Gewalt in Leipzig
Inszenierter Tag X
Auch Tage nach dem so genannten Tag X drehen sich in Leipzig und ganz Sachsen viele Diskussionen um den größten Polizeieinsatz seit Jahren. Am Montag demonstrierten bis zu 3000 Menschen gegen diesen Polizeieinsatz - und aus Solidarität mit der verurteilten Antifaschisten Lina E. Diese Demonstration verlief vollständig friedlich. Das verstärkt den Verdacht vieler kritischer Menschen: Es war vor allem der martialische Polizeieinsatz, der die Situation am vergangenen Samstag zur Eskalation brachte.
„Die ganze Inszenierung verfolgte vonseiten der Staatsmacht einen ganz bestimmten Zweck. Diesen konnte man am gestrigen Dienstag auf Seite 1 der Leipziger Volkszeitung lesen: ‚Sachsens Innenminister fordert neue Strategie gegen Linksextremismus‘“, so bewertet Jörg Weidemann, Vorsitzender der MLPD in Sachsen die Ereignisse.
Zentraler Ausgangspunkt war eine angeblich aus der linken Szene stammende Drohung: für jedes Jahr Haft, zu dem die Antifaschistin verurteilt würde, werde 1 Million Euro Sachschaden angerichtet. Das stieß zu Recht auf breite Empörung unter der Bevölkerung. Denn es liegt auf der Hand, wer für diese Sachschäden direkt oder indirekt aufkommen müsste. Eine zentrale Frage wurde allerdings gar nicht aufgeworfen: woher diese unsinnige Drohung wirklich stammt.
Sie diente jedenfalls als Vorwand dafür, 3000 Polizisten aus zwölf Bundesländern, mehr als ein Dutzend Wasserwerfer und eine Handvoll Räumpanzer aufzufahren. Diesem Aufgebot stand am Samstag eine Demonstration gegenüber, zu der 100 Leute angemeldet waren. Stadt, Polizei und mehrere Gerichte hatten im Vorfeld in einer neuen Qualität die Versammlungsfreiheit für Leipzig aufgehoben. Nicht aufgrund einer tatsächlichen Gefahrenlage, sondern allein anhand des politischen Zwecks wurden alle Demonstrationen für das Wochenende verboten. Alleiniges Kriterium: ein Bezug zu Lina E.
Bereits am Freitagabend kam es zu einer ersten Auseinandersetzung zwischen Polizei und anarchistischen Jugendlichen. Ein Anwohner und Kenner der Szene lieferte gegenüber Rote Fahne News weitere Hinweise, dass diese Konfrontation vonseiten des Staatsapparates durchaus erwünscht war. Seit Wochen gibt es an diesem neuralgischen Punkt eine Baustelle, wo praktisch sämtliches Material wie auf dem Silbertablett bereit liegt: Pflastersteine, Absperrgitter ... „Wenn ich 3000 Beamte vor Ort gehabt hätte und eine wirkliche Eskalation hätte verhindern wollen, hätte ich doch diese Baustelle geräumt oder zumindest mit Beamten gesichert“, so der Connewitzer. Er bestätigt auch, dass von einer neuen Qualität anarchistischer Gewalt nicht im Ansatz gesprochen werden könnte.
Jörg Weidemann warf bei der Montagsdemo die Frage auf, warum 3000 Beamte Stunden brauchen, um die Personalien von 1000 eingekesselten Demonstranten festzustellen. Schneller sei es eben nicht gegangen, so der Polizeipräsident. Seine Heeresschar hatte zwei Drittel der Demonstranten am Samstag über elf Stunden in einem Polizeikessel gefangen gehalten. Auf 1500 Personen wuchs nämlich die Demonstration gegen das Versammlungsverbot der ursprünglich 100 Angemeldeten an.
Vor dem Wochenende entfaltete die antikommunistisch motivierte Hetze gegen gewalttätige Linksextremisten durchaus eine größere Wirkung unter den Massen. Inzwischen wird wieder kritischer hinterfragt, was hier eigentlich passiert ist.