Frauenversammlung in Bangladesh

Frauenversammlung in Bangladesh

Die NGOs behandeln uns als Bettler – aber wir sind Kämpferinnen!

Zwei spannende Stunden inmitten von jungen und älteren Frauen mit einer geballten Ladung Frauenerfahrungen, praktischer und theoretischer Auseinandersetzung – das erlebte unsere Reisedelegation bei einem Besuch in Bangladesh.

Von is/mge
Die NGOs behandeln uns als Bettler – aber wir sind Kämpferinnen!

Zwei Aktivistinnen der CPB  (Communist Party Bangladesh) und SPB (Socialist Party Bangladesh) hatten zu einer Veranstaltung „Die Rolle der Befreiung der Frau für die Befreiung der Arbeiterklasse“ eingeladen und breit unter den führenden Repräsentantinnen von Frauenorganisationen mobilisiert.

 

Eigentlich sollte die Referentin Monika Gärtner-Engel „nur“ von der Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Tunis berichten. Doch sie spannte den Bogen weiter – und grub tiefer: im  kurzen, aber anspruchsvollen  Eingangsreferat ging sie auf die großen Errungenschaften der 3. Weltfrauenkonferenz ein, erläuterte aber auch die beiden Grundfesten der kapitalistischen Gesellschaft – Ausbeutung der Lohnarbeit und bürgerliche Staats- und Familienordnung, erklärte die doppelte Ausbeutung und Unterdrückung der Masse der Frauen, löste eine Kontroverse über die Einbeziehung kleinbürgerlicher Frauen aus, warf Probleme der heutigen Frauenbewegung mit dem kleinbürgerlichen Führungsanspruch der postmodernistischen Spalter ein und erinnerte an die großen Erfolge im Kampf um die Befreiung der Frau in den sozialistischen Ländern und v.a. die notwendige Bewusstseinsbildung für ein Frauenbewusstsein, das weit über eine allgemeine kämpferische Einstellung hinausgeht und vor allem die jungen Frauen gegen allerlei Illusionen gewinnen muss. So herausfordernd diese Einleitung war – so gespannt hörten alle zu und stürzten sich dann in die Diskussion.

 

Im Raum waren Vertreterinnen von zehn verschiedenen Parteien und Frauenorganisationen. Darunter Organizerinnen der Textilarbeiterinnen, der Reinigungskräfte, der Frauen in Slums. Frauen, die mit den Hausangestellten (domestic workers) arbeiten oder Studentinnen sind. Die Frauen hatten langjährige und tiefgehende Erfahrungen mit allen Themen, die Monika Gärtner-Engel in ihrer Rede angesprochen hatte: mit der doppelten Ausbeutung und Unterdrückung als Arbeiterin im Betrieb und in ihren Aufgaben in der Familie; mit dem sexuellen Missbrauch, mit Diskriminierung am Arbeitsplatz. Auch  die Müdigkeit oder die familiären Widerstände, wenn man nach einem langen Arbeits- und Haushaltstag noch gewerkschaftlich und politisch aktiv sein will, erlebten alle. Aber diese Erfahrungen standen nicht nur als Last im Raum, sondern als Herausforderung und Ansporn. Ihr hartes Leben in Bangladesh oder bei vielen auch während langjähriger Arbeit im Mittleren Osten, getrennt von ihren Familien, hat sie zu zähen und kampferprobten Frauen gemacht, die sich Schritt für Schritt Wissen und Bewusstsein erarbeitet haben.

 

Eine Studentin berichtete über einen wichtigen Kampferfolg: einer der Studentenführer aus der reaktionären Regierungspartei Awami League hat sich vorgenommen, an der Uni 100 Mädchen zu „vernaschen“, oft zu vergewaltigen. Als er es „geschafft“ hatte, veranstaltete er eine Party und brachte eine große Torte in die Uni. Der Verband der Studentinnen der sozialistischen Partei rief zum Protest auf und Hunderte kamen – aus den Seminaren, den Wohnheimen. Es kam zu harten Auseinandersetzungen und am Ende wurde der Vergewaltiger trotz prominenter Unterstützer der Uni verwiesen. Mit Organizerinnen haben wir ein extra Interview gemacht, das wir noch veröffentlichen werden.

 

Über jedes ihrer Themen hätte man sich stundenlang austauschen können. Sie berichteten lebhaft, wie sie trotz aller Schwierigkeiten immer besser die Frauen organisieren: „Du musst ihre Freundin sein, dass sie weiß, sie kann sich auf dich verlassen. Und dann muss man Bewusstsein bilden und sie muss erfahren, gemeinsam sind wir stärker. Jede muss sich selbst verändern. Es gibt zwei Probleme: bei den jungen Frauen eher, dass sie sich illusionär frei fühlen, bei älteren zuweilen eine „Opfermentalität“, die sie in Fatalismus und Passivität treibt. Man muss also ein optimistisches Bewusstsein haben, über die Dialektik von besonderer Ausbeutung, Unterdrückung und ausgeprägtem Organisationstalent und Potenzial für den Kampf um Befreiung. „Nur Rumjammern und klagen hilft keiner!“

 

Die Frauen berichteten übereinstimmend, dass die sogenannten NGOs (Nichtregierungsorganisationen) ein großes Hindernis für sie sind und die Frauenbewegung gezielt schwächen. Mit ihrem Geld und ihren organisatorischen Möglichkeiten ziehen sie Frauen zunächst schnell an. Sie kümmern sich um vordergründig brennende Themen, um Gesundheitsversorgung, Verhütungsmittel, Frauenrechte oder Sicherheit am Arbeitsplatz. Doch dann wendet sich das Blatt. Den Frauen werden Mikrokredite angeboten oder kleine Unterstützungen - so werden sie abhängig von der NGO  und auf einen individuellen Weg getrieben. Als ihre wahre Rolle erleben die Aktivistinnen: die Masse der Frauen daran zu hindern, sich revolutionär zu organisieren. Sie geben Geld – und damit die Botschaft: Geld ist die Lösung und nicht, die Gesellschaft zu verändern. Die Frauen betonten aber auch: viele Mitarbeiterinnen bei den NGOs sind ernsthaft und engagiert, sie wollen auf unserer Seite stehen. „Doch die „Macher“ geben uns das Gefühl, wir seien Bettler. Wir sind aber keine Bettler, wir sind Fighter" (Kämpferinnen).

 

Dann hagelte es noch Fragen: Wie organisiert ihr die Frauen? Was sind in einem Sozialsaat wie Deutschland überhaupt die Fragen, die Frauen bewegen? Wie werden die Männer angesprochen und erzogen in der MLPD? Muss es denn wirklich sein, dass kleinbürgerliche Frauen einbezogen werden? Wie gewinnt ihr die Jugend? Eine Frau brachte unter viel Zustimmung den Vorschlag, eine Konferenz nach dem Vorbild der Weltfrauenkonferenz in Tunis durchzuführen, um all die spannenden, angeschnittenen Fragen ausführlicher und mit mehr klaren Schlussfolgerungen für die dauerhafte Zusammenarbeit und auch mit Kultur zu ziehen.

 

Am Schluss freuten sich alle mächtig über die kleinen Geschenke der Gewerkschaft ver.di und die Literatur der MLPD fand schwungvollen Absatz. Zu unserer Schande müssen wir gestehen, dass ausgerechnet das Buch nicht dabei war, auf das alle scharf waren: Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau. Beim nächsten Mal! Nach dem lehrreichen Erfahrungsaustausch in herzlicher Atmosphäre fiel es schwer, sich von ihnen zu trennen.