4-Tage-Woche
Trendsetter MLPD: Breite Diskussion über Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich
Aktuell gibt es eine breite Diskussion in den Medien und auf vielen Radiosendern, in Talkshows und Diskussionsrunden über das „Für“ und „Wider“ einer 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Konkreter Auslöser ist, dass die IG-Metall in der kommenden Tarifrunde in der Stahlindustrie eine entsprechende Forderung aufstellt.
Der Hauptgeschäftsführer des Kapitalistenverbands BDA, Steffen Kampeter, ist empört: „Deutlich weniger Arbeit bei vollem Lohnausgleich – wirtschaftlich ist das eine Milchmädchenrechnung“.¹ Fragt sich nur, für wen! Nach Rechnung der Kapitalisten ist natürlich mehr Arbeit und weniger Lohn optimal, weil das ihre Profite steigert.
Kampeter hat noch mehr Ratschläge parat: „Nur mit mehr Bock auf Arbeit und Innovationen werden wir unseren Sozialstaat und den Klimaschutz auf Dauer finanzieren können.“
Seiner Logik nach sei weniger Arbeiten bei gleichem Lohn einfach nicht finanzierbar. Die Produktivität ist in den letzten 30 Jahren aber enorm gestiegen. Das heißt, ein Arbeiter produziert pro Stunde deutlich mehr als vor 30 Jahren, oder anders ausgedrückt: Kampeter & Co. beschäftigen weniger Arbeiter, um das gleiche zu produzieren. Der Lohnanteil am Industrieumsatz ist von 20,6 (1994) auf 14,0 Prozent (2022) gesunken. Bei großen Monopolen liegt der Lohnanteil am Umsatz sogar nur bei ca. 7 bis 10 Prozent. Die Maximalprofite der Monopole explodieren. Allein Daimler machte in 2022 über 20 Milliarden Euro Gewinn. Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius ist natürlich trotzdem auch gegen eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Es geht also nicht darum, ob das finanzierbar wäre, das ist es längst. Es geht auch nicht darum, dass damit Geld für den Umweltschutz fehlen würde. Die größten Konzerne haben in den letzten Jahren Traumprofite gemacht und überhaupt nicht daran gedacht, damit Geld für soziale Leistungen abzugeben oder konsequent in Umweltschutz zu investieren. Die Sozialleistungen werden in der Hauptseite aus den Steuern der Massen finanziert. Jede erdenkliche Umweltschutzmaßnahme lassen sich die Konzerne noch zusätzlich schön aus unseren Steuergeldern subventionieren.
Natürlich ist die Forderung nach einer 4-Tage-Woche zu begrüßen. Allerdings wies bereits Karl Marx darauf hin, dass die Kapitalisten immer nach Verschärfung der Ausbeutung streben. Auch wenn die Arbeitszeit verkürzt wird, werden die Kapitalisten in dieser Zeit die Ausbeutung weiter steigern und alles daran setzen, dass die Arbeitsintensität an den 4 Arbeitstagen verstärkt wird. Darüber darf man sich keine Illusionen machen. Insofern sind Wachsamkeit und Kampfbereitschaft der Massen angesagt.
Harter Kampf braucht Streikrecht
Deshalb ist auch nicht einzusehen, dass der IG-Metall-Vorsitzende bei seiner Argumentation für die 4-Tage-Woche vor allem damit wirbt, dass die Produktivität steigt, wenn die Kollegen erholter und motivierter an die Arbeit gehen. Die Kapitalisten müssen nicht noch mit solchen Versprechen zu gesteigerter Arbeitsintensität geködert werden. Bei der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich muss konsequent von den Interessen der Arbeiter und ihrer Familien, ausgegangen werden, die mehr Zeit für gesellschaftliche Aktivität, Erholung und Reproduktion der Arbeitskraft benötigen. Die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich wird nicht ohne Kampf erreicht werden, weil man den Kapitalisten noch Vorteile daraus nahelegt. Die 35-Stunden-Woche wurde in hart geführten und wochenlangen Streiks durchgekämpft. Das ist auch nötig, um heute eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durchzusetzen. Passend dazu findet aktuell eine intensive Auseinandersetzung um das Streikrecht in Deutschland statt. Die MLPD fordert ein vollständiges und allseitiges politisches Streikrecht. Eine Forderung, die auch beginnt, um sich zu greifen...!
Trendsetter MLPD
Die MLPD fordert seit den 1990er-Jahren eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, trägt diese Forderung auf die Straße, in die Gewerkschaften, führte Diskussionen und entwickelte Argumente. Sie war bereits die treibende Kraft hinter der Forderung für die 35-Stunden-Woche, die Altkanzler Helmut Kohl seinerzeit noch als „absurd, dumm und töricht“ bezeichnet hatte (Zit. nach Susanne Gesa Müller: Bestimmungsgründe der prozyklischen Arbeitsproduktivität – Theorie und Empirie für das Produzierende Gewerbe in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1960 und 1994, S. 84.). Bekanntermaßen ließ sich Kohl in seiner Amtszeit mehrfach Koffer mit Geldern der Monopole aushändigen. Kein Wunder, dass der Gedanke daran, diese könnten ihm bei einer zu arbeiterfreundlichen Politik den Geldhahn zudrehen, Herzstolpern verursachte. Inzwischen wurde die 35-Stunden-Woche erkämpft.
Lange war die MLPD in der Öffentlichkeit mit der Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich allein auf weiter Flur. Besser könnte man sagen, ihrer Zeit voraus! Denn inzwischen kommt an der Frage niemand mehr vorbei – die Diskussion ist in aller Munde. Als erstes übernahm die Linkspartei die Forderung. Inzwischen sprechen sich auch Teile der SPD dafür aus, zum Beispiel Serpil Midyatli, Landesvorsitzende der SPD Schleswig-Holstein, am 21. Januar im Hamburger Abendblatt.
Die Forderung der MLPD nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist auch dazu geeignet, den Kampf um Arbeitsplätze nicht als Abwehr gegen geplante Abbauprogramme, sondern offensiv zu führen. Allein in der Autoindustrie könnten rechnerisch in Deutschland rund 140.000 Arbeitsplätze neu geschaffen bzw. erhalten werden. Das ist die richtige Antwort auf die im Zuge der Umstellung auf E-Mobilität überall geplante Arbeitsplatzvernichtung. Vor allem Frauen arbeiten heute millionenfach in Teilzeit und Umfragen ergeben, dass sie sich bei einer Arbeitszeitverkürzung in großen Teilen vorstellen könnten, auf Vollzeit zu wechseln.
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