MLPD erste Adresse

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Der Sozialismus erobert sich seinen Platz in der gesellschaftlichen Debatte

Thomas Haldenwang (CDU), Präsident des Inlandsgeheimdienstes Verfassungsschutz, hat kürzlich bei einer Veranstaltung dazu geraten, gegen junge Umweltkämpfer "rhetorisch abzurüsten".

Von gis
Der Sozialismus erobert sich seinen Platz in der gesellschaftlichen Debatte
Demonstration beim Wahlkampfauftakt am 21. August in Hannover (rf-foto)

Solange diese, darunter die Aktivisten der "letzten Generation", sich mit ihren Aktionen noch an die Regierung wenden und sagen, Politiker, ihr habt so lange geschlafen, wir machen jetzt Druck, bis ihr aufwacht, seien sie keine "Extremisten". Die Forderung nach einem sofortigen "Essen-retten-Gesetz" und nach der Agrarwende sei ein Reformpaket. Gefährlich werde es, wenn die Parole "System change, not climate change" ins Spiel komme. Dann ziele ihr umweltpolitisches Engagement auf  "eine Kritik des 'Kapitalismus', mit der in der linksextremistischen Ideologie letztlich die Überwindung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung angestrebt wird." (Süddeutsche Zeitung vom 22. November 2022, Seite 6).

 

Tatsächlich wächst nicht nur in der umweltpolitischen Massendiskussion, sondern quer durch alle gesellschaftlichen Fragen die Suche und der Drang nach gesellschaftlichen Alternativen. Das Flugblatt der MLPD in der Tarifrunde, das zu Urabstimmung und Vollstreik jetzt aufrief und dabei mit der Losung "Nieder mit dem Lohnsystem" den Kampf um die gänzliche Abschaffung der kapitalistischen Ausbeutung ins Spiel brachte, sorgte für eine breite Debatte. Viele Kollegen stimmten zu: Explodierende Gewinne der Monopole - und den Arbeitern sogar eine nicht mal die Inflation ausgleichende Lohnerhöhung vorenthalten? Was für ein schreiender Widerspruch. "Da muss doch ganz grundlegend etwas anders werden!" Die Stimmung und Diskussion unter den Massen wirft die Frage und die Sehnsucht nach einem grundlegenden Ausweg, nach einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, auf. Das ist der Hintergrund, warum der Sozialismus sogar in Talkshows mit am Tisch sitzt.

 

Unter der bezeichnenden Überschrift "Sinn und Verstand" gibt die Süddeutsche Zeitung am Wochenende immer eine Beilage heraus und beleuchtet Alltags- und gesellschaftliche Fragen von der "philosophischen Seite" (Untertitel). "Weshalb tun sich Gesellschaften so schwer", schreibt in dieser Beilage am 10. November ein Sozialwissenschaftler namens Jens Beckert, "auf die Bedrohung (die Rede ist von der Umweltkrise, d. Verf.) eine angemessene Antwort zu finden? Meine Antwort als Sozialwissenschaftler lautet kurz:  Man kann die Klimakrise mit guten Gründen als 'wicked problem' bezeichnen, als ein Problem, zu dem es keine Lösung gibt: Denn die Klimakrise ist innerhalb der Strukturen von Gesellschaften, die kapitalistisch, demokratisch und konsumistisch verfasst sind, unlösbar."  Einmal davon abgesehen, dass in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft eine Diktatur der Monopole herrscht und sie keineswegs demokratisch organisiert ist, weist er ansonsten richtig darauf hin: Im Kapitalismus ist die Umweltfrage unlösbar. Auch hier: Der notwendige gesellschaftsverändernde Umweltkampf, für den die MLPD eintritt, ist unausgesprochen Bestandteil der Debatte.

 

Ähnlich im Interview, das der ZDF-Moderator Markus Lanz auf seiner letzten USA-Reise mit Yoshihiro Francis Fukuyama führte. Fukuyama ist Politologe, Direktor des Zentrums für Demokratie, Entwicklung und Rechtsstaatlichkeit der Stanford University. Er war 1989 schlagartig berühmt geworden. Grund dafür war, dass er damals die bahnbrechende These aufgestellt hat, mit dem Zusammenbruch der bürokratisch-kapitalistischen Sowjetunion sei das "Ende der Geschichte" - so Fukuyamas gleichnamiges Buch - angebrochen. Börsianer, Konzern- und Staatschefs, bürgerliche Politiker und Ideologen freuten sich wie wild, wähnten sie doch den jetzt "alternativlosen" Kapitalismus auf einem unaufhaltsamen triumphalen Siegeszug. 33 Jahre nach dem "Ende der Geschichte" reiben sie sich verwundert die Augen und müssen konstatieren: Kapitalismus und Imperialismus existieren nur noch in Krisen, sogar die Verfügbarkeit von Halbleitern funktioniert nicht mehr so richtig. Massenhaft wenden sich die Menschen nicht nur vom Gottesglauben, sondern auch vom Kapitalismus ab. Lanz fragt im Interview: "Die Menschen haben von diesem System genug - sie sehnen sich nach etwas Anderem - wo könnte dieser Systemwechsel herkommen?" Fukuyama: "Genau wie vor 30 Jahren sehe ich kein alternatives politisches System, das der Lösung aller Probleme auch nur halbwegs nahe kommt." Wenn ein berühmter Wissenschaftler in 30 Jahren keine neue Erkenntnis erlangen kann, dann kann es auch keine geben, oder? Nur: Dass der Kapitalismus "der Lösung aller Probleme halbwegs nahekomme", ist ja wohl ein schlechter Witz. Im Vergleich zu vor 30 Jahren hat eine ausgeprägte Krisenhaftigkeit um sich gegriffen.

 

Im sonntäglichen ARD-Presseclub am 6. November zum Thema "Comeback von Kohle, Gas und Öl: Ist das Klima noch zu retten?" ging es heiß her. Diskutantin war u.a. Ulrike Herrmann, Wirtschaftsredaktuerin bei der taz und Autorin des Buchs "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden". Sie sprach sich für den Ausbau erneuerbarer Energiequellen aus, sagte aber auch: "Ich glaube, wir sollten uns nicht in der Illusion wiegen, dass Wind und Sonne reichen werden, damit Deutschland bis 2045 klimaneutral wird." Die Klimakrise, so Herrmann, führe ins "Zentrum des Kapitalismus". Ohne staatliche Planung der Wirtschaft, ohne "grünes Schrumpfen" kriege man die Klimakrise nicht in den Griff. Ein Sturm der Entrüstung der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Diskussionsrunde brach los. Das sei eine völlig müßige Diskussion, so Petra Pinzler, Korrespondentin im Hauptstadt-Studio der ZEIT. Kapitalismus abschaffen sei keinesfalls eine Option, man könne doch aber endlich ein Tempolimit einführen und jedem Menschen ein CO2-Budget mit auf seinen Lebensweg geben, das er verbrauchen könne und dann ist Schluss. Ob Herrmann etwa für den Kommunismus sei? Auf die Bemerkung, Sozialismus sei Mangelwirtschaft, meldet sich ein anderer Diskussionsteilnehmer mit Lenin: "Sozialismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung", also habe es da auch Wachstum gegeben.

 

Weder grenzenloses Wachstum noch "grünes Schrumpfen" sind positive Zukunftsperspektiven. Alle materiellen Voraussetzungen für ein Leben der Menschheit ohne Ausbeutung und Unterdrückung, in Einheit von Mensch und Natur, sind längst vorhanden. Mit welcher Schöpferkraft können die Massen der Welt diese Zukunftsvision verwirklichen, wenn die kapitalistischen Fesseln revolutionär überwunden sind!