Sonneberg

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Erster AfD-Landrat – Zäsur und Auftrag für eine Offensive der Bewusstseinsbildung

Die Wahl des ersten Landrats mit AfD-Parteibuch in Deutschland ist eine Zäsur und Ergebnis der Rechtsentwicklung von Monopolen, Regierung und CDU, die den Wegbereitern des Faschismus den roten Teppich ausrollten.

Von Landesleitung MLPD Thüringen
Erster AfD-Landrat – Zäsur und Auftrag für eine Offensive der Bewusstseinsbildung
Foto einer Demonstration 2021

Viele empfanden die Wahl als Protest gegen die Berliner Politik. Der AfD und ihrem Kandidaten gelang es, sich als Vertreter der Interessen der kleinen Leute darzustellen. Dabei spielte ihnen in die Hände, dass Robert Sesselmann nicht wie viele seiner Parteikollegen ein „West-Import“ ist, sondern im Landkreis, in Steinach, aufgewachsen ist und dort für den Leistungssport im Skilanglauf ausgebildet wurde. Nach seinem Jura-Studium kehrte er zurück in die Region und arbeitete als Anwalt. Er stellte Forderungen auf, die zwar wenig mit der Kommunalpolitik zu tun haben, aber der Meinung vieler Leute entsprechen: Gegen Waffenlieferungen in die Ukraine, gegen die Inflation, gegen das Heizungsgesetz, usw.

 

Der Schein, dass er deshalb „einer von uns“ ist, trügt allerdings. Seit 2018 ist er Beisitzer im Vorstand des Thüringer AfD-Landesverbandes und seit 2019 Mitglied der Landtagsfraktion. Beide werden vom Faschisten Björn Höcke geführt. Ihre Leute in der Bundestagsfraktion lehnen regelmäßig Anträge ab, die auf die Verbesserung der Lebenslage der kleinen Leute abzielen: Höhere Freibeträge für Alleinerziehende, Grundrente für 1,3 Mio Rentnerinnen, Aufstockung Kita-Ausbau, Erhöhung Mütterrente, Erhöhung Erwerbsminderungsrente. Befürwortet hat die AfD allerdings einen Antrag, die Steuerlast für Besserverdienende zu senken und das Renteneintrittsalter zu erhöhen. [1]

 

Die AfD ist keine Friedenspartei! So fordern verschiedene AfD-Funktionäre eine „atomare Bewaffnung Deutschlands“. Die AfD fordert die Aufrüstung der Bundeswehr und das Recht, sie „an jedem Ort der Erde“ einsetzen zu können, ausdrücklich auch „gegen den Willen anderer Staaten“. [2] In der Energiepolitik vertritt sie glasklar die Interessen der großen Energiekonzerne, wenn sie weiter auf Öl, Gas, Kohle und Atomstrom setzen möchte. Ihr Saubermann-Image, was sie in der Öffentlichkeit gerne abgeben, lassen sie im Internet, wo sie sich unbeobachtet fühlen, auch mal gerne hinter sich. In der Telegram-Gruppe von „Sonneberg zeigt Gesicht“, Organisator der rechten Montags-Spaziergänge in Sonneberg schloss Dr. Heinrich Fiechtner (ehemaliger AfD-Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg) seine Wahl-Glückwünsche mit der Grußformel: „Alles für Deutschland“ [3]. Das war die Losung der faschistischen SA, die auch Björn Höcke kürzlich in einer Rede verwendete, wogegen aktuell zu Recht die Staatsanwaltschaft Halle ermittelt.

Vielfältige Ursachen

Die Loslösung der Massen von den traditionellen bürgerlichen Parteien, vom bürgerlichen Parlamentarismus und von seinen Institutionen ist hier im Landkreis besonders fortgeschritten. Das trifft auf eine hohe Inflation, die immer mehr an das persönliche Leben eingreift. Viele Menschen in der ländlich geprägten Region sind Hausbesitzer und damit von den horrenden Energiekosten besonders betroffen. Es ist eine Fehleinschätzung, wenn Martin Schirdewan heute Morgen im ZDF-Morgenmagazin davon spricht, dass „es dem Kreis wirtschaftlich eher gut geht“. Das mag vielleicht für die Kapitalisten zu treffen. Für die einfachen Leute ist die Wirklichkeit eine andere. 44 % aller Beschäftigten bekamen 2022 Mindestlohn - das ist bundesweit der höchste Anteil [4]. Der durchschnittliche Brutto-Jahreslohn im Landkreis beträgt 29.027, während er bundesweit bei 38.388 lag [5].

 

Der allgemeine Hintergrund dieses Wahlergebnisses ist die sprunghaft entwickelnde Krisenhaftigkeit des imperialistischen Weltsystems. Georgi Dimitroff analysierte diesen Zusammenhang bereits 1935: „Die weit vorgeschrittene Verwesung des Kapitalismus dringt in das Kernstück seiner Ideologie und Kultur, und die verzweifelte Lage der breiten Volksmassen macht gewisse Schichten für die Ansteckung mit den ideologischen Abfällen dieser Verwesung empfänglich.“ [6] Der aggressiver werdende Kampf um den Weltmarkt spiegelt sich in einer Rechtsentwicklung der Monopole, der Bundesregierung und der CDU wider. In den letzten Wochen und Monaten wurden vermehrt Sprachgebrauch und Forderungen der AfD übernommen und damit gesellschaftlich salonfähig gemacht. Von dieser Rechtsentwicklung wurde ein Teil der Massen erfasst.

 

Es gibt auch Hinweise von antifaschistischen Recherche-Gruppen im Internet, dass in letzter Zeit vermehrt bewusst faschistoide bis faschistische Kräfte nach Sonneberg gezogen sind, um dort Strukturen aufzubauen. Sie haben aktiv über verschiedene Kanäle für die Wahl der AfD geworben.

Was sagen die Sonneberger zum Ergebnis?

In einer Blitzumfrage fing die MLPD einige Stimmen ein. AfD-Wähler äußern sich voller Illusionen: „Vielleicht wachen die da oben jetzt endlich mal auf“, „Neue Besen kehren gut“. Das waren keine Einzelmeinungen, viele äußerten sich in diese Richtung. Trotzdem spiegelt das nicht allein die Gesamt-Situation wider. Man muss auch bedenken, dass bei einer Wahlbeteiligung von 59,6 % Robert Sesselmann von 31,1 % der Wahlberechtigten gewählt wurde. Hinzu kommt ein Ausländeranteil von 8,3 Prozent, von denen wiederum der allergrößte Teil erst in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen ist (2012 lag der Anteil bei 1,1 %). Die meisten von ihnen sind also nicht wahlberechtigt.

 

Vor allem Arbeiter äußerten sich besorgt: „Es kann nicht sein, dass jetzt Faschisten rankommen“ (Altenpflegerin). „ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Das ist alles andere als gut. Von meinen Kollegen sind viele Migranten. Sie verstehen gar nicht richtig, was passiert ist. Ich habe ihnen erklärt, dass der neue Landrat vor allem dafür steht, Migranten auszuweisen“ (Kollegin aus dem Service-Bereich eines Hotel-Betriebs).

Notwendige Schlussfolgerung: Eine Offensive der Kleinarbeit der MLPD, der Diskussion mit den Massen

Die MLPD wird diese Situation zum Anlass nehmen, in ihrer Kleinarbeit verstärkt den Leuten zu helfen, mit den Einflüssen der völkischen Ideologie fertig zu werden und dazu zum Beispiel die Anti-AfD-Broschüre der MLPD einsetzen. Die Suche der Leute nach Alternativen beantwortet die MLPD mit der verstärkten Diskussion über die Alternative des echten Sozialismus. Sie diskutiert freimütig und auch kritisch mit den Massen: Die Wahl der AfD ist keine Protestwahl, mit der Wahl der AfD setzt ihr auf das falsche Pferd und stärkt die volksfeindliche Politik der Regierungen und der Monopole, auch wenn ihr das subjektiv überhaupt nicht wollt. Es mag für den Moment bequemer erscheinen, seinen Protest mit der Wahl der AfD ausdrücken zu wollen. Es ist aber keine Lösung und es führt kein Weg daran vorbei, dass die Massen die Zukunft in die eigene Hand nehmen. Das fördert die MLPD. Protest ist links!

 

 

 

 

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