Klartext
„Gierflation“ – wie gut, dass es das Kartellamt gibt
„Kartellamt ermittelt gegen Energieversorger“, berichteten am 15. Mai die Medien. Der Vorwurf: Sie „sollen die Energiepreisbremse ausgenutzt haben“. Dass die Konzerne sich über ihre sonstigen Inflationsgewinne hinaus auf Staatskosten noch Zusatzprofite genehmigten – das sorgte für breite Empörung unter den Menschen, denen saftige Preiserhöhungen bei Strom und Gas ins Haus flatterten. Um die Wogen zu glätten, schaltete die Regierung das Kartellamt ein.
Voll im Angriffsmodus verkündete dessen Chef Andreas Mundt: „Wir haben Anhaltspunkte dafür, dass die zugrundeliegenden Preise gegenüber den Endkunden sachlich nicht gerechtfertigt sein könnten.“ Was er „Anhaltspunkte“ nennt, sind erdrückende Beweise. Alle großen Energieversorger erzielten im ersten Quartal Rekordgewinne. Vattenfall verdoppelte seinen offiziellen Gewinn, RWE vervierfachte ihn. Man darf gespannt sein, bis zu welcher Höhe Mundt Preissteigerungen der Konzerne noch für „gerechtfertigt“ hält. Aus seiner vagen Formulierung spricht das vollste Verständnis dafür, dass steigende Preise und Gewinne im Kapitalismus eben völlig „normal“ sind. So warnt er schon mal davor, dass kein Unternehmen „unter Generalverdacht“ gestellt werden dürfe. Entsprechend fährt Gerechtigkeitswahrer Andreas Mundt schwerste Ermittlungsgeschütze auf. Er möchte die im Verdacht stehenden Unternehmen „systematisch und datengestützt befragen“.1 Sicherlich wird seine Befragung die Energiekonzerne in arge Bedrängnis bringen!
Im staatsmonopolistischen Kapitalismus beherrscht nicht der Staat die Monopole, sondern umgekehrt, die Monopole beherrschen den Staat, indem sie ihn ihren monopolkapitalistischen Interessen vollkommen untergeordnet haben. Tassilo Timm, Landesvorsitzender der MLPD Thüringen
Wer nach dieser Meldung noch Hoffnung hat, dass das Kartellamt die Energiemonopole dazu bringt, ihre durchschnittlichen Preissteigerungen für Haushalte von 60 Prozent wieder zurückzunehmen, sollte einen Blick auf seine bisherigen Fälle werfen. Noch nie folgten solchen Untersuchungen wirkliche Konsequenzen. Schließlich ist das Kartellamt wie alle anderen staatlichen Institutionen strikt der Diktatur des internationalen Finanzkapitals unterworfen. Bereits in den 1970er-Jahren analysierte Willi Dickhut2: „Im staatsmonopolistischen Kapitalismus beherrscht nicht der Staat die Monopole, sondern umgekehrt, die Monopole beherrschen den Staat, indem sie ihn ihren monopolkapitalistischen Interessen vollkommen untergeordnet haben.“3
Die Aktivitäten des Kartellamts sollen von dieser Tatsache ablenken und Illusionen in den Staat fördern. Da hilft auch die Forderung von Dietmar Bartsch (Linkspartei) wenig, dass das Kartellamt „wirksame Preiskontrollen durchführen“4 müsse. Denn um zu kontrollieren, braucht man die Macht. Wenn die Arbeiterklasse in einem zukünftigen sozialistischen Staat mit der Diktatur des Proletariats die Macht ausübt, wird sie auch eisern kontrollieren, dass die dann verstaatlichten Betriebe vollständig im Interesse der Gesellschaft produzieren und die Preise stabil bleiben oder gar sinken. Das freilich wird Dietmar Bartsch entschieden zu weit gehen.