Atomkraft
Ein AKW-Streckbetrieb kann nicht akzeptiert werden!
Die von den Medien als Führungsfigur aufgebaute Aktivistin der Fridays-for-Future-Bewegung, Luisa Neubauer, sagte im Interview mit dem „Tagesspiegel“ zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke: „Was derzeit konkret in der Diskussion ist, ist der Streckbetrieb – also ein Weiterbetrieb der verbleibenden AKW für wenige Monate, ohne dass aber neue Brennstäbe gekauft werden. Das wäre ein Provisorium und keine grundlegende Weichenstellung“.¹
Luisa Neubauer, die auch Mitglied von Bündnis 90 / Die Grünen ist, hält das für akzeptabel. Tatsächlich muss für einen solchen über den 31. Dezember 2022 hinausgehenden „Streckbetrieb“ das Atomgesetz geändert werden. Das wurde nämlich nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 auf Druck der Anti-AKW-Bewegung so geändert, dass „Die Berechtigung zum Leistungsbetrieb einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur Erzeugung von Elektrizität“ für die letzten Atomkraftwerke mit Ablauf des 31. Dezember 2022 „erlischt“.²
Dass mit einer erneuten Änderung des Atomgesetzes alle Barrieren gegen den unter anderem vom Präsidenten des Monopolverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, geforderten Weiterbetrieb oder sogar Neubau von Atomkraftwerken fallen würden, das muss auch Luisa Neubauer klar sein. Es ist schon ein grenzenloser Opportunismus, wenn sie das trotzdem für akzeptabel erklärt. Darin „keine grundlegende Weichenstellung“ zu sehen, dient nur dazu, die Umweltbewegung einzulullen.
Unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit läuft der von Luisa Neubauer als „Provisorium“ akzeptierte Zustand auch ohne die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke schon drei Jahre. Auf die zum 31. Dezember 2019 fällige Sicherheitsüberprüfung der drei noch laufenden Atomkraftwerke wurde mit einer Ausnahmeregelung wegen der Abschaltung drei Jahre später verzichtet.³ Damit hat auch das 2012 erneuerte internationale Regelwerk für die Sicherheit der Reaktoren für diese drei Atomkraftwerke noch keine Anwendung gefunden.⁴
Diesen Zustand noch verlängern zu wollen, ist ein hochriskantes und unverantwortliches Spiel mit Leben und Gesundheit der Bevölkerung im Umkreis dieser Atomkraftwerke und im Extremfall auch weit darüber hinaus. Die Betreiber der Atomkraftwerke haben gegenüber dem Staat auch schon erklärt, dass für den Fall des Weiterbetriebs die Bundesregierung in die Rolle eines „Quasi-Eigners“ kommen solle, also alle Risiken übernehmen müsse.⁵
Der bayerische Ministerpräsident, Markus Söder (CSU), beruft sich dagegen für den angeblich unbedenklichen Weiterbetrieb bzw. die Wiederinbetriebnahme „seiner“ Atomkraftwerke Isar 2 und des schon stillgelegten Gundremmingen auf ein aktuelles Gutachten des TÜV Süd. Das wird in einem Gegengutachten der von Greenpeace beauftragten Rechtsanwaltskanzlei Michael Günther als „Gefälligkeitsgutachten“ kritisiert.⁶
In diesem Gutachten argumentiert der TÜV Süd, dass er auch ohne die alle zehn Jahre nach dem Atomgesetz notwendige große Sicherheitsüberprüfung die Sicherheit des Atomkraftwerks Isar 2 bescheinigen kann: „Aus unseren Tätigkeiten als nach §20 AtG hinzugezogener Sachverständiger haben sich keine Hinweise ergeben, dass die erforderliche Schadensvorsorge infrage gestellt sein könnte.“ Das erklärt derselbe TÜV Süd, der sich gegenwärtig wegen des Dammbruchs im Januar 2019 mit mindestens 259 Todesopfern in der brasilianischen Mine Córrego do Feijao, deren Sicherheit er auch in einem Gutachten bescheinigt hatte, vor dem Landgericht München I verantworten muss.⁸
Der AKW-Streckbetrieb ist ohne neue Brennstäbe technisch auch nur möglich, wenn die Atomkraftwerke jetzt im Sommer weniger Strom produzieren, netto wird also gar kein zusätzlicher Strom produziert.⁹ Daran zeigt sich eindeutig, dass es bei der Debatte nicht darum geht, eine Notsituation als Folge ausbleibender Gaslieferungen zu lösen. Vielmehr soll hier der Ausstieg aus der Atomenergie umgekehrt werden. Das hat auch den Hintergrund der möglichen militärischen Nutzung der nuklearen Brennstoffe in der Vorbereitung auf einen atomar geführten Dritten Weltkrieg. Dagegen müssen Umwelt- und Friedensbewegung gemeinsam kämpfen.