Nigeria

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Wahlen im Zeichen der gesamtgesellschaftlichen Krise

Mindestens 90 Millionen Menschen waren aufgerufen, einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament zu wählen. Präsident Muhammadu Buhari durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Mit 90 Millionen Wahlberechtigten war es die größte Wahl, die jemals auf dem Kontinent Afrika stattgefunden hat.

Von sr
Wahlen im Zeichen der gesamtgesellschaftlichen Krise
Bis die Stimmen ausgezählt sind, kann es dauern

Die Wahlen begannen am Samstag. Viele Wahlberechtigte standen am Wahltag teilweise stundenlang Schlange, ohne wählen zu können. Es herrschte eine regelrechte Desorganisation mit zu wenig geöffneten Wahllokalen, Personal und Wahlzetteln. Sonntag mussten die Wahllokale deshalb erneut geöffnet werden. Die Wahlkommission erklärte - erst 3 Tage später - am 1. März den Kandidaten der Regierungspartei zum Sieger: Bola Tinubu von der derzeitigen Regierungspartei APC. Er erhielt 8,7 Millionen Stimmen.

 

Der Kandidat von der Demokratischen Volkspartei (PDP) Abubakar bekam 6,9 Millionen Stimmen. Viele Umfragen sahen im Vorfeld den Überraschungskandidaten und millionenschweren Peter Obi, 61, von der kleinen "Arbeitspartei" vorne. Er versprach, die Korruption und die Armut zu bekämpfen und richtet sich besonders an junge Leute. Er bekam 6,1 Millionen Stimmen. Wie hoch die Wahlbeteiligung war, weiß man derzeit nicht. Stimmen über Korruption und Wahlbetrug werden laut.

 

Die grassierende Korruption und die massive Wirtschaftskrise lassen fast zwei Drittel der Bevölkerung in extremer Armut leben. Hinzu kommt die hohe Inflation von 22 Prozent sowie Gewalt durch islamistisch verbrämte faschistische Terrormilizen und kriminelle Banden. Erst im Oktober vergangenen Jahres erlebte Nigeria Überschwemmungen wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Hunderttausende verloren ihr Zuhause, Hunderte starben durch die Fluten. Mehr als 2,5 Millionen Menschen sind laut den Vereinten Nationen auf Hilfe angewiesen - die meisten von ihnen Kinder. Aktuell gibt es eine Spritkrise mit langen Schlangen vor den Tankstellen obwohl Nigeria der größte Öl- und Gasproduzent in Afrika ist.

 

Zurecht haben die Menschen kaum Vertrauen in die bürgerlichen Wahlen: "Wir kommen nicht mal an unser eigenes Bankkonto mit unserem eigenen Geld ran. Und dann verkaufen Banken das neue Geld, also nimmst du dein Geld von deinem Konto, um Geld von der Bank zu kaufen. Ich verstehe nicht, warum wir jetzt gerade Wahlen abhalten - benennt einfach jemanden, der uns weiter leiden lässt [1]", sagt eine nigerianische Frau im Interview.

 

Doch das nigerianische Volk und die Arbeiterklasse sind nicht einfach leidende Opfer, sondern sie werden den Kampf gegen die Unterdrückung und Armut aufnehmen. Im Vorfeld der Wahlen hatte es bereits Straßenproteste gegeben und das Bodenpersonal am Flughafen in Lagos streikte für höhere Löhne.

 

Nigeria ist mit 213 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Laut UN-Schätzungen wird es im Jahr 2050 auf Platz drei der bevölkerungsreichsten Staaten der Welt sein - hinter China und Indien. Verschiedene imperialistische und neuimperialistische Länder buhlen um ihre Vormachtstellung in Nigeria. Das imperialistische Großbritannien versucht den Einfluss in der ehemaligen Kolonie zu behalten. Auch Russland versucht Bergbauprojekte zu entwickeln.

 

Nigeria ist Chinas zweitgrößter Handelspartner in Afrika und sein größter Exportmarkt, während China Nigerias drittgrößtes Exportziel ist. Nigeria sei nicht einfach irgendein Land, sondern "eine Stimme, die international Gewicht hat" als größte Volkswirtschaft und bevölkerungsreichstes Land Afrikas [2], sagte Außenministerin Annalena Baerbock letztes Jahr. Aus ihr spricht nicht etwa die Sorge für die Lebenslage der Menschen und der Zustand der Umwelt, denn ungeniert schiebt die deutsche Bundesregierung verfolgte Flüchtlinge nach Nigeria ab. Es ist eher die Sorge vor Instabilität, die die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Deutschland gefährden. Im Januar 2023 lieferte Nigeria 6 Millionen Tonnen LNG (Liquid Field Natural Gas) nach Europa.