Argument
Verlängerung der AKW-Laufzeit macht nur 1,3 Prozent mehr Atommüll aus?
Im ZDF-Morgenmagazin am 22. September sprach sich Siegfrid Russwurm, Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) dafür aus, die drei noch laufenden Atomkraftwerke noch einmal mit Brennstäben zu bestücken und dann drei Jahre laufen zu lassen. Das würde gerade mal 1,3 Prozent mehr Atommüll produzieren.
Rund 16.000 Tonnen hochradioaktive abgebrannte Brennelemente sind in allen deutschen Atomkraftwerken die letzten Jahrzehnte angefallen. Pro Reaktor kämen rund 30 Tonnen pro Jahr dazu. Über drei Jahre wären das zusätzliche 270 Tonnen, 1,7 Prozent nach unserer Rechnung. Bewusst wird hier verdrängt, dass er nicht um paar Kilo wie Äpfel und Birnen geht. Mit jedem Kilo Brennstoffmüll werden besonders hochradioaktive und gefährliche Spaltprodukte wie Plutonium und Neptunium erbrütet.
Nur 1,3 Prozent - ganz so großzügig geht Russwurm mit Prozentzahlen in Tarifrunden nicht um. Da wird um jedes Zehntel Prozent hinter dem Komma hart gekämpft, um Löhne zu drücken. Leute wie Russwurm wollen den Ausstieg aus dem Ausstieg und in den Einstieg der weiteren Nutzung von Atomkraftwerken zur Energiegewinnung und zum Bau von Atomwaffen.
Großzügig wird damit umgegangen, dass nach bisheriger Schätzung des Wirtschaftsministeriums die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls 169 Milliarden Euro kosten wird. Zahlen dafür müssen nämlich die kleinen Leute, da macht es ja nichts, wenn paar Milliarden Euro dazu kommen. Denn vom ursprünglich angelegten Fond von 24 Milliarden Euro, der diese Riesensumme erbringen soll, sind noch 23,6 Milliarden übrig. Das Geld beim Fond ist weniger durch die ganzen Krisen geworden und nicht mehr.
Davon abgesehen ist es einfach unverschämt, die Menschen der Gefahr eines atomaren Gaus auszusetzen für die Profite der Konzerne. Ausgerechnet Frankreich, wo viele Reaktoren zur Sicherheitsüberprüfung abgeschaltet sind, soll mit Strom aus deutschen maroden Kraftwerken, wo die letzte Periode Sicherheitsprüfung 2009 war, versorgt werden.
Atomkraft ist nicht beherrschbar! Alle Atomkraftwerke und Atomanlagen müssen sofort auf Kosten der Betreiber geschlossen werden. Und von wegen Versorgungssicherheit bei Gas. Atomkraft ersetzt Erdgas nicht 1:1, sondern kurzfristig nur Kohle laut Ifo-Institut. Der Anteil bei der Stromerzeugung ginge nur von 8,3 auf 7,6 Prozent zurück. Strom ist übrigens nicht zu knapp, nur zu teuer für die Massen. Laut Ifo-Institut würden durch die Verlängerung der Laufzeit die Investitionen in Photovoltaik und Wind geringer ausfallen als ohne Laufzeit. Wie so Strom billiger werden soll laut Russwurm, wo doch Atomstrom am teuersten ist, bleibt sein Geheimnis – oder für wie dumm hält er uns?