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Drittgrößter Hafen Europas steht still!

Am Warnstreik am 23. März 2023 in Hamburg zur Tarifrunde im öffentlichen Dienst beteiligten sich unter dem Motto „Wir sind das Gold der Stadt“ 6000 Kolleginnen und Kollegen, mehr als von ver.di erwartet. 5000 von ihnen kamen um 9 Uhr zur Kundgebung auf dem Rathausmarkt und beteiligten sich danach an der Demo durch die Stadt zum Gewerkschaftshaus, ein imposanter und lebendiger Aufzug!

Drittgrößter Hafen Europas steht still!
Internationale Solidarität beim ver.di-Streiktag vorgestern in Hamburg (rf-foto)

Aufgerufen hatten die Gewerkschaften ver.di und GEW und der Deutsche Beamtenbund. Es beteiligten sich viele Bereiche: Hafenbetriebe, Kitas, Krankenhäuser, Pflege- und Behindertenbereiche, Flughafen, Theater und Oper, Verwaltung, Bundesagentur für Arbeit und die Stadtreinigung (sie streiken gleich vier Tage). Und weil auch die Lotsenversetzer im Hafen seit Mittwochabend streiken, die die Lotsen mit Booten zu den großen Pötten bringen, weil die im Hafen nicht selbständig navigieren dürfen, stand der Hafen – denn auch die Kolleginnen und Kollegen der Hafenverwaltung streikten! Stolz sagte ein Redner: „Das ist ein Novum und muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – der drittgrößte Hafen Europas steht still!“

 

Die Stimmung war sehr kämpferisch und die Bereitschaft für einen Vollstreik groß. Entsprechend traf unser Flugblatt für Urabstimmung und Vollstreik ins Schwarze und wurde gerne genommen – besonders von den Hafenarbeitern, die uns schon kannten. Die MLPD wurde als solidarische Arbeiterpartei anerkannt, es gab nur vereinzelt Ablehnung. In Gesprächen war den meisten nicht klar, dass wir gar kein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht haben. Einige meinten, wir müssen es uns einfach nehmen wie die Franzosen. Das ist richtig, aber man muss es auch als politisches Recht erkämpfen, denn wir müssen z.B. auch gegen die Gefahr eines Dritten Weltkriegs, der höchswahrscheinlich atomar geführt werden würde, und für Frieden streiken. Dem stimmten sie zu.

 

Die Rednerinnen und Redner aus unterschiedlichen Bereichen zerpflückten das unverschämte Angebot von 5 Prozent + 2500 Euro, die nicht auf den Tarif angerechnet werden. Die Forderungen nach 10,5 Prozent und 500 Euro Festgeld, für Azubis 200 Euro, mit einer Laufzeit von einem Jahr wurden entschieden bekräftigt. Das Festgeld ist sehr wichtig: Gebäudereinigerinnen bekommen Lohngruppe 1 und sind mit 12,24 Euro Stundenlohn nur knapp über dem Mindestlohn. Großer Beifall brandete immer auf bei der Forderung für Streik zur Durchsetzung der Forderungen! Es gab viele treffende Wortbilder: „Wenn sie Müll reden, können sie den Müll auf der Straße finden.“ „Wir wollen Ausbildung, nicht Ausbeutung!“ „Wir brauchen kein Klatschen für unsere Arbeit – wenn's kein Geld gibt, gibt’s die Klatsche!“ Oder auch doppelsinnig: „Wir machen Theater.“

 

Viele, besonders Frauen, kritisierten die unerträgliche Arbeitssituation, dass sie mit zu wenig Kolleginnen und Kollegen immer mehr leisten sollen. Eine Erzieherin sagte, sie wollen die Kinder nicht nur verwahren, sondern zu selbstbewussten Menschen erziehen, denn sie sind unsere Zukunft! Sie sprach vom „Erzwingungsstreik“ für die Forderungen, was große Entschlossenheit ausdrückt. Eine Courage-Frau traf bei Kolleginnen auf viel Interesse an einer Vernetzung und gemeinsamen Beratung, wie sie mehr machen können, um die berechtigten Forderungen auch durchzusetzen. Die Organisiertheit in der Gewerkschaft nimmt zu: Ein ver.di-Redner sagte, dass bundesweit 50.000 neue Mitglieder gewonnen wurden. Während der Kundgebung trugen sich weitere 50 neue ver.di-Mitglieder ein.

 

Ein Mangel der Hauptredner war, dass sie im ökonomistischen Rahmen blieben und illusorisch für „gerechten Lohn“ und „sozialen Frieden“ warben. Niemand sagte etwas zur Kriegsgefahr und zu den internationalen Kämpfen! Vier junge Leute hielten ein Transparent „Solidarität mit dem Streik in Frankreich“, das fand viel Beachtung. Sie outeten sich aber nicht, von welcher Organisation sie waren.