"Der Schwarm" im ZDF
Das "Serienereignis des Jahres" – auch ein Publikumsschwarm?
Als "Serienereignis des Jahres" lief zur besten Sendezeit im ZDF diese Woche die Produktion „Der Schwarm“ - angereichert mit etlichen Dokumentationen. Erfüllte er die hohen Erwartungen?
Mit fast 44 Millionen Euro Produktionskosten ist "Der Schwarm" die teuerste deutsche Serie aller Zeiten. Tatsächlich hätte "Der Schwarm" mit seiner brisanten Thematik eine Serie der Stunde sein können. Denn anders noch als beim Erscheinen der Romanvorlage von Frank Schätzing vor 20 Jahren ist die Sensibilität der Massen für die Bedrohung unseres Planeten erheblich gewachsen, was sich auch in einer gewachsenen Umweltbewegung zeigt. Doch die von den Machern erhoffte Begeisterung blieb aus. Nach dem Start mit 6,8 Millionen verlor der Ökothriller danach erheblich an Zuschauern. Auch wenn der Roman-Autor Schätzing aus der Filmproduktion ausschied, weil ihm zu viele Liebesgeschichten reingeschrieben wurden - die hauptsächlichen Inhalte waren im Wesentlichen gleich.
Worum geht es? Vor der Küste Kanadas bringen Buckelwale Schiffe zum Kentern, eine rasant wachsende neuartige Muschelart blockiert die Steuerruder großer Frachter, in Frankreich sterben Menschen, weil tödliche Bakterien aus Meeresgetier das Trinkwasser verseuchen, in Südafrika fallen Myriaden von Krabben über die Dörfer her, im Atlantik vor Skandinavien verursachen Eiswürmer am Kontinentalhang einen vernichtenden Tsunami ...
Als gemeinsame Ursache entdecken Wissenschaftler eine mysteriöse "Meeres-Intelligenz", die bewusst andere Lebewesen der Ozeane ausnutzt und diese so steuert, dass sie Menschen angreifen. Die Wissenschaftler nennen die „Intelligenz“ aus der Tiefsee "Yrr". Es handelt sich um einen einzelligen Organismus, der auch zu einer vielzelligen Masse verschmelzen kann - zu einem Schwarm. „Yrr“ existierte angeblich schon lange vor dem Homo sapiens. Natürlich ist dies eine romanhafte Metapher, dass die Zerstörungen an der Natur dazu führen, dass diese irgendwann auf die Menschheit zurückschlägt. Es ist aber der blanke Idealismus, dass dieses angeblich überlegene Wesen in der Tiefsee eine Bewusstheit auf dem Niveau des menschlichen dialektischen Denkens entwickelt hat (1).
Aber der Hauptmangel dieser Geschichte liegt woanders: Während weltweit die Sensibilität der Massen für die Bedrohung unseres Planeten wächst, der organisierte Kampf gegen den Raubbau an Mensch und Natur zunimmt, werden die Hauptverursacher der Naturzerstörung, der bereits eingeleiteten globalen Umweltkatastrophe, in der Serie regelrecht aus der Schusslinie genommen. RWE, Bayer, Dupont - alle die führenden Monopole der Auto-, Chemie-, Elektro- und Gas- und Ölindustrie spielen keine Rolle. Im Gegenteil: Die Rettungsaktion gegen die Menschheitsbedrohung durch das „Yrr“-Gebilde wird in Gestalt des fiktiven japanischen Milliardärs und Konzernchefs Alto Mifune inszeniert, der Multimillionär als Mentor der Weltenrettung! Entsprechend dann der Schluss der Geschichte: Eine Wissenschaftlerin erkennt die Lösung der Bedrohung in der Herstellung der Einheit von Mensch und „Yrr“, nämlich sie selbst. Dafür setzt sie ihr Leben ein und „Yrr“ erkennt ihre ehrliche Absicht – sie wird lebend an den Strand gespült ... Problem gelöst!
Damit schreibt die Serie den Massen eine Rolle als Opfer zu und verbreitet die Illusion, dass die Menschheit die Einheit von Mensch und Natur wieder herstellen könnte, ohne die Alleinherrschaft des internationalen Finanzkapitals als dem Verursacher der Naturzerstörung zu beseitigen. „Der Schwarm“ - eine sehr aufwendige Fiktion ohne Perspektive.