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Was hat es mit dem Einbruch der Industrieproduktion auf sich?

„Industrieaufträge brechen ein“¹, „Industrieproduktion im März überraschend schwach“² – so, oder so ähnlich, war es in den letzten Tagen überall in den Nachrichten zu lesen.

Von rj
Was hat es mit dem Einbruch der Industrieproduktion auf sich?
Dunkle Wolken über der deutschen Wirtschaft? (foto: Arnoldius (CC BY-SA 3.0))

Dabei betonten die hochbezahlten bürgerlichen Wirtschaftsexperten jedes Mal ihre Überraschung. Waren sie doch Anfang April noch „mit Konjunkturoptimismus ins Frühjahr“³ gestartet und hatten einen starken Anstieg der Industrieaufträge bejubelt. Und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte erst Ende April anlässlich der Konjunkturprognose der Bundesregierung eine Grafik zur Entwicklung der Industrieproduktion mit optimistisch nach oben zeigenden Kurven in die Kameras gehalten.

 

Bei Otto-Normal-Zeitungsleser hinterlassen die oft schnell aufeinander folgenden, sich widersprechenden Wirtschaftsmeldungen ein Gefühl der Verwirrung. Geht es nun aufwärts oder abwärts? Auf was müssen wir uns einstellen? Kann man sich überhaupt auf irgendetwas einstellen, wenn selbst studierte Wirtschaftsexperten jeden Monat aufs Neue von der Entwicklung überrascht werden?

 

Schauen wir uns die Zahlen einmal genauer an⁴: Der Auftragseingang der Industrie war im Januar um 12 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zurückgegangen, im Februar um 5,7 Prozent und im März um 11 Prozent. Damit setzte sich ein Trend fort, der bereits im Frühjahr 2022 begonnen hatte. Dass der Rückgang im Februar vergleichsweise moderat ausfiel, lag an Großaufträgen im „sonstigen Fahrzeugbau“, zu dem unter anderem der Bau von Militärfahrzeugen gehört. Der „Einbruch“ im März gegenüber dem Februar war nichts anderes, als der Wegfall dieses Sondereffekts. Er ist aber auch ein Vorzeichen für einen späteren Einbruch der Industrieproduktion.

 

Die Industrieproduktion in Deutschland sank im Januar um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Im Februar stieg sie um 0,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat und im März um 1,8 Prozent. Wo ist also der „überraschende Rückfall“?

 

Die Wirtschaftsmeldungen in den bürgerlichen Medien vergleichen meist nur den jeweiligen Monat mit dem vorhergehenden. Sie geben keinen Aufschluss über die längerfristige Entwicklung. Vor allem ordnen sie diese Entwicklung nicht in den – von ihnen geleugneten – gesetzmäßigen Krisenzyklus der kapitalistischen Produktion ein. Das verwirrende Bild eines undurchschaubaren Auf und Ab ist dabei durchaus gewollt. Das ist aber auch Ausdruck der Krise der bürgerlichen Ökonomie, deren Prognosen sich immer seltener bewahrheiten.

 

Ob es gerade aufwärts oder abwärts geht, folgt auch dem jeweiligen politischen Zweck: So ist Habecks optimistische Konjunkturprognose Grundlage der Steuerschätzung der Bundesregierung. Die Unkenrufe vom Einbruch in der Industrieproduktion gehen dagegen mit der Forderung nach einem subventionierten Industriestrompreis zwischen vier und sechs Cent pro Kilowattstunde einher – während die Arbeiter mindestens 40 Cent dafür zahlen sollen! Oder mit Finanzminister Christian Lindners (FDP) orakelhafter Ankündigung: „Mit dem Wohlstand der Vergangenheit können wir die soziale Sicherheit von heute und morgen eben nicht mehr darstellen.“⁵ Im Klartext: weiterer Abbau sozialer Errungenschaften zugunsten der Stärkung der „Wettbewerbsfähigkeit und (der) Produktivität der deutschen Wirtschaft“⁶.

 

Auf Grundlage der politischen Ökonomie des Marxismus-Leninismus hat die MLPD dagegen analysiert: „Wir befinden uns seit dem dritten Quartal 2018 … in einer ausgewachsenen und zyklisch auftretenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise.“⁷

 

In Deutschland ging die Industrieproduktion 2022 gegenüber 2021 erneut zurück und lag bei gerade einmal 92,1 Prozent des Vorkrisenstands⁸. Damit ist Deutschland im internationalen Konkurrenzkampf deutlich zurückgefallen und hat einen dauerhaften wirtschaftlichen Substanzverlust erlitten. Ob die monatliche Schwankung von Februar zu März einen weiteren Rückgang einleitet, kann aus dieser einzelnen Zahl noch nicht geschlossen werden.

 

Die letzten Wochen und Monate hörte man zugleich immer wieder Berichte über explodierende Gewinne von deutschen Autokonzernen und anderen. Scheinbar ein Widerspruch zur sinkenden Industrieproduktion! Doch nur scheinbar: Deutlich wird daran die gewachsene Rolle der Spekulation. Die Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway von Warren Buffett machte im ersten Quartal einen Gewinn von 35,5 Milliarden US-Dollar - zum großen Teil schlichtweg über Spekulation an den Börsen reingeholt. Natürlich schafft die Spekulation selbst keine neuen Werte, sie ist nur die Vorwegnahme künftigen Profits. Der Spekulationsprofit ist ein Raubprofit, eine Umverteilung des Profits zwischen den Kapitalsanteilseignern.

 

Außerdem hat beispielsweise VW im vergangenen Jahr weniger Autos verkauft und dennoch massive Gewinn- und Umsatzsteigerungen zu verzeichnen. Ein Grund: die Verkaufspreise wurden schlichtweg erhöht. Wenn Umsatz und Gewinn gleichzeitig steigen ist daran gut sichtbar, dass die erhöhten Verkaufspreise keineswegs in erster Linie an gewachsenen Rohstoff- und Energiepreisen liegt, sondern dass es schlichtweg Raubprofite sind.

 

Zur selbstständigen Orientierung im Dschungel der Wirtschaftsmeldungen sind Grundkenntnisse der politischen Ökonomie des Marxismus-Leninismus unerlässlich. Die MLPD hat diese in mehreren Ausgaben ihres theoretischen Organs REVOLUTIONÄRER WEG schöpferisch auf die heutige Zeit angewendet und weiterentwickelt – einen Überblick gibt es hier. Zum Einstieg in die marxistisch-leninistische Krisentheorie eignet sich besonders die Nummer 23 „Krisen und Klassenkampf“. (Mehr dazu hier).