Interview mit Thomas Lissner, NGG, zum erfolgreichen Vollstreik bei Riesa Teigwaren

Interview mit Thomas Lissner, NGG, zum erfolgreichen Vollstreik bei Riesa Teigwaren

"Wir brauchen mehr mutige Belegschaften"

Thomas Lissner, Sekretär der Gewerkschaft Nahrung - Genuß - Gaststätten (NGG) für den Bereich Dresden/Chemnitz, erläutert im Gespräch mit der Roten Fahne Hintergründe des erfolgreichen Streiks bei Riesa Teigwaren.

"Wir brauchen mehr mutige Belegschaften"
Foto: NGG

Rote Fahne: Herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Streik! Ihr konntet 2 € höheren Stundenlohn durchsetzen. Rote Fahne News hatte mehrfach berichtet - u.a. hier - und die MLPD ihre Solidarität erklärt. Unsere Leser interessiert, wie es zu diesem Streik gekommen ist. Das war wohl eine längere Entwicklung?

 

Thomas Lissner: Die Eigentümer-Familie Freidler hat den Betrieb für eine D-Mark von der Treuhand übernommen. Bei Riesa Teigwaren sind die Leute immer klein gehalten worden, es wurde den meisten nur etwa Mindestlohn gezahlt. 2018 haben wir einen Betriebsrat gegründet. Damals hatten wir vier Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb. Bei 180 Leuten. Die Geschäftsleitung hat erst mal positiv reagiert. Dann haben wir Kurs auf einen Tarifvertrag genommen. Die Belegschaft hat sich zu 50 % in der NGG organisiert. Der Betriebsrats-Vorsitzende wurde freigesetzt. Wir haben zwei Arbeitskämpfe geführt. Jetzt waren es sieben Streikwochen, die letzten drei Wochen durchgängiger Streik. Pro Woche hat der Betrieb 750 000 € Umsatz verloren.

 

Rote Fahne: Und wie ist jetzt die Stimmung der Kollegen und Kolleginnen? Sicherlich gut?

 

Thomas Lissner: Es gibt in der Belegschaft auch Angst vor Repressalien. Aber sie sind auch unheimlich stolz auf das Erreichte. Wir hatten einen fantastischen Solidaritätsfonds. Die Kollegen hatten die Streikunterstützung der NGG. Es gab trotzdem Lohneinbußen, und das in der Zeit vor Weihnachten.

 

Rote Fahne: Die Protestaktion vor dem Bundestag am 9. November in Berlin, gegen die Lohnmauer Ost/West, war bemerkenswert. Das hat auch anderen Belegschaften Mut gemacht. Ihr wollt jetzt weiter gehen in der Tarifbewegung?

 

Thomas Lissner: Ich betreue viele Betriebe in Sachsen. Ich bin selbst Bäcker. Die Beschäftigten verdienen alle nur Mindestlohn. In ganz Sachsen gibt es keine Firma  in der Bäckereibranche, die Tarif zahlt. Das betrifft 15 000 Leute in der Branche! Einfach irre. Das sind Betriebe bis zu 1000 Kollegen, das ist ja schon Industrie. Teigwaren Riesa hat hier Pionierarbeit geleistet. Am 9.12. gehen wir in Tarifverhandlungen für die nächsten fünf Betriebe. Wir brauchen noch mehr mutige Belegschaften!

 

Rote Fahne: Ich wünsche Euch viel Erfolg dabei.