Apotheken-Streik

Apotheken-Streik

Heute blieben die meisten Apotheken dicht

Heute hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) alle Apotheken zu einem Streik aufgerufen. Ein Notdienst wird wie an Wochenenden eingerichtet. Allein in Thüringen wollen sich 90 Prozent aller Apotheken am Streik beteiligen.

Von gp
Heute blieben die meisten Apotheken dicht
(rf-foto)

Olaf Behrendt, Vorsitzender des Apothekenverbandes Brandenburg sagt: „Die Bundesregierung hat diesen Protesttag provoziert!“ Der ABDA hat seine Forderungen bereits am 28. Februar - in einem Zehnpunkte-Programm an die Bundesregierung - beschlossen. Der Bundesrat hat einem Teil dieser Forderungen bereits seine Unterstützung zugesagt.

Was fordern die Apotheker?

Apotheker gehören in der öffentlichen Meinung nicht gerade zu dem Berufszweig, der am Hungertuch nagt. Geht es bei dem Streik um die Verteidigung von Privilegien oder ist er berechtigt?

 

Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbands (HAV) begründet den Streik damit: "Apotheken haben mittlerweile mit einer Vielzahl an Herausforderungen zu kämpfen - seien es fehlende Honoraranpassungen oder Lieferengpässe. ... Was es braucht, ist eine Anpassung der politischen Rahmenbedingungen, die die Weichen für eine gut funktionierende flächendeckende Versorgung durch die Apotheken vor Ort stellen", sagt (HAV).

 

Hauptforderung der Apotheken ist eine Anpassung des Honorars, das die Apotheken für jedes Medikament bekommen - von 8,35 Euro auf 12 Euro. Das hört sich viel an. Dazu muss man aber wissen, dass bei Einführung der Honorarverordnung 2003 der Betrag 8,10 Euro betrug, der 2013 auf lediglich 8,35 Euro erhöht wurde. Obwohl das Gesetz vorsieht, diesen Betrag regelmäßig zu überprüfen, ist er trotz Preissteigerungen und Inflation seit zwanzig Jahren nahezu unverändert geblieben. Das ist mit ein Hauptgrund dafür, weshalb es in Deutschland immer weniger Apotheken gibt. Gab es 2008 noch 21.602 Apotheken ist die Zahl bis März 2023 auf 17.939 gesunken. Allein 2022 haben 393 Apotheken schließen müssen. Neben 10.811 Einzelapotheken gibt es 3299 Apotheken mit bis zu drei Filialen. Die durchschnittliche Apothekendichte auf 100.000 Einwohner liegt in Deutschland mit 22 Apotheken weit unter dem europäischen Durchschnitt von 32.

 

Hauptgründe für die Schließung von Apotheken sind die fehlende Honoraranpassung, Lieferengpässe bei den Medikamenten, eine ausufernde Bürokratisierung und Personalnot. Davon sind vor allem Einzelapotheken betroffen. Versandapotheken spielen mit einem Anteil von lediglich 0,7 Prozent am Gesamtumsatz noch so gut wie keine Rolle. Apotheken dürfen bei Lieferengpässen bei einem Medikament kein anderes, eventuell teureres Medikament ausgeben. Für ein Rezept, auf dem der Arzt nicht die Dosierung vermerkt hat, bekommen die Apotheken kein Geld von den gesetzlichen Krankenkassen. Pharmazie-Studierende werden häufig von der Pharmaindustrie abgeworben, wo sie wesentlich mehr Lohn als in einer Apotheke bekommen. In den Apotheken sind insgesamt 159.352 Menschen beschäftigt, davon 53.461 approbierte Apotheker. Ein pharmazeutisch kaufmännischer Angestellter hat bei einer 40-Stunden-Woche ein Anfangsgehalt von rund 1800 Euro brutto, ein technischer Angestellter 2349 Euro und ein approbierter Apotheker 3463 Euro.

 

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Forderungen nach mehr Honorar zurückgewiesen: „Die gesetzlichen Krankenkassen klagen über Finanzprobleme, der Finanzminister kürzt die Mittel. Unter diesen Umständen ist für höhere Honorare der Apotheker im Moment kein Raum."¹ Raum ist für Lauterbach jedoch genug da, wenn es gilt, bei Lieferengpässen von Medikamenten der Pharmaindustrie mehr Spielraum für Preiserhöhungen zu ermöglichen. Bei Kindermedikamenten sollen Fest- und Rabattverträge abgeschafft werden. Pharmafirmen können ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages anheben. Noch weiter geht der Gesundheitsexperte der Grünen, Janosch Dahmen, der den Streiktag kritisiert: „Wir brauchen Apotheken als Vertrauensorte und Ansprechpartner für gesundheitliche Fragen vor Ort. Ich verstehe die Sorgen vieler Apotheker, aber Streik ist wirklich die falsche Medizin.“³ Die Forderung nach Erhöhung der Honorare könne er zwar nachvollziehen, wegen des Sparzwangs aber nicht erfüllbar.

 

Wenn es um die Forderungen der breiten Massen und Kleinunternehmen handelt, gilt für die Regierung „Sparzwang“. Der gilt aber nicht, wenn Energiekonzerne, die Stahlindustrie, die Lufthansa oder die Pharmakonzerne nach Subventionen schreien.

 

Die krisenhafte Lage vieler Apotheken als Kleinunternehmen ist Teil der Krise des kapitalistischen Gesundheitssystems, das dem Maximalprofit der Pharmamonopole, Medizingerätehersteller und Finanzinvestoren untergeordnet ist.

 

Die Forderungen des ABDA sind für die große Zahl der kleineren Apotheken gerechtfertigt und gehören unterstützt. Insbesondere ist es zu begrüßen, dass sie mit dem "Streik" bewusst an Kampfformen der Arbeiterbewegung ansetzen.