Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse
1. Mai 2023 im Zeichen sich belebender Arbeiterkämpfe und des Richtungskampfs in der Arbeiterbewegung
Millionen von Menschen waren an diesem 1. Mai weltweit auf der Straße. Nach Aufhebung der meisten Pandemie-bedingten Beschränkungen freuten sich viele Arbeiterinnen und Arbeiter darauf, diesen Tag mit kämpferischen Kundgebungen und Demonstrationen zu begehen.
Den Auftakt bildeten die Demonstrationen in Australien, Philippinen und Japan. Aus Manila wird berichtet: "Die heutigen Demonstrationen waren ein großer Erfolg. In sehr vielen Städten in Luzon, den Visayas und Mindanao schlossen sich die Arbeiter von Kilusang Mayo Uno1 mit anderen Arbeitergruppen zusammen. Ihre Hauptforderung: Kämpft für Löhne, Arbeitsplätze, Arbeiterrechte!" Viele Redner griffen an, dass sich in den letzten drei Wochen mehr als 15.000 US-Soldaten auf den Philippinen befanden und Kriegsübungen im Westphilippinischen Meer durchführten. Genauso wie in Bangladesch forderten die Demonstranten eine drastische Erhöhung des Mindestlohnes.
In Frankreich war der 1. Mai verbunden mit Streiks auf den Flughäfen: ein Drittel weniger Flüge gab es in Paris Orly, Marseille und Lyon, ein Viertel weniger in Roissy. Bei der großen Kundgebung in Paris stand der Protest gegen die arbeiterfeindlichen Gesetze der Regierung im Zentrum.
Kampf gegen Weltkriegsgefahr ein Hauptthema
In vielen Ländern war der Kampf gegen die akute Weltkriegsgefahr eines der Hauptthemen. In Griechenland führten die Seeleute einen 24-stündigen landesweiten Streik in allen Schiffskategorien durch. Auch die Beschäftigten des Bahnnetzes beteiligen sich mit einem 24-Stunden-Streik. Das Zugunglück von Tempi mit 57 getöteten Jugendlichen mobilisierte zusätzlich. In Athen endete die Kundgebung am Syntagma-Platz mit der von Tausenden gesungenen "Internationale".
Im Niger forderte der Gewerkschaftsdachverband CNT in seinem Maiaufruf den Abzug aller ausländischen Truppen aus dem Niger - wenige Tage, nachdem der Bundestag den Einsatz der Bundeswehr dort erneut beschlossen hat. Der Kampf gegen die begonnene Umweltkatastrophe spielte am 1. Mai insgesamt noch keine so ausschlaggebende Rolle.
"Gewehre herumdrehen" - aber konsequent
In Deutschland haben laut DGB 287.880 Menschen an 398 Veranstaltungen und Kundgebungen teilgenommen. Das sind etwas mehr als im letzten Jahr mit 203.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, aber auch noch deutlich weniger als in der Zeit vor der Corona-Pandemie.
Bei der zentralen DGB-Kundgebung in Köln erinnerte der örtliche DGB-Vorsitzende Witich Roßmann an das Jahr 1918, als die Arbeiter und Soldaten die Gewehre herumdrehten, den Kaiser gestürzt und den Krieg beendet haben. Auch heute müssten die russischen Arbeiter die Gewehre herumdrehen und ihre Regierung stürzen. Ein Aufruf, der allerdings im Sinne Lenins ergänzt werden müsste um die Aufforderung an die ukrainischer Arbeiter, auch gegen ihre arbeiterfeindliche und kriegslüsterne Regierung sowie die mit ihr verbündete NATO vorzugehen.
Abordnung von Eisenbahnern mit Streikwesten dabei
Insbesondere Arbeiter aus den industriellen Großbetrieben und Belegschaften, die in Tarifkämpfen standen beziehungsweise stehen, wie aus dem Öffentlichen Dienst und von der Bahn, bestimmten in vielen Städten das Bild. In Köln kam eine ganze Abordnung von Eisenbahnern mit Gewerkschaftswesten. In Gelsenkirchen traten Bergleute mit ihrem großen Transparent auf. In mehreren Bergarbeiterstädten des Ruhrgebiets sammelten Kumpel Spenden für die Reisekosten zur 3. Internationalen Bergarbeiterkonferenz im Herbst dieses Jahres und gewannen Mitstreiter, die bei der Vorbereitung helfen.
In Kürze:
- Laut DGB nahmen 287.880 Menschen an 398 Veranstaltungen und Kundgebungen zum diesjährigen 1. Mai teil
- Das Bild prägten mehr als sonst die in Tarifstreiks aktiven Kolleginnen und Kollegen
- MLPD und Internationalistisches Bündnis traten überall aktiv auf
In Hannover protestierten VW-Arbeiterinnen und -Arbeiter für die Übernahme aller Leiharbeiter. In Sindelfingen warben Daimler-Kolleginnen und -Kollegen für die Internationale Automobilarbeiterkonferenz, den gemeinsamen Kampf gegen die Weltkriegsgefahr und für Lohnnachschlag. In Oberhausen bekam Hauptredner Carsten Burckhardt von der IG BAU für die Ansage an Regierung und Unternehmerverbände „Untersteht euch, ans Streikrecht zu gehen!“ viel Beifall.
Was hat ein Kriegstreiber auf der DGB-Kundgebung verloren?
In Koblenz trat Bundeskanzler Olaf Scholz als Redner auf und betonte seinen "Respekt vor denjenigen, die arbeiten". Der Respekt der Regierung endet jedoch spätestens beim Kampf für höhere Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst, wo die zuständige Innenministerin Nancy Faeser ständig über "fehlendes Geld" in der Staatskasse jammerte. Kein Wort von Scholz zu den horrenden staatlichen Einnahmesteigerungen aufgrund der Superinflation, kein Wort zu den staatlichen Milliardensubventionen für Konzerne unter dem Vorwand von Corona-Krise und Ukrainekrieg (mehr dazu hier).
Es fragt sich, was einer der obersten Kriegstreiber in Deutschland überhaupt auf einer DGB-Kundgebung zu suchen hat. Ein solcher Auftritt steht ganz im Zeichen der sozialchauvinistischen Unterordnung eines Teils der führenden Gewerkschaftsfunktionäre unter den Kriegskurs der Regierung.
Klare Kante vom Internationalistischen Bündnis und der MLPD
Oft gemeinsam mit dem Internationalistischen Bündnis und im klaren Kontrast dazu führte die MLPD in vielen Städten ein offenes Mikrofon mit Kurzreden gegen die akute Weltkriegsgefahr, zur globalen Umweltkatastrophe und zur Alternative Sozialismus durch. Das schöne Transparent mit der Hauptlosung "Der Kapitalismus bedroht die Menschheit, Perspektive echter Sozialismus" fiel in vielen Städten ins Auge.
In Göppingen wurden alle jüngeren Teilnehmer auf das Rebellische Musikfestival angesprochen - mehrere haben ihr Interesse bekundet und Kontakte wurden geknüpft. Hier wurden auch kräftig Spenden für die MLPD-Initiative "1 Euro gegen die Regierungspolitik" gesammelt - es kamen 56 Euro zusammen.
In zahlreichen Städten gab es in intensive Diskussionen über die Bücher aus der Reihe "Die Krise der bürgerlichen Ideologie und die Lehre von der Denkweise". So wurden in Düsseldorf bis 14 Uhr allein sechs Exemplare des Buchs "Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft" verkauft. Ein Korrespondent berichtet von den Erfahrungen dabei: „Die Leute sind auf der Suche danach, wie man auf die gesamte gegen uns gerichtete Politik reagieren muss. Es geht ihnen nicht nur darum, irgendetwas zu machen, sondern sie wollen auch klären, in welche Richtung alles gehen soll.“
Verhaltener Applaus für Streik-Gegnerin
Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi als Hauptrednerin in Köln nahm Begriffe und Gedanken in ihrer Rede auf, die der wachsenden Kapitalismuskritik entsprachen, zum Beispiel dass wir "der Profitgier" etwas entgegensetzen müssen - dafür gab es großen Applaus -, um dann allerdings wieder bei Illusionen in die Reformierbarkeit des Kapitalismus zu landen.
In Gelsenkirchen hatte der örtliche DGB ausgerechnet Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) als Rednerin am 1. Mai eingeladen, die als Präsidentin der "Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände“ während des ver.di-Streiks im öffentlichen Dienst mit ihrer Äußerung „Das Streikrecht wird inflationär ausgereizt“ Stimmung machte. Sie erhielt selbst von der eignen Basis nur sehr verhaltenen Applaus.
Erfolgreich gegen Ausgrenzungsversuche
Die Auftaktkundgebung der kämpferischen Opposition in Gelsenirchen war dagegen geprägt von großer Solidarität mit den kämpferischen Tarifaktionen. Stefan Engel warb angesichts des imperialistischen Systems mit seinen existenziellen Bedrohungen für die Menschheit durch Atomtod und globale Umweltkatastrophe für eine sozialistische Gesellschaft, in der die alles bestimmende Diktatur internationaler Monopole revolutionär überwunden wird. Erfolgreich hatten sich das Internationalistische Bündnis und die MLPD gegen Unterdrückungsversuche einiger SPD-Funktionäre und Gewerkschaftsspitzen gewehrt. Ihr Block prägte ungestört mit Arbeiterliedern und kämpferischen Beiträgen die Demonstration.
Die Versuche einzelner DGB-Führer, auch an anderen Orten die MLPD am 1. Mai auszugrenzen, scheiterten nach den bisher vorliegenden Berichten. In Solingen hatte der DGB-Vorsitzende Peter Horn zur Abwechslung mal der SPD, CDU und FDP einen Infostand bei der DGB-Maikundgebung untersagt. Der Grund: Alle drei Parteien hatten sich Ende 2022 für die Gründung einer Servicegesellschaft beim städtischen Klinikum ausgesprochen, bei der für Hunderte Beschäftigte niedrigere Löhne als im üblichen Tarifvertrag gelten sollen. Warum sollen sich Parteien, die den Arbeitern in den Rücken fallen, am 1. Mai sich diesen anbiedern dürfen? In Hagen, wo die DGB-Führung die Demonstration dieses Jahr abgesagt hatte, hat die Montagsdemo-Bewegung selbst erfolgreich eine kämpferische Demo organisiert.
Polizeischikane: Wüst darf sprechen, MLPD-Redner nicht?
Bei der schon traditionellen Auftaktkundgebung des Internationalistischen Bündnisses in Duisburg vor dem Hamborner Rathaus gefiel der Polizei nicht, dass nicht nur der russische Imperialismus, sondern auch der US-Imperialismus mit seinen NATO-Verbündeten und speziell der deutsche Imperialismus angegriffen wurde. So nahm nach einiger Zeit eine mehrköpfige Polizeieskorte den Kreisvorsitzenden der MLPD, Jürgen Blumer, zur Seite und erklärte, die Kundgebung sei nicht angemeldet. Deswegen nahmen sie seine Personalien auf, er würde später von ihnen hören.
Gleichzeitig durfte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bei der offiziellen DGB-Kundgebung für den Kurs seiner Landesregierung werben, die ebenfalls die imperialistische Kriegspolitik unterstützt. Die Teilnehmenden der Auftaktkundgebung protestierten dagegen und erklärten, dass Kriminalisierungsversuche auf entschiedenen Protest stoßen werden.
Tolle Atmosphäre bei ersten Maifeiern
Teilweise fanden schon am Vortag Maifeiern des Internationalistischen Bündnisses und der MLPD statt. So in Braunschweig, wo bei gutem Wetter gegrillt, gespielt, zur Gitarre gesungen, und eine Rede der MLPD gehört wurde. "Diese Atmosphäre der Solidarität findet ihr bei keiner anderen Partei", war die Bilanz einer Arbeiterin aus Wolfsburg. In Heilbronn stand im Mittelpunkt der Mairede das erwachende Klassenbewusstsein und eine Auswertung der ver.di-Streiks. Im Kulturprogramm wurde das Rebellische Musikfestival vorgestellt. Die Kolleginnen und Kollegen der Internationalen Automobilarbeiterkonferenz mobilisierten in branchenübergreifender Solidarität zur Unterstützung der Internationalen Bergarbeiterkonferenz.
Rote Fahne News bedankt sich für alle eingegangenen und noch eingehenden Berichte. Wir werden sie in den nächsten Tagen noch veröffentlichen.