Karl Lauterbach
Krankenhausreform: „Revolution“ oder „verkorkst“?
Auf einem „Krankenhausgipfel“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft am gestrigen Montag versuchte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erneut, seine Krankenhausreform anzupreisen.
Eine Expertenkommission hatte sie erarbeitet und er selbst hatte ihr die Auszeichnung „Revolution im System“ verliehen. Sie erntete jedoch heftige Kritik. Allein schon das Energiehilfspaket der Bundesregierung erhielt von den Krankenhäusern das Prädikat "völlig verkorkst". Gegen Lauterbachs geplante Krankenhausreform haben die Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein sogar ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Hauptsächlich jedoch kommt die Kritik von Patienten und Beschäftigten.
Worum geht es überhaupt? In den bürgerlichen Medien heißt es, dass drei Viertel der Kliniken in Deutschland in einer schlechten "wirtschaftlichen Lage seien." Das sind sie aber nur unter dem Gesichtspunkt, dass sie Gewinn abwerfen müssen. Es drohen Teilschließungen bis hin zu vollständigen Pleiten. Und vor allem: ein Qualitätsverlust in der Gesundheitsversorgung. Das Engagement von Pflegern und Ärzten hat bisher Schlimmeres vermieden. Doch die Belastungsgrenze ist längst erreicht. Es hagelt Kritik: an der fortschreitenden Privatisierung, an gewinnorientierten Pflegeschlüsseln, fehlendem Personal, extremer Arbeitsbelastung, an der Ungleichbehandlung durch die Bevorzugung von Privatpatienten.
Die Krise im Gesundheitswesen verschärft sich, das ist eine weltweite Erscheinung. Ursache ist das Diktat des internationalen Finanzkapitals, der Pharmaindustrie, der Monopole für medizinische Geräte, der Energiemonopole, der an Krankenhäusern beteiligten Investmentgesellschaften. In Worten greift Karl Lauterbach die Kritik auf, indem er von einer „Entökonomisierung“ spricht. Der Fokus liege weniger auf der Ökonomie, sondern mehr auf der Medizin. Glatte Lüge. Das Gegenteil ist der Fall. Kern seiner „Reform“ ist die Einteilung der Krankenhäuser in drei Versorgungsstufen und dementsprechende Finanzierung. Die Folge: Die 1900 Krankenhäuser, die noch voll versorgen, werden gewaltig geschrumpft, um noch größere Profite zu ermöglichen.
Level I soll künftig nur noch Basisangebote enthalten, die noch einigermaßen wohnortnah, also innerhalb von 30 Minuten erreichbar sind. Level II sind wenige Spezialkliniken für anspruchsvollere Eingriffe. Sie sind personell und technisch gut ausgestattet. Level III umfasst die Maximalversorgung, die nur noch in Universitätskliniken stattfindet. Das Ergebnis: Nur noch 230 Standorte (Level I und II) leisten das, was heute flächendeckend geleistet wird. Vor allem in ländlichen Gebieten hat das katastrophale Folgen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat eine „Auswirkungsanalyse“ in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sind erschütternd, alles andere als Lauterbachs Predigt von wegen "Vorrang Medizin". Mehr als jede zweite Klinik würde zu einer regionalen Klinik mit drastisch reduziertem Leistungskatalog herabgestuft. Allein die Hälfte aller Entbindungstationen droht zu verschwinden, ein Kahlschlag ähnlicher Größenordnung auch in anderen Bereichen, wie etwa Kardiologie und Urologie.
Wie menschenverachtend das ist, darauf weist Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW hin: „Es ist vollkommen unrealistisch, mehr als zwei Drittel aller Geburten kurzerhand auf wenige Geburtshilfen auszulagern. Dafür müssten an diesen Standorten mehrere Etagen mit Kreißsälen und zugleich Hotels für Hochschwangere und Angehörige gebaut werden.“ Für extrem gefährlich hält er die geplante Konzentration bei der interventionellen Kardiologie auf wenige Standorte, wie sie auch für die Schlaganfall-Behandlung geplant ist: „Wenn es um Leben und Tod geht, wenn jede Sekunde zählt, kann in einem Bundesland wie NRW mit 18 Millionen Einwohnern nicht ein dünnes Netz von wenigen Kliniken die Daseinsvorsorge sicherstellen.
In zahlreichen Ländern wie Großbritannien, USA, Spanien, Südafrika, Irland, Simbabwe, Argentinien, Türkei u.a. gab es Streiks und Demonstrationen gegen die Verschlechterung im Gesundheitswesen. Auch bei den Warnstreiks von ver.di in den Krankenhäusern geht es nicht allein nur um Gehaltserhöhung, sondern auch gegen die unhaltbaren Zustände in den Krankenhäusern.
„Für eine gründliche und kostenlose Gesundheitsversorgung“, das ist eine Kernforderung der MLPD in ihrem Programm. Ein am Profit orientiertes Gesundheitswesen kann erst im Sozialismus wirklich überwunden werden. Es ist aber notwendig, dass die verschiedenen Proteste und Kämpfe zusammenkommen und das reaktionäre Konzept von Karl Lauterbach zu Falle gebracht wird.
Welche Auswirkungen es hat, wenn die Gesundheit als Ware vermarktet und die Entwicklung der Medizin zur Wissenschaft verhindert wird, zeigt der Abschnitt „Grundlegendes Dilemma der bürgerlichen Medizin“ in dem neuen Buch von Stefan Engel: "Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft." „An all diesen Erscheinungen entwickelt sich eine berechtigte Kritik aus der Bevölkerung und von Beschäftigten im Gesundheitswesen. Doch letztendlich sind sie nur Symptome eines kranken Systems.“ Spannend zu lesen!
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