Koalitionsausschuss

Koalitionsausschuss

Offene Regierungskrise vorerst knapp vermieden

Nach dreitägigen Verhandlungen, unterbrochen durch einen Ausflug in die Niederlande, traten die Vorsitzenden der Ampel-Parteien vor die Presse und verkündeten die Vollendung des "ganz großen Werkstücks", wie es der Bundeskanzler hochtrabend zwischendurch nannte.

Von gis
Offene Regierungskrise vorerst knapp vermieden

Sie suchten nach außen den Eindruck zu erwecken, als strotzten sie nur so vor Selbstzufriedenheit: Ricarda Lang, eine der beiden Grünen-Vorsitzenden; Lars Klingbeil, einer der beiden SPD-Vorsitzenden; Christian Lindner, alleiniger FDP-Vorsitzender. Dabei haben die Koalitionäre mit Ach und Krach eine offene Regierungskrise vermieden. Ein Pyrrhussieg, der die latente Regierungskrise verschärft. Denn um wesentliche Fragen, die auch als "Hausaufgaben" von der Klausur in Meseberg übrig waren, hat der Koalitionsausschuss einen großen Bogen gemacht. Das betrifft immerhin die Vorlage des Haushaltsentwurfs, die Christian Lindner auf unbestimmte Zeit vertagt hat. Dazu gehört die Kindergrundsicherung. Täglich werden neue Forderungen nach mehr Geld für die Aufrüstung der Bundeswehr laut. Wo kommt das Geld her? Das vom Koalitionsausschuss verabschiedete Programm ist ein Programm für die Monopole und ihren ungebremsten umweltpolitischen Rollback. Einige Zugeständnissen an das gewachsene Umweltbewusstsein der Massen und das gewachsene Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse muss die Regierung machen.

"Sektorenübergreifende Gesamtrechnung" - ein umweltpolitisches Desaster

Im Koalitionspapier steht, dass alle Sektoren einen Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen. Das ist schön vage formuliert. Die Grünen strebten an, dass es verbindliche Einsparziele von CO2-Emissionen geben soll, vom Verkehrssektor über Gebäudesanierung bis zur Industrieproduktion. Davon hat sich der Koalitionsausschuss verabschiedet. Es soll eine "sektorenübergreifende Gesamtrechnung" geben. Wenn also die Umweltschädlichkeit von Gebäudeheizungen verringert wird, kann man im Verkehrssektor weiter ungebremst die Sau rauslassen. Freie Fahrt für die Pläne von Verkehrsminister Volker Wissing, freie Fahrt für die Autoindustrie, freie Fahrt für den beschleunigten Autobahnausbau. Ricarda Lang formulierte: Die Sektoren können einander helfen. Bundesministerien, die besonders stark an der Zielverfehlung beteiligt sind, müssen einen Plan vorlegen, wie sie das künftig vermeiden wollen. Die "sektorenübergreifende Gesamtrechnung" ist eine neue Variante des umweltpolitischen Ablasshandels, wie wir ihn schon vom Emissionshandel kennen.

Beschleunigter Autobahnausbau - mit Alibi-Solaranlagen auf dem Grünstreifen

144 Autobahnprojekte werden auf den Weg gebracht. Laut Ampel sind sie von "überragendem öffentlichem Interesse". Die gemeinsamen Demonstrationen und Kundgebungen von ver.di und Fridays for Future für eine umweltfreundliche Verkehrswende sprechen eine andere Sprache. Die Regierungskoalition ist halt kein Dienstleister für die Bevölkerung, sondern für Auto- und Baumonopole. Für die Autobahnprojekte gilt teilweise die "Planbeschleunigung". Möglichkeiten, Einspruch zu erheben, sei es wegen des Naturschutzes oder gegen Zwangsenteignung landwirtschaftlich genutzter Flächen, werden weiter beschnitten. Die Grünen „erkämpften“ dafür, dass die Autobahnabschnitte mit Solaranlagen flankiert werden sollen. Verpflichtender Einbau von Solaranlagen auf Fabrikanlagen, Lebensmittel-, Bau- oder Einkaufsmärkten, auf Bürogebäuden usw.? Brauchen wir nicht mehr, wir haben ja die Grünflächen neben den Autobahnen. Eingriffe in die Natur sollen auch mit Geldzahlungen kompensiert werden können statt durch Bereitstellung von Ersatzflächen. Ein Plan, von dem Auto- und Bauindustrie profitieren. Spielen auch militärische Gesichtspunkte wie Truppen- und Panzertransporte eine Rolle? Schon vorher wurde in der EU durchgesetzt, dass auch nach 2035 noch Fahrzeuge mit Verbrennermotoren zugelassen werden können, sofern sie mit synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) betankt werden. Jetzt kam dazu, dass die Produktion und Nutzung dieses Kraftstoffe „kurzfristig angereizt“, Nutzfahrzeuge entsprechend gefördert und Ladesäulen ausgebaut werde sollen.

Erhöhte LKW-Maut soll in den Ausbau der Bahn fließen

Das ist ein Fortschritt, denn bisher wurde das Geld aus der LKW-Maut für den Straßenausbau verwendet und eingeplant. Die Bahn hat es aber auch dringend nötig. Das Schienennetz ist an vielen Stellen, insbesondere abseits der Hauptstrecken, marode, in Wartung und Reparatur der Züge vor allem im Regionalverkehr wird wenig investiert. Letztes Jahr ereignete sich wegen kaputter Gleise bei Garmisch-Partenkirchen ein Zugunglück mit mehreren Toten. Den Investitionsbedarf für die Bahn bezifferte die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang bis 2027 auf 45 Milliarden Euro.

Übergangsfristen für Gas- und Ölheizungen

Heizungen mit fossilen Brennstoffen können länger betrieben werden als von Wirtschaftsminister Robert Habeck geplant. Der Umtausch auf Wärmepumpen wird gefördert, gestaffelt nach Alter der Öl- und Gasheizungen. Wie die Förderung aussehen soll, wird offengehalten. Jede neu eingebaute Heizung "soll möglichst" statt "muss" zu 65% mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Heizungen mit Gas sind erlaubt, wenn sie mit "Ökogas" betrieben werden: "grüner und blauer Wasserstoff", wobei letzterer, ja auch aus Gas erzeugt wird. Wärmepumpen sollen gefördert werden, je nach Gehalt. Grundsätzlich ist eine Umstellung auf Wärmepumpen sinnvoll, aber: der Betrieb geht nicht überall, wenn zum Beispiel die Häuser schlecht gedämmt sind. Die Dämmung/neue Fenster sind kostenintensiv, ggf. müssen auch größere Heizkörper eingebaut werden. Die "soziale Abfederung", die die Ampel verspricht, muss man erst Mal sehen. Bislang war das meist warme Luft. In Norwegen, Schweden, Dänemark gelang die Umstellung mit großer staatlicher Förderung. Grundsätzlich muss jeder Austausch gefördert werden, ob die Heizung noch läuft oder irgendwann kaputt ist. Siehe dazu auch RF-Artikel in Magazin 2/2023 Seite 24. Die Umrüstung muss auf Kosten der Energiemonopole finanziert werden.

Kritik von Umweltverbänden - Zustimmung von "Wirtschaftsweisen"

Sozialverbände, Bund Naturschutz und Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisieren die Ergebnisse des Koalitionsausschusses. „Diese Anti-Klimaschutz-Koalition legt allen Ernstes Hand an das Bundesklimaschutzgesetz. Damit versündigt sie sich an allen künftigen Generationen“, erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. „Im Verkehrsbereich sind die Horror-Nachrichten kaum zählbar, unter anderem sage und schreibe 144 beschleunigte Autobahn-Bauvorhaben und die geplante faktische Gleichstellung von Verbrenner-Pkws mit Elektrofahrzeugen“, kritisierte Resch. Der schon in der Merkel-Ära miserable Umweltschutz werde sogar noch weiter ausgehöhlt. Sehr zufrieden sind dagegen Monopolvertreter. Die sogenannte Wirtschaftsweise Veronika Grimm lobte die Ergebnisse des Koalitionsausschusses hingegen. „Es stellt sich als positiv heraus, dass der Koalitionsausschuss sich etwas Zeit gelassen hat“, meinte sie.

Rot für diese Ampel!

Angesichts der Alarmstufe Rot für die Menschheit durch die Umweltkatastrophe, die eingesetzt hat, braucht diese Ampel dringend ein Rotsignal. Die umweltfeindlichen Beschlüsse des Koalitionsausschusses müssen vom Tisch! Statt Ausbau Einschränkung des Individualverkehrs, vorrangiger Ausbau eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs und Ausbau der Fahrradwege! Verlagerung des Güterverkehrs auf Schienen und Wasserwege! Sofortige Konzentration auf den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen!

 

 

 

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