Sicherheitskonferenz endet
Nervosität im NATO-Block - China und USA streiten offen - Neue Friedensbewegung stärkt sich
Zur Stunde geht die 59. Münchner Sicherheitskonferenz zu Ende. Sie wurde heuer erstmals von Christoph Heusgen geleitet. Er machte im Vorfeld von sich reden, weil er als erster sagte, man solle keinerlei rote Linien mehr ziehen.
Gemeint war die Lieferung immer größerer, immer schwererer, immer tödlicher wirkender Waffen an die Ukraine sowie die Ausbildung einer großen Zahl von ukrainischen Armeeangehörigen. Selenskyj, der per Video teilnahm, setzte auf der Sicherheitskonferenz noch eins drauf. "Dieses Jahr wird Goliath fallen", ruft er aus und verlangt eine "größere Schleuder" für den David. Der ukrainische Vizeregierungschef Olexander Kubrakow hat in München dafür plädiert, auf eigenem Staatsgebiet Streumunition und Phosphor-Brandwaffen einsetzen zu können. Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper freisetzen. Ihr Einsatz ist völkerrechtlich geächtet. Die Ukraine sei keine Vertragspartei des Oslo-Übereinkommens, das Streumunition verbietet. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zog hier eine rote Linie. Aber es ist ja inzwischen sattsam bekannt, was von den roten Linien der Imperialisten zu halten ist. Von Annalena Baerbock vernahm man nicht einmal ein verbales Stoppschild. Die Ukraine verteidige ihre Freiheit und die europäische Friedensordnung. "Dabei unterstützen wir sie". Sicher ist, dass Deutschland an der Produktion von Streumunition beteiligt ist.
Risse im NATO-Block
Wieder und wieder versicherten sich Vertreter von NATO und EU auf der Konferenz gegenseitig, dass sie der Ukraine uneingeschränkt zur Seite stehen "as long as it takes". Dabei wurden Widersprüche offensichtlich. In ihnen spiegelt sich eine wachsende Stimmung gegen den Krieg in den jeweiligen Ländern wider. Auch in der Ukraine selbst, wo wie in Russland so viele junge Menschen als Kanonenfutter verheizt werden, ist Ermüdung erkennbar. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron spricht davon, dass er keine totale Beschädigung Russlands wolle. Bundeskanzler Olaf Scholz verspricht zwar weitere Panzer und drängt diverse Partnerländer, in der Panzerallianz etwas an Tempo zuzulegen. Er will aber nicht mehr als zwei Prozent vom BIP für die Militarisierung ausgeben. Das wiederum stößt beim US- und beim britischen Imperialismus auf vehemente Kritik.
Ein weiterer Konflikt ist der NATO-Betritt von Schweden und Finnland. Die Münchner Sicherheitskonferenz verlieh dieses Jahr ihren Ewald-von-Kleist-Preis an die beiden Länder "für die historische Entscheidung, sich in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg um eine NATO-Mitgliedschaft zu bewerben." Den Preis gibt's für herausragende Bemühungen um Frieden und Konfliktbewältigung in Europa. Logisch, dass man ihn für den versuchten Beitritt zu einem aggressiven Militärbündnis kriegt, oder nicht? Das Problem ist jetzt allerdings, dass die Einheit von Schweden und Finnland auch Risse bekommen hat. Schweden wird vom NATO-Mitglied Türkei zu immer neuen Zugeständnissen bei der Verfolgung kurdischer Aktivisten erpresst. Und obwohl die schwedische Regierung immer weiter nachgibt, blockiert Erdogan den schwedischen NATO-Beitritt weiter. Jetzt will Finnland evtl. nicht mehr länger warten und geht allein in die NATO, mit Blick auf seine 1300 km lange Grenze zu Russland.
USA und China im Zentrum der Blockbildung
Aus China nahm der Vorsitzende des außenpolitischen Komitees der chinesischen Staatsführung, Wang Yi, an der Konferenz teil. Er kündigte eine "Friedensinitiative" an, die in einem Positionspapier niedergeschrieben werden soll. Details verriet er nicht. An die Adresse des US-Imperialismus richtete er keine Friedensbotschaften, im Gegenteil. Dieser wiederum drohte Peking "unverblümt" Konsequenzen an, sollte es Russland militärisch unterstützen, oder sollte es erneut zu einem Zwischenfall mit einem Spionage-Ballon kommen. Das Auftreten von China und den USA auf der Konferenz bringt zum Ausdruck, dass sich der Kampf um die Neuaufteilung der Welt aufs Äußerste zuspitzt. USA und China bilden die Zentren der Blockbildung in diesem zwischenimperialistischen Kampf. Beide bereiten sich auf neue „Großkonflikte“ vor. Wang Yi reist aus München direkt nach Moskau.
Das Ziel, auf der Konferenz afrikanische und lateinamerikanische Länder in den NATO-Block zu integrieren, wurde krachend verfehlt. Dabei waren viele eingeladen, wie man an der Teilnehmerliste sieht. Die namibische Premierministerin Saara Kuugongelwa-Amadhila erklärte kühl, warum sie sich bei der Abstimmung über die Verturteilung Russlands in der UN-Vollversammlung enthalten habe. "Mein Land hat mehr Interesse an Problemlösung als an Schuldzuweisung". "Wir verfolgen das Ziel des totalen Friedens", so die kolumbianische Vizepräsidentin Francia Márquez. Da bekamen die Vertreterinnen des umworbenen "Globalen Südens" aber kräftig ihr Fett weg, von Baerbock.
Wichtiger Erfolg in der Friedensbewegung - weitere Fragen zu klären
Im Vorfeld gab es verschiedene Auseinandersetzungen im Anti-Siko-Bündnis. Diese reichten von einem sozialchauvinistischen Standpunkt, sich in dem Krieg zwischen zwei imperialistischen Staaten auf die Seite von Russland zu stellen, bis hin zu einer Öffnung für die Querfront. An der Demonstration des Münchener Anti-Siko-Bündnisses beteiligten sich dann 4000 Leute, was wieder deutlich mehr war als die letzten Jahre. Einzelne rechte Kräfte wurden der Demo verwiesen und somit konnte eine Querfrontaktion verhindert werden, was ein klarer Erfolg ist. Auf der Demonstration wurde gerungen um einen klaren Standpunkt und es hat sich gezeigt, dass in Gesprächen eine Mehrheit der Teilnehmer übereinstimmt, dass es ein von beiden Seiten ungerechter Krieg ist. Ins Visier genommen werden muss in Deutschland insbesondere der BRD-Imperialismus. Eine große Delegation der kurdischen Bewegung war vor Ort, die daran erinnerte, dass der Nato-Partner Türkei weiterhin die Kurden in der Türkei unterdrückt und auch in Syrien und dem Irak bombardiert. Sogar jetzt nach dem Erdbeben wird die humanitäre Hilfe behindert und weiterhin vom Erdbeben betroffene Gebiete bombardiert. Es kam jedoch auch zum Ausdruck, dass es noch viele Fragen zu klären gibt. Dazu führte die MLPD vor der Kundgebung ein offenes Mikrofon durch. Dieses fand vor der offiziellen Auftaktkundgebung statt und wurde nach kurzer Zeit von einem Ordner der DKP mit Hilfe der Polizei unterbunden. Während der Demonstration wurde das offene Mikrofon aber wieder durchgesetzt und trug dazu bei, wichtige Fragen zu diskutieren.,
Genossinnen und Genossen der MLPD waren als Verkaufstrupps unterwegs und führten viele Gespräche. Einige Exemplare des neuen Buchs von Stefan Engel "Die Krise der bürgerlichen Naturwissenschaft" wurden verkauft, etliche Broschüren "Der Ukrainekrieg und die offene Krise des imperialistischen Weltsystems", 41 mal das aktuelle Rote Fahne Magazin. Um die 30 Leute trugen sich in die Liste als Mitstreiterinnen und Mitstreiter der neuen Friedensbewegung ein.
An einer von Querdenkern organisierten Aktion nahmen an die 10000 Leute teil, darunter eine Reihe faschistischer und faschistoider Kräfte. Dass dort der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Diether Dehm sprach, zeigt den grenzenlosen Opportunismus mancher Kräfte in dieser Partei. Auf der Podiumsdiskussion am Abend mit einem örtlichen Vertreter der Linken, der MLPD und einer Aktivistin von ver.di wurde Einheit erzielt, dass eine neue Friedensbewegung notwendig ist, die sich klar gegen rechts, gegen jegliche Querfrontbestrebungen abgrenzt (dazu hatten sich die Veranstalter erst zwei Wochen zuvor durchgerungen) und sich klar gegen jeglichen Imperialismus und Sozialchauvinismus positioniert.