Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Tunis
Beeindruckende Eröffnungszeremonie und Start der Workshops auf hohem Niveau
Im Anschluss an die kämpferische Demonstration wurden die angereisten Weltfrauen in Tunis durch eine Eröffnungszeremonie begrüßt. Frauen vom tunesischen Vorbereitungskomitee betonten die Bedeutung der Weltfrauenkonferenz zur weiteren Vereinheitlichung der Frauenbewegung in einer Situation, wo der Imperialismus zur illegalen Auswanderung führt, die Ausbeutung verschärft, ebenso die Unterdrückung bis hin zur Versklavung von Frauen in den arabischen Ländern.
Sie betonten wie auch weitere Frauen aus Tunesien die Wurzeln der proletarischen und der sozialistischen Frauenbewegung ausgehend von Marx. Nach den Weltkoordinatorinnen sprach auch die Ideengeberin der Weltfrauenkonferenz, Monika Gärtner-Engel, zur grundlegenden Bedeutung des Kampfs um die Befreiung der Frau als Teil des internationalen Kampfs zur Befreiung von kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung.
„Wir selbst müssen unsere Zukunft in die eigenen Hände nehmen. So entstand der Gedanke der Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen!“ Monika Gärtner-Engel sprach dem Stolz der Frauen auf die bisherigen Frauenkonferenzen und die 3. Weltfrauenkonferenz aus dem Herzen – und ordnete sie in die heutige Situation der Frauen weltweit im nur noch krisenhaften Imperialismus ein. „Gegen den Ukrainekrieg, gegen Inflation, Staatsterror gegen mutige Kämpferinnen und Kämpfer, gegen verstärkte Ausbeutung“ ist der Kampf der Weltfrauen angesagt: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ „Die größten Unterdrücker sind nicht die einzelnen Männer, sondern die unterdrückerischen Staats- und Familienordnung. Doch die Arbeiterinnen, die Frauen und Mädchen der Welt lassen sich das nicht gefallen.“ Sie müssen ihren eigenständigen Kampf führen – und ihn zugleich einordnen in den weltweiten Befreiungskampfs vom Imperialismus.
Davon zeugt euch die beeindruckende Breite der tunesischen Frauenbewegung, die die Konferenz zu ihrer Sache macht. So sprachen im Folgenden – unterbrochen von schönen Liedern – Wafa Hamami vom Ministerium für Soziales, über die „unendliche Geduld, die alle Frauen mit Mut im Kampf um die Rechte der Frauen und Freiheit aufbringen“. Turkia Cheibi, The Million Rural Association and women without land, rief auf, den Kampf im Sinne Rosa Luxemburgs weiterzuführen. Naila Zoghlami, Tunisian Accociation of democratic women, ist sich sicher: “Wir kämpfen gemeinsam mit den Basisfrauen, das ist der einzige Weg!”
Workshops starten auf hohem Niveau in lebhafter Diskussion
Die Basisfrauen der Welt haben sich viel vorgenommen. Am 5. und 6. September stellen über 20 international vorbereitete und zusammengesetzte Workshops die Teilnehmerinnen vor die „Qual der Wahl“, welche spannenden Fragen gemeinsam beraten und diskutiert werden. „Mit Mut, solidarisch, selbstbestimmt – Organisieren“ von Frauenverband (Deutschland) und EKA (Türkei), „Die Triangel der Frauenbewegung: Autonomie, Organisierung, Freiheit“ von der Kurdischen Frauenbewegung und Boushra Ali, zu den Themen „Vergewaltigung als Kriegswaffe“, „Arbeiterinnen und Gewerkschafterinnen“, „Bäuerinnen und Landwirtschaftliche Arbeiterinnen“, „Junge Weltfrauen und -mädchen“, „Alarmstufe rot – volle Frauenpower für die Rettung der Umwelt“ und einige mehr!
Der am besten besuchte Workshop ist der von Gabi Fechtner/ MLPD Deutschland und Durga Paudel / NCP Mashal Nepal: „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau – echter Sozialismus oder feministisch verpackter Opportunismus“. Der bewusst provokant ausgewählte Titel fordert heraus und die bisher ca. 70 Teilnehmerinnen diskutieren in beeindruckender Sachlichkeit und solidarischer Streitkultur auf hohem Niveau über den Weg der Befreiung der Frau.
In ihrem Einleitungsreferat stellte Gabi Fechtner zunächst die materiellen Grundlagen der doppelten Ausbeutung der Masse der werktätigen Frauen und besonderen Unterdrückung der Frau in der kapitalistischen Klassengesellschaft heraus, die eine Befreiung der Frau als Teil der internationalistischen sozialistischen Revolution nötig machen. Auch die Errungenschaften der bisherigen sozialistischen Gesellschaften oder der demokratischen Revolution in Rojava dürfen weder geringgeschätzt werden noch bleiben wir dabei stehen. Der Marxismus-Leninismus muss weiterentwickelt werden – was aber auch beinhaltet, stolz seine Grundprinzipien und Errungenschaften gegen den Antikommunismus zu verteidigen und bewusst zu machen. Der kleinbürgerliche Feminismus greift nun scheinbar das wachsende Frauenbewusstsein auf und ist daher so wertvoll für die Herrschenden, weil er unseren Kampf um die Befreiung der Frau in reformistische Bahnen lenkt. Das wurde von Durga Paudel unterstrichen, dass erst die Abschaffung der kapitalistischen Klassengesellschaft alle Formen von Unterdrückung abschafft. Eine Frau aus der Türkei kritisiert, wie der Sozialismus in Europa deformiert dargestellt wird, „das stört mich ungemein. Wir brauchen darüber einen sehr intensiven ideologischen Kampf“.
In der kontroversen Diskussion (zum Zeitpunkt dieses Berichts ist erst eine von vier Workshop-Einheiten vorbei!) wurden wichtige Erfahrungen ausgetauscht und sehr respektvoll und fundiert diskutiert. Dass der Kampf um Befreiung der Frau und der Kampf um den Sozialismus zusammengehören, war dabei unstrittig. Auch Frauen vom überparteilichen Frauenverband Courage berichten, dass der internationale Zusammenschluss der Frauen zur gegenseitigen Stärkung führt. Wo aber setzen wir an mit der Befreiung der Frau? Was ist genau eine Revolution – gibt es überhaupt eine „Frauenrevolution“? Eine Revolution ist die grundlegende Veränderung der Macht- und Eigentumsverhältnisse, der Paradigmen unter denen produziert und konsumiert wird. Dafür braucht es die Arbeiterklasse als einzige revolutionäre Klasse. Diese besteht aus einem wachsenden Anteil aus Arbeiterinnen. Die kämpferische Frauenbewegung ist wiederum wichtiges Bindeglied zwischen der Arbeiter- und anderen Bewegungen wie der Umweltbewegung. Über solche Fragen wird es spannend weitergehen.
Ebenfalls gut besucht war der Workshop von Monika Gärtner-Engel. Was ist das überhaupt, Imperialismus? Was hat das mit dem Patriarchat zu tun? Diese Fragen stand im Mittelpunkt des Workshops „Nein zum imperialistischen Krieg – Ja zum Kampf um Befreiung“, durchgeführt von Monika Gärtner-Engel. Der große Drang vieler Frauen direkt in den Kampf zur Befreiung der Frau einzusteigen und über die vielen Befreiungskämpfe auf der Welt zu sprechen, wurde zurückgestellt - erst einmal musste die Definition und die ökonomische Grundlage des Imperialismus diskutiert und vereinheitlicht werden. In der kritischen Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Definitionen – selbst von Olaf Scholz und Wladimir Putin – überwogen die Meinungen, dass die Definitionen von Lenin und in Bezug auf die wirtschaftliche Grundlage von Rosa Luxemburg treffend sind. Dass die Frauen oft zu den ersten Opfern gehören, wurde sehr deutlich aus vorgetragenen Berichten von kämpferischen Frauen der Zeitgeschichte und in der Diskussion bereichert durch Frauen aus Afghanistan, dem Iran, Deutschland, Westsahara, Türkei, Nordkurdistan, Mexiko, USA. Eine kontroverse und schöpferische Diskussion entspann sich, ob Länder wie die Türkei, Argentinien oder Mexiko selbst imperialistische Länder sind, die andere Länder und besonders die Frauen dort ausbeuten und unterdrücken. Türkische Frauen bedankten sich ausdrücklich für die Möglichkeit, hier mit afrikanischen Frauen zusammenzutreffen, die in ihren Ländern auch gegen den türkischen Imperialismus kämpfen.
Schön gestaltete Stände laden zum Einkaufen von internationalem Kunsthandwerk ein und der Stand des Verlag Neuer Weg freut sich die ganze Zeit über großes Interesse. Besonders die Broschüre zum Ukrainekrieg und der Krise des imperialistischen Weltsystems in mehreren Sprachen wird gut verkauft.
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