nichts gegolten. Hier gelten wir aber auch nichts. Die Bevölkerung hat hier wie dort nichts zu sagen."
Sie ist inzwischen sehr krank und kann das Haus kaum mehr verlassen. Aber sie meint: "Es ist gut, wenn es Leute gibt wie Sie, die dagegen aufstehen und große Ziele haben." Sie hat Angst, dass sie und ihr Mann irgendwann nach Russland abgeschoben werden, wenn die Rechten weiter Zulauf kriegen. Wir geben ihr recht, dass es eine große Gefahr ist, wenn Parteien wie die AfD so hohe Wahlgewinne wie jetzt in Sonneberg einfahren. Und wir versichern, alles zu tun, diesen Einfluss zu bekämpfen. Wir vereinbaren, dass wir sie in zwei Wochen wieder besuchen, um mit ihr genauer über die Rote Fahne zum Sozialismus zu sprechen. Und wir werden ihr auch eine Spende vorschlagen.