Griechenland
Wirkungsvoller landesweiter Generalstreik
Gestern fand in Griechenland der seit Wochen vorbereitete landesweite Generalstreik statt.
"Arbeiter, kein Zahnrad dreht sich, wenn wir es nicht wollen. So wie heute. Kapitalisten brauchen wir nicht!" Das war eine der zentralen Parolen bei den machtvollen Sternmärschen, die gestern durch die Straßen Athens zogen, stundenlang, es waren Zehntausende. Kein Zahnrad drehte sich beim gestrigen Generalstreiktag in Griechenland. Es streikten die Hafenarbeiter und die Seeleute landesweit, die Stahlarbeiter und die Bergarbeiter, die Beschäftigten der öffentlichen Verkehrsbetriebe in den Städten und die der Überlandbusse, die Beschäftigten in den staatlichen Krankenhäusern und der Supermärkte. Auch Kleingewerbetreibende beteiligten sich und Studierende aus ganz Griechenland. "Arbeiter und Studenten, eine Stimme, eine Faust", erschallten die Parolen bei den Demonstrationen und Kundgebungen in Athen. Große Demonstrationen und Kundgebungen gab es in allen größeren Städten des Landes, aber auch in kleineren Gemeinden und auf den Inseln.
Im Streikaufruf der seit Jahren um ihre Arbeitsplätze kämpfenden Larko-Arbeiter heißt es: "Kolleginnen und Kollegen: Die Verantwortung für die derzeitige Situation bei Larko und für das, was wir erleben, liegt bei allen, die regiert haben und regieren. Sie alle haben die Entscheidungen der Europäischen Union und der Großkonzerne, die sich durch die Ausgliederung die 'Filetstücke' von Larko schnappen und uns, die Arbeiterinnen und Arbeiter, wie 'ausgepresste Zitronenschalen' wegwerfen wollen, abgesprochen und koordiniert. Von denen, die früher, heute und morgen regiert haben und regieren, haben wir nichts zu erwarten. Der 9. November ist ein Tag des konzertierten und vereinten Kampfes für die gesamte Arbeiterklasse."
Die Arbeiter wenden sich gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf ihren Rücken, gegen die ganze Regierungspolitik, gegen die Arbeitsplatzvernichtung und vor allem gegen die Inflation. Wir sprechen mit Kollegen, darunter auch Vertretern der KKE, und fragen, ob der Streik und die Demos sich auch gegen den Kriegskurs der griechischen Regierung und gegen den beiderseitig imperialistischen Krieg um die Ukraine richten. Ja, sagen sie, alle, die hier gehen und stehen, sind gegen diesen Krieg und dass Griechenland ein Aufmarschgebiet dafür geworden ist und weiter wird. Aber bei dem heutigen Streiktag steht die soziale Frage im Vordergrund, die nicht ausreichenden Mindestlöhne, die massive Teuerung, der Protest gegen die Strom- und Gaspreise, die kein Mensch mehr bezahlen kann. Der Hammer ist, dass die Bürokraten im griechischen Finanzministerium sich weigern, die Larko-Arbeiter zu empfangen und mit ihnen darüber zu sprechen, wie es mit ihrem Betrieb weitergehen wird. Eine Umzingelung des Finanzministeriums ist die Antwort der Arbeiter. In der Innenstadt von Athen sind massive Polizeikräfte präsent, sie kommen aber nicht zum Einsatz.
Normalerweise sind die Straßen von Athen voll von den gelben Taxis - heute: Kein einziges zu sehen. Die Tram und zwei Metrolinien werden bedient, damit die Leute zu den Demonstrationen und Kundgebungen gelangen können. Zum Flughafen kommt man nicht, ein wirkungsvolles Kampfmittel. Verstörte Touristen suchen am Straßenrand nach einem Taxi - aber auch diese Streikfront steht. Journalistenverbände beteiligen sich, Rechtsanwälte. In der nordgriechischen Stadt Kozani demonstrieren Besitzer kleiner Unternehmen und Bauern. Auf der Insel Naxos Rentner.
Unter den Rednerinnen und Rednern auf dem Syntagma-Platz in Athen ist eine Gewerkschafterin der Beschäftigten der Lebensmittelmärkte. Sie berichtet, wie fürchterlich es ist, mit anzusehen, wie sich die Leute immer weniger kaufen können. Aber auch ihre Arbeitsbedingungen prangert sie an: Viel zu wenig Personal, prekäre Arbeitsverträge, Minijobs. Sie wendet sich gegen die griechische Regierung, aber auch gegen die Oppositionsparteien Syriza und PASOK. Um uns selber müssen wir uns selber kümmern, so ihre Schlussfolgerung.
Wir wundern uns: Überall Gewerkschaftsfahnen, aber keine politischen Parteien. Medien berichten, dass ein Teil von ihnen, darunter die ML-KKE, eine eigene Kundgebung in der Panipestimiou-Straße machen. Die entscheidende Mehrheit der Arbeiterklasse Athens ist heute auf dem Syntagma-Platz, es herrscht eine kapitalismuskritische Stimmung. Umwelt- und flüchtlingspolitische Aspekte waren wenig vertreten. Die Seeleute und die Hafenarbeiter auf den Cosco-Piers demonstrierten draußen in Piräus und Perama. Sie haben eine besondere Kraft und Stärke, weil es dort gelungen ist, die Einheitsgewerkschaft ENEDEP aufzubauen.
Weil auf der zentralen Kundgebung auf dem Syntagma nur "ausgewählte" Rednerinnen und Redner sprechen durften, überbringt Iordanis Georgiou als Vertreter der MLPD und der deutschen Arbeiterklasse die solidarischen Grüße bei einer improvisierten Kundgebung vor der Rückfahrt der Larko-Arbeiter nach Larymna:
"Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle Arbeiter in ganz Europa schauen heute stolz auf euch und wünschen euch viel Erfolg. Euer Kampf hat auch eine große Bedeutung für alle Werktätigen in Europa. Wir haben gemeinsam als Gegner die gleichen Blutsauger, die Internationalen Monopole und ihre Lakeien. Ich möchte euch an dieser Stelle auch die herzlichen und solidarischen Grüße der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands überbringen. Sie berichtet ständig und aktuell über den Kampf des griechischen Volkes und organisiert die Solidarität. Ich heiße Iordanis Georgiou, bin aus Edessa und lebe und arbeite in Deutschland. Die Kämpfe der Arbeiter von Larko und Cosco waren und sind bedeutende Kämpfe der Arbeiterklasse in Europa. Die Preissteigerungen sind eines der Probleme, die wir gemeinsam haben. Europaweit können die Menschen ihre Stromrechnungen nicht bezahlen, der Strom wird abgeschaltet. Die Lebensmittelpreise haben eine gigantische Höhe angenommen, die Arbeitslosigkeit, die niedrigen Löhne und Renten, das alles zwingt viele Menschen, zu hungern. Das ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ein weiteres gemeinsames Problem ist der imperialistische Krieg in der Ukraine. Das dürfen wir nicht vergessen. Russland, NATO und Ukraine steuern auf einen Dritten atomar geführten Weltkrieg zu. In dieser Phase der beschleunigten Destabilisierung des imperialialistischen Weltsystems muss die Arbeiterklasse gemeinsam gegen die Abwälzung der Krisen- und Kriegslasten vorgehen, ihre Kämpfe koordinieren und voneinander lernen und sich gegenseitig stärken. Die Solidarität ist das Blut der Arbeiterkämpfe.Vielen Dank und viel Erfolg! Unsere Herzen sind bei euch."