Jens Spahn (CDU) spricht von "Rente mit 63", die er abschaffen will
„Fachkräftemangel“ muss herhalten
"Die 'Rente mit 63' kostet Wohlstand, belastet künftige Generationen und setzt die falschen Anreize", sagte Jens Spahn (CDU). "Sie sollte sofort abgeschafft werden.“, womit er sich als neuer rechter Scharfmacher profilieren möchte. "Die Fachkräfte, die früher in Rente gegangen seien, fehlten nun 'bitterlich'"¹, so seine neue Erkenntnis.
Dabei ist selbst die Rente mit 63 schon lange pasé. Mit der „Rente mit 63“ bestand 2014 die Möglichkeit für langjährige Versicherte, ohne Abschläge mit 63 Jahren Rente zu beziehen. Damit erhoffte sich insbesondere die SPD-Führung, sich aus der anhaltenden Kritik der Massen an ihrer 2006 mit der CDU beschlossenen Erhöhung des Renteneintrittsalter auf 67 Jahren freizuschwimmen; was ihr aber nicht richtig gelang. Die „Rente mit 63“ war von Anfang an eine „Mogelpackung“. (Mehr dazu hier.) Anspruch auf die vorzeitige Rente hatten nur Versicherte, die mindestens 45 Jahre Beiträge eingezahlt haben. Damit waren insbesondere Frauen oder zeitweilig arbeitslos gewordene Menschen schon mal außen vor. Seit 2014 wird das Renteneintrittsalter bis 2029 schrittweise auf 67 Jahre angehoben, das heißt, dass die mit dem Geburtsjahrgang 1964 frühestens mit 65 Jahren nach 45 Jahren Einzahlungen abschlagsfrei in Rente gehen können. Wer nicht so lang durchhalten kann oder will, muss pro Jahr, das er früher in Rente geht, eine Kürzung seiner Rentenbezüge von 0,3 Prozent pro vorzeitiger monatlicher Inanspruchnahme hinnehmen, also 3,6 Prozent pro Jahr.
Wenn dennoch fast jeder Dritte vorzeitig in Rente geht¹, dann zeigt das, wie kaputt viele sind, und die Arbeit nicht mehr machen können, oder wie wichtig es berufstätigen Menschen ist, noch halbwegs gesund in den Ruhestand zu kommen. Die Forderung nach „sofortiger Abschaffung der Rente mit 63“ durch Spahn geht zum einen an der Wirklichkeit vorbei, nach der es diese schon lange nicht mehr gibt. Sie ist auch nicht auf seinem Mist gewachsen. Bereits Ende 2022 verlangte das „Arbeitgeber“-Präsident Rainer Dulger. Das ist aber nichts anderes als eine Erhöhung des realen Renteneintrittsalters bzw. eine massive weitere Senkung der Rentenbezüge! 2021 lag das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Deutschland bei etwa 64,1 Jahren – und damit rund zwei Jahre höher als vor zwanzig Jahren.²
Für die Monopolvertreter gehört die Rente zum „sozialen Klimbim“, wie sich einmal der damalige BDI- und Daimler-Chef Hanns Martin Schleyer offenherzig ausdrückte. Schon lange arbeiten diese auf die weitere Zerschlagung des Sozialversicherungssystems hin, wozu die Erhöhung des Renteneintrittsalters und die Beseitigung der „paritätischen Finanzierung“ durch „Arbeitnehmer und -geber“ gehören. Im Zuge der Verschärfung des internationalen Konkurrenzkampfs und des Wirtschaftskriegs, sowie der Vorbereitung eines neuen Weltkriegs, drängen die Monopolverbände auf eine noch stringentere Umverteilung des Volkseinkommens in ihre Kassen. Der Kampf gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters und gegen die Zerschlagung des Sozialversicherungssystems ist auch international ein Brennpunkt der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, wie die politisierten Massenproteste und -streiks in Frankreich oder auch Uruguay zeigen.
Der „Fachkräftemangel“ kommt Monopolen und Regierung gerade recht. Sie hoffen, damit den hartnäckigen Unmut und den Widerstand gegen ihre weitergehenden Pläne in Richtung Rente mit 70 und in Richtung Schleifen der gesetzlichen Rente knacken zu können. Dabei hat der „Fachkräftemangel“ sehr viel mit der Arbeitshetze und mit schlechten Arbeitsbedingungen, sowie mit den niedrigen Löhnen - und damit auch Renten - zu tun. Vor allem die Großbetriebe haben seit vielen Jahren die Ausbildung von Facharbeitern massiv gekürzt, um Kosten zu sparen.
Wenn sich jetzt die SPD über den Vorstoß von Spahn lauthals empört zeigt, dann hofft sie darauf, dass wir vergessen haben, wer die Erhöhung des Rentenalters auf 67 im Interesse der Monopolverbände beschlossen hat. Die FDP fordert wie auch die ultrareaktionäre und faschistoide AfD die Abschaffung eines festen Renteneintrittsalters.⁵ Was diese Monopolparteien als „individuelle Freiheit“ verkaufen, ist unter den kapitalistischen Verhältnissen, unter denen für viele Menschen die Rente kaum zum Leben reicht und unter denen die Armut unter Rentner weiter um sich greift, die „Freiheit des Kapitals“ .
Die MLPD kritisiert in ihrem Rentenkonzept die unmenschliche bürgerliche Weltanschauung: „Je länger und intensiver der Kapitalist seinen Arbeiter ausbeuten kann, desto besser aus seiner Sicht. Und wenn er nicht mehr arbeiten kann, soll er gefälligst möglichst wenig kosten.“ Anders im „Sozialismus, wo ein menschenwürdiges und kulturvolles Leben auch für die ältere Generation selbstverständlich ist. Sie wird dann nicht mehr aufs Abstellgleis geschoben“, könnten entsprechend ihren Möglichkeiten Verantwortung für die Gesellschaft und ihre Jugend übernehmen. Dann ist „die lebenserfahrenste Generation kein Störfaktor (mehr), sondern eine Bereicherung!“
In diesem Konzept weist die MLPD nach, dass „die Arbeitsproduktivität viel schneller als die Zahl der Rentner“ steigt und auch deshalb folgende Forderungen ohne Problem bezahlbar wären: Herabsetzung des Rentenalters auf 60 Jahre für Männer und 55 Jahre für Frauen und für Schicht- und Schwerarbeiter – bei vollem Rentenausgleich! Erhöhung des Rentenniveaus auf 70 Prozent des Nettoverdienstes! Keine Besteuerung von Rentenbezügen! Übernahme der gesamten Sozialversicherungsbeiträge zu 100 Prozent durch die Kapitalisten in Form einer umsatzbezogenen Sozialsteuer. Umsatzstarke Großkonzerne und Großbanken, die einen geringen Lohnanteil am Umsatz haben, müssen dann mehr einzahlen. Gegen Niedriglöhne, Minijobs, Leiharbeit, Werkverträge – für höhere Löhne und Gehälter, einheitlich in Ost und West! 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich!
Dem Übel an die Wurzel: Die Ursachen der Rentenmisere liegen im Kapitalismus. Deshalb verbindet die MLPD den Kampf für ihr Rentenprogramm mit dem Eintreten für den echten Sozialismus als gesellschaftliche Alternative.
¹ www.tagesschau.de, 28.5.
² de.statista.com, 21.11.22
³ www.verdi.de/presse/pressemitteilungen, 18.5.22
⁴ www.merkur.de, 15.12.22
⁵ www.deutsche-versicherungsboerse.de