Umweltgewerkschaft dabei

Umweltgewerkschaft dabei

650 Teilnehmer beim Abschaltfest am Atomkraftwerk in Neckarwestheim

Am Samstag zehn Minuten vor Mitternacht wurde die Produktion von Atomstrom aus dem Block 2 des Atomkraftwerks Neckarwestheim eingestellt.

Korrespondenz
650 Teilnehmer beim Abschaltfest am Atomkraftwerk in Neckarwestheim
Delegation der Umweltgewerkschaft beim Abschaltfest in Neckarwestheim (rf-foto)

Seit längerem wurden dort Haarrisse an Dampfrohren bemängelt, welche zu einer atomaren Katastrophe führen können. Doch der „grüne“ Ministerpräsident Winfried Kretschmann ignorierte auch angesichts von Tschernobyl oder Fukushima, welches ihn an die Regierung gebracht hatte, alle Warnungen. Nach einem weiteren Aufschub wurde jetzt der 15. April 2023 zu einem historischen Datum mit der Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland.

 

Doch die Gefahr einer Atomkatastrophe und radioaktiven Verstrahlung der Bevölkerung ist mitnichten vorbei. Der Rückbau in Neckarwestheim wird mindestens die nächsten 15 Jahre dauern. Für verstrahltes Material gibt es bis heute kein Endlager. In Neckarwestheim und dem benachbarten Gemmrigheim wird weiter hochriskanter Atommüll eingelagert. Das ist das Erbe für die Zukunft der Menschheit!

 

Doch der 15. April war auch ein Festtag für die vor allem kleinbürgerlich geprägte Anti-Atombewegung. 600-700 sind gekommen. Das gelbe Fahnenmeer mit der Atomsonne steht im großen Kontrast zum Reaktorgelände. Nur noch leichter Dampf entweicht der Wolkenfabrik. Stets mahnend für die Bevölkerung der Region ist sie seit Jahrzehnten Orientierungspunkt geworden. Mit einer würdigen Schweigeminute wurde der Opfer der radioaktiven Strahlungskatastrophen und des Widerstands gegen die Nutzung der Atomenergie gedacht. Das Abschalten der letzten Atomkraftwerke in Deutschland wurde als Erfolg des über 50 Jahre währenden Widerstands gefeiert.

 

Redner wie Wolfgang Emke, Pressesprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, und Prof. Dr. Christian von Hirschhausen von der Technischen Universität und Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) verwiesen auf die nach wie vor hohen Brisanz der internationalen Nutzung der Atomenergie und auf das weltweit ungelöste Problem des Endlagers. Hirschhausen mahnte den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien an. Während eine Kilowattstunde aus Atomstrom heute über 30 Cent kosten würde, kämen die Erneuerbaren längst nur noch auf 3-5 Cent.

 

In einer kleinen Diskussionsrunde kamen Aktivisten zu Wort, wie von Fridays for Future, vom BUND, einem Blockierer der Letzten Generation, welcher vor kurzem in Heilbronn zu einer halbjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Umrahmt wurde das Fest von einem kulturellen Programm, das mit Bella Ciao begann, Liedvorträgen von Hirschhausen mit Gitarre sowie Liedern aus dem Jahrzehnte langen Anti-Atom-Widerstand.

 

Auf großes öffentliches Interesse stieß das Abschaltfest bei den internationalen Medien, wie einem Fernsehteam aus Fukushima und zahlreichen TV- und Reporterteams, welche durchgängig Teilnehmer interviewten. Viele Teilnehmer äußerten dabei meist eine gewisse Befreiung und Stolz, Teil des Widerstands zu sein. Auch für die EnBW, den Betreiber des Atomkraftwerks, scheinen die Tage des Atomstroms zu Ende gegangen zu sein. An einer großen Reihe von Fahnenmasten prangten unübersehbar auf blauem Grund die Worte Rückbau und Energiewende.

 

Eine Delegation der Umweltgewerkschaft nahm in ihren grünen Westen am Abschaltfest teil und lud mit Flyern zur Veranstaltung mit Prof. Dr. Josef Lutz am kommenden Samstag in Esslingen ein.