Interview zur Auseinandersetzung um Tarifabschluss bei Ver.di
Gewerkschaft stärken – Mitglied werden
Die Rote Fahne Redaktion unterhielt sich mit einem kämpferischen Kollegen:
Rote Fahne: Wie wird die Empfehlung der Schlichtungskommission für die Tarifverhandlungen bei Ver.di bei euch im Betrieb diskutiert?
Kollege: Bei uns fand eine Betriebsversammlung dazu statt, an der ca. 400 Kollegen teilgenommen haben. Es war Bestandteil der Taktik, zuerst lange über viele langweilige Themen zu sprechen und die Empfehlung der Schlichtungskommission erst spät zum Thema zu machen. Der Gewerkschaftssekretär brachte das Thema dann ein und war sehr defensiv. Er wusste, dass es unter den Kollegen eine breite Ablehnung dieses faulen Kompromisses gibt; das hat man schon vorher in den Gesprächen mit den Kollegen gemerkt. Auch viele Vertrauensleute lehnen das Ergebnis ab. Der Gewerkschaftssekretär sagte im O-Ton: „Der Vorschlag ist nicht toll, aber mehr war nicht drin. Ich kann verstehen, wenn man dagegen ist, aber man sollte sich an der Mitgliederbefragung beteiligen.“
Rote Fahne: Wie ging die Diskussion weiter?
Kollege: Einige Kollegen hatten vor der Versammlung bereits gefragt: „Sprichst du heute wieder? Wir warten drauf!“ Ich habe mich dann natürlich zu Wort gemeldet. Ich habe mich gegen den von beiden Seiten ungerechten Krieg in der Ukraine positioniert und vertreten, dass man die Empfehlung der Schlichtungskommission als faulen Kompromiss ablehnen muss. Ich habe die Kollegen aufgefordert, zum 1. Mai aktiv zu werden, die Gewerkschaften zu stärken und Mitglied zu werden. Ich wurde mehrmals von Applaus unterbrochen. Es gibt aber auch eine große Polarisierung. Nach mir sprachen Vertreter des Betriebsrats, die dazu aufgerufen haben, aufgrund der Empfehlung von Ver.di, das Schlichtungsergebnis anzunehmen, aus der Gewerkschaft auszutreten. Teilweise haben sie auch sehr viel Applaus für diese Position bekommen!
Manche Kollegen klatschen, wenn sie eine Einzelaussage richtig finden, ohne sich richtig bewusst zu machen, von wem sie kommt, aus welchen Gründen und mit welcher Konsequenz sie gebracht wurde. Diese Auseinandersetzung wurde auf der Betriebsversammlung nicht aufgelöst; beide Positionen blieben nebeneinander stehen. Hinterher kamen allerdings mehrere Kollegen auf mich zu und sagten: „Das war genau richtig, was du gesagt hast!“
Rote Fahne: Hat die MLPD euch in eurem Kampf unterstützt?
Kollege: Ja, die MLPD und solidarische Kollegen haben unseren Kampf unterstützt. Das Rote Fahne Magazin wurde verkauft und wir wurden zum 1. Mai eingeladen. Die MLPD hat uns dazu ermutigt, konsequent für unsere richtigen Forderungen zu kämpfen, zum 1. Mai zu kommen und über den echten Sozialismus zu diskutieren. Die Kollegen nehmen das wahr, aber die Diskussion, selber aktiv zu werden, ist noch relativ verhalten.
Rote Fahne: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg bei eurem Kampf!