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Amtsantritt Lula da Silvas – ein „Festival der Zukunft“?

Am 1. Januar wurde Lula da Silva zum brasilianischen Präsidenten ernannt.

Amtsantritt Lula da Silvas – ein „Festival der Zukunft“?
Hatte schon immer einen guten Draht zu anderen Imperialisten, um die eigenen imperialistischen Ziele zu erreichen: Lula da Silva, hier 2006 mit dem damaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac. (foto: Ricardo Stuckert/PR - Agência Brasil (Radiobrás) (CC BY 3.0 br))

Lula hatte die Stichwahl gegen Jair Bolsonaro knapp gewonnen. Millionen Brasilianer sind erleichtert, dass der verhasste Faschist Bolsonaro - selbsternannter „Messias“ Brasiliens - abgelöst wird. Bolsonaro verzichtete darauf, Lula wie üblich persönlich die Präsidenten-Schärpe zu übergeben. Rechtzeitig, bevor seine Immunität vor Strafverfolgung auslief, setzte er sich am Vortag in die USA ab.

 

Die neue Regierung orchestrierte den Amtseid Lulas als „Festival der Zukunft“. Essensstände und Top-Konzerte inklusive. Mehr als 300.000 Anhänger der neuen Regierungspartei PT (Partido Trabalhadores – „Partei der Arbeiter“) feierten in der Hauptstadt Brasilia. Aber bei weitem nicht alle sind von der gewünschten Volksfeststimmung erfasst. Zu sehr waren Lula bzw. seine PT selbst in Korruption verstrickt.

 

Was haben die Arbeiter von Lula zu erwarten? Zu Lulas „Zukunftsvisionen“ gehört z. B. die Förderung des Bergbaukonzerns VALE, der sogleich dankend die VIP-Lounges zur Amtsübergabe sponserte. Mittels solcher brasilianischer Spitzenmonopole wollte Lula das neuimperialistische Brasilien schon während seiner ersten Amtszeit ab 2002 zur internationalen Großmacht machen: „Brasilien muss die Größe verkörpern, die Gott ihm gab, als er die Welt schuf“1 – Kein Wunder, das 120 Vertreter ausländischer Regierungen wie US-Vize-Präsidentin Kamala Harris und Frank-Walter Steinmeier, genauso wie der spanische König, Lula persönlich zur dritten Amtszeit gratulierten.

 

Die Abwahl Bolsonaros, der den Übergang zum Faschismus betrieben hat, ist ein Erfolg der Verteidigung bürgerlich-demokratischer Rechte und eine Niederlage der internationalen Rechtsentwicklung. Die offen reaktionäre menschenverachtende Bolsonaro-Regierung zertrat erkämpften Fortschritte der brasilianischen Arbeiterklasse. In den letzten Wochen streikten eine Reihe von Belegschaften gegen Entlassungen und für die Auszahlung ausstehender Löhne.

 

Als Zugeständnis an diese Stimmung unter den Massen Brasiliens sowie an die vor den internationalen Massen kaum aufrechtzuerhaltende hemmungslose Amazonas-Brandrodung unter Bolsonaro, setzten sich die eher international orientierten Kräfte des brasilianischen Finanzkapitals gegen die besonders reaktionären Agraroligarchie durch. Sie schalteten auf eine Neuauflage des Systems der kleinbürgerlichen Denkweise um und inszenieren Lula als Transformator zu einem vermeintlich gerechten Kapitalismus. Lula musste versprechen, die Bekämpfung von Armut zur Hauptaufgabe seiner Regierung zu machen, den Hunger „zu besiegen“. Lula versucht, seine labile Massenbasis mit mehr oder weniger konkreten Reformenversprechen zu festigen: Privatisierungen staatlicher Konzerne rückgängig zu machen, Gewerkschaftsrechte wieder zu stärken, die „Arbeitsmarktreform“ zu revidieren, die Amazonas-Abholzung zu stoppen, die Indigenen-Reservate zu sichern, Frauenrechte zu stärken und anderes mehr. Die Einlösung dieser Wahlversprechen wird jedoch kaum mit seiner Aufgabe als Dienstleister der Monopole in einem neuimperialistischen Land zu vereinbaren sein.

 

Die veränderten Regierungsmethoden zielen auf die Verankerung einer kleinbürgerlich-sozialchauvinistischen Denkweise unter den Massen, nach der ihre Interessen in einer „nationalen Einheit“ mit Regierung und Monopolen unter Lula am Besten verwirklicht würden. Einige Zugeständnisse werden die Herrschenden den Massen auch machen, um sie nicht gleich wieder offen gegen sich aufzubringen. Aber schon die Ernennung einiger Minister und die Wahl des Vize-Präsidenten Geraldo Alckmin (PSB), der 2015 als „Putsch-Befürworter“ die Absetzung Dilma Rousseffs befürwortete, warfen an der Basis der Regierungspartei PT Fragen auf.

 

Die Monopole bauen weiterhin eine faschistische Massenbasis auf, weil sie fürchten, dass sich die Massen früher oder später dem Kampf um den Sozialismus zuwenden. Es gibt etwa 300 faschistische Gruppen und ca. 1000 dazugehörige Websites. So konnte ein LKW-Fahrer kurz vor Weihnachten einen feigen faschistischen Anschlag aus dem Bolsonaro-Lager verhindern, als er eine Bombe in seinem Tanklaster fand.

 

Das Bewusstsein der Arbeiterklasse, Frauen- und Umweltbewegung ist mit der Präsidentschaft von Lula und der früheren Arbeiterpartei PT neu herausgefordert. Die extreme gesellschaftliche Polarisierung kann sich nur im revolutionären Klassenkampf auflösen. Die Kraft des brasilianischen Industrieproletariats stürzte 1984/85 die Militärdiktatur, damals unter Führung Lulas als Vorsitzender der Gewerkschaft der Metallarbeiter Sao Paulos. Heute muss sich die Arbeiterklasse von dessen besonderer kleinbürgerlich-reformistischer und -sozialchauvinistischer Demagogie als „Hoffnungsträger“ lösen, um die Arbeiteroffensive zu entfalten. Dazu braucht es vor allem den Aufbau einer revolutionären marxistisch-leninistischen Arbeiterpartei, die das große revolutionäre Potenzial unter den brasilianischen Massen organisiert.