Gelsenkirchen
Politischer Aschermittwoch der MLPD: "Wer Weichgespültes will, kommt hier eh nicht her"
Es wird immer absurder, wie die bürgerlichen Parteien die revolutionäre Tradition des Politischen Aschermittwoch - mit seinen Wurzeln in der Münchner Räterepublik von 1919 – auf den Hund bringen und missbrauchen.
Ihre Starredner bringen es fertig, diesen Tag des Spotts und Protests gegen die Herrschenden mit eitler Selbstinszenierung und Selbstbeweihräucherung zu verunstalten. Was macht ein CSU-Chef, der die Kriegstreiberei der Grünen beim besten Willen nicht mehr rechts überholen kann? Er fordert sie auf, die Grashüpfer in den Lebensmitteln selber zu essen. Es geht halt nichts über einen richtigen "Leberkäs" aus dem Munde von Herrn Söder.
SPD-Chef Lars Klingbeil besang bereits im Karneval die "Zeitenwende" mit der Ukulele. Und der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) bejammert am Aschermittwoch, dass es seiner Partei nicht gelingt, Begeisterung für den Rechtsstaat zu entfachen. Wohlgemerkt einem „Rechtsstaat“, in dem Reul seine Polizei öffentlichkeitswirksam bevorzugt zu Großrazzien gegen Clan-Kriminalität schickt – um dann mit ein paar Gramm unversteuerten Tabaks aufzuwarten. Und gleichzeitig die polizeiliche Tötung des senegalesischen Flüchtlings Mouhamed in Dortmund als "verantwortungsbewusst" rechtfertigt. Kein Wunder, dass da keine Begeisterung für den "Rechtsstaat" aufkommt.
Wer auf solches Theater und die dahinterstehende Politik keine Lust hatte, sondern materialistisch begründetes freies Denken, wissenschaftliche Polemik und Kultur vom Standpunkt der Arbeiterklasse erfahren wollte, der war beim Politischen Aschermittwoch der MLPD in Gelsenkirchen genau richtig. „Wer Weichgespültes will, kommt hier eh nicht her“, so der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Peter Römmele bei seiner Begrüßung.
Die Rede der Vorsitzenden der MLPD, Gabi Fechtner, ein tolles Kulturprogramm und abwechslungsreiches deftiges Essen regten zur Geselligkeit, zum Lachen und zum Nachdenken an. 240 Besucherinnen und Besucher wollten sich das nicht entgehen lassen.
Polemisch, pointiert und mitreißend spannte Gabi Fechtner einen Bogen, der vom Ukrainekrieg über die begonnene Umweltkatastrophe bis hin zur Inflation die ganze Krisenhaftigkeit des imperialistischen Weltsystems deutlich machte.
Nach fast einem Jahr Krieg in der Ukraine hat keines der beteiligten imperialistischen Länder seine Kriegsziele erreicht – trotz anders lautender vollmundiger Ankündigungen von Putin bis Biden. Es ist offenbar eine Berufskrankheit von Imperialisten, dass sie sich grandios selbst überschätzen! So hatte Putin versprochen, die Ukraine zu "entmilitarisieren". Stattdessen ist die Ukraine immer stärker militarisiert; der Wirtschaftskrieg eskaliert weiter; die Welt stand noch nie so nahe an einem atomaren Dritten Weltkrieg. Für diese Meisterleistung gehören eigentlich alle beteiligten Kriegshetzer wegen Volksverhetzung in den Knast anstatt in ihre Regierungsämter!
Gabi Fechtner ließ das Publikum raten, wer der Urheber von zehn Regeln ist, die unter anderem Sätze beinhalten wie: "Wir wollen keinen Krieg. ... Die Gegenseite ist allein schuldig am Krieg. ... Der Feind ist von Natur aus böse und gleicht dem Teufel. ... Wir verteidigen eine edle Sache, nicht unsere eigenen Interessen. ... Der Feind begeht absichtlich Gräueltaten; unsere Missgeschicke sind unfreiwillig." Sie gehören keineswegs zu einem Merkzettel für Talkshow-Auftritte von Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Vielmehr kommen sie von Sir Arthur Ponsonby. Er war während des Ersten Weltkriegs Parlamentarier im britischen Unterhaus und brachte später auf Grundlage seiner Erfahrungen ein Buch heraus „Lügen in Kriegszeiten“. Darin formulierte er diese „Zehn Grundsätze für Kriegspropaganda“. Gabi Fechtner: "Passt für heute wie die Faust aufs Auge!"
Sie entlarvte auch zentrale Lügen der Herrschenden in Sachen Ukrainekrieg. So die Lüge, dass die Ukraine als Hort von Demokratie und Freiheit verteidigt werden müsse. Der „Hort von Demokratie und Freiheit“ fordert allerdings mittlerweile die Stationierung von Atomwaffen, völkerrechtlich verbotene Streu- und Phosphor-Brandmunition etc. Der wahre Grund für den Ukrainekrieg ist der entfaltete Kampf der beteiligten Imperialisten um die Aufteilung der Welt. So viel zu Demokratie und Freiheit. Der einzige Ausweg aus diesem imperialistischen Desaster ist die revolutionäre Erhebung der werktätigen Massen der Länder der Welt. Gabi Fechtner rief dazu auf, am Jahrestag des Beginns des Ukrainekriegs, dem 24. Februar, aktiv gegen den Krieg auf die Straße zu gehen.
In Sachen Umwelt zitierte Gabi Fechtner Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der als Philosoph zur Erklärung der Politik der Regierung ins Amt geholt wurde. Nachdem die Kritik an ihm immer lauter wird, erklärte der Philosoph in einer Talkshow doch glatt: "Wer von mir enttäuscht ist, ist desinformiert." Da wird sogar Habeck mal ganz unphilosophisch. Aber klar: Wer informiert ist, kann schließlich keine Kritik am Herrn Superminister haben!
Auch da kennt er die MLPD schlecht. Gabi Fechtner wies in ihrer Rede die jetzt bereits begonnene globale Umweltkatastrophe und ihre bereits eingetretenen irreversiblen Folgen genauso nach, wie das Zustandekommen des völlig unzureichenden 1,5-Grad-Ziels auf Druck der herrschenden Monopole. Da wurde doch tatsächlich 2015 zur Pariser Klimakonferenz erklärt, dass 1,5 Grad zwar zu hoch sei, aber immer noch besser als 2 Grad. Nach dieser umwerfenden Logik wäre es zwar auch gefährlich, wenn man aus dem Fenster im fünften Stock springt, aber immer noch besser, als sich aus dem zehnten Stock zu stürzen. So sieht die Umweltpolitik der Imperialisten aus.
Während das Trio Infernale Scholz, Habeck und Lindner stolz ein Terminal für dreckiges Fracking-Gas aus den USA einweiht, macht sich unter Superreichen „Luxus-Eskapismus“ breit, also eine Bewegung, wie sich diese Leute vor der Umweltkatastrophe, vor Unruhen, Revolution oder auch nur der Steuerzahlung davonschleichen können - auf Inseln, in Bunker oder nach Neuseeland. Zu Letzterem bemerkte Gabi Fechtner treffend, dass es eigentlich keine gute Idee ist, sich bei steigendem Meeresspiegel durch die Klimaerwärmung ausgerechnet auf eine Insel zu flüchten. Jedenfalls ist „Luxus-Eskapismus“ keine Option für die Milliarden Menschen aus der Arbeiterklasse. Diese kann und muss siegreich den Kampf darum führen, dass der Imperialismus nicht zum Aussterben der Menschheit führt! Der Weg zur Lösung besteht im Kampf der werktätigen Massen um eine Zukunft ohne Imperialismus im Sozialismus.
Mit dem neuen Buch von Stefan Engel „Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft“ legt sich die MLPD nun auch mit derselben an. Anhand von Beispielen aus dem Buch zeigte Gabi Fechtner auf, wie Stefan Engel materialistisch und polemisch Positivismus, Metaphysik und Pragmatismus in naturwissenschaftlichen Bereichen wie Astronomie, Physik etc. nachweist. Ein Vergnügen für die Gäste war's allemal. Sie zitierte einen Twitter-User, der tweetete, dass man über die MLPD sagen könne, was man wolle. Aber ihre Bücher seien sehr ordentlich geschrieben und es gebe nichts Vergleichbares auf dem Markt. Das Publikum sah es ähnlich, wie man am Applaus feststellen konnte.
Ein „Mini-Ampel-Musical", eine Lehrstunde zur Krise der bürgerlichen Medizin, das Neuste von den Influencern der MLPD und eine Einführung in den Kommunismus folgten im Kulturprogramm und sorgten zu Recht für Lachstürme im Saal. Eingerahmt wurde das von Songs des Jugendverbands REBELL und von Mitgliedern der Band Gehörwäsche. Passend endete der Abend mit der Internationale und gemütlichem Ausklang.