Gift im Fluss

Gift im Fluss

Dramatische Ausweitung der regionalen Umweltkatastrophe in der Oder bis in die Ostseeregion

Seit Donnerstag, den 11. August, werden mehrere Tonnen toter Fische in der Oder nördlich von Frankfurt / Oder entdeckt. Mittlerweile hat sich die Situation deutlich verschärft. Mehrere Umweltaktivisten und Verbände, wie u. a. der NABU, gehen inzwischen von der Dimension einer Jahrhundertkatastrophe aus. Als Ursache wird inzwischen eine Versalzung des Wassers vermutet - als Ergebnis einer illegalen Entsorgung von giftigen Chemikalien im Fluss. Betroffen ist davon nicht nur die Fischwelt, sondern die gesamte Fauna und Flora der Oder-Region. Auf der Strecke vom polnischen Wroclaw (Breslau) bis ins Stettiner Haff wurden inzwischen tote Fische, Muscheln, Krabben und Schnecken entdeckt.

Von Landesleitung Berlin-Brandenburg der MLPD
Dramatische Ausweitung der regionalen Umweltkatastrophe in der Oder bis in die Ostseeregion
Tote Fische treiben aktuell überall in der Oder (foto: Hanno Böck (CC0))

Der massiv betroffene Nationalpark Unteres Odertal in der Uckermarck / Brandenburg gilt als Deutschlands einziger Flussauen-Nationalpark. Das Gebiet an der deutsch-polnischen Grenze hat eine Länge von 50 Kilometern und erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 10.000 Hektar. Er zieht sich am westlichen Uferrand der Oder von Hohensaaten im Süden bis nach Staffelde im Norden. Hunderttausende heimische Vögel, besonders Wasservögel und Zugvögel nutzen das Areal als Rastgebiet.

 

Allein schon das macht deutlich, dass die Auswirkungen auf das Ökosystem weit über die Fischwelt hinausgeht. Das Zooplankton, hauptsächliche Nahrungsgrundlage für die Fische, ist ebenfalls massiv geschädigt worden, so dass die Zerstörung sich über einen jahrzehntelangen Zeitraum erstrecken wird – wenn sie überhaupt reparabel ist. Somit sind auch die Auswirkungen auf viele andere Tierarten, die von dem Fischbestand in der Oder leben, bisher kaum absehbar – ebenso wenig die Auswirkung auf die Flora und Trinkwasserversorgung in der Region.

 

Inzwischen sind mehrere Hundert Helfer – viele von ihnen ehrenamtlich – in der Region, um die verendeten Fische zu entsorgen. Viele von ihnen berichten von dem Einsatz als von einer regelrechten Zumutung: Nicht nur der Anblick der Vernichtung und dann noch mit den Füßen in einer Welle von tausenden Toten Fischen zu stehen, ist schwer zu ertragen, sondern auch der Gestank der Verwesung, die u. a. durch die hohen Temperaturen und das extreme Niedrigwasser in der Oder beschleunigt wird.

 

Nachdem es am Freitag nach ersten Untersuchungen noch die Vermutung gab, dass eine erhöhte Quecksilber-Konzentration die Ursache für die Katastrophe sein könne, nehmen sowohl das polnische, wie auch das deutsche Umweltministerium inzwischen Abstand davon – ohne weitere mögliche Zusammenhänge zu untersuchen. Im Wasser und in Fischkadavern nachgewiesen sind inzwischen extrem hohe Salzwerte, die hier zu höheren Sauerstoffwerten als gewöhnlich führen.

 

Christina Schröder / NABU Brandenburg sagte gegenüber der Berliner Zeitung am 12. August: „Eigentlich heißt es: Je höher die Temperaturen, desto niedriger der Sauerstoff. Seltsamerweise sehen wir gerade, dass die Sauerstoffwerte höher sind, als gewöhnlich. (…) Es gibt Chemikalien, die verfallen, wenn sie mit Wasser in Verbindung kommen. Und eines der Abfallprodukte ist dann Sauerstoff. Allerdings bei Quecksilber nicht. Das deutet daraufhin, dass wir es hier mit einem ganzen Cocktail an giftigen Stoffen zu tun haben.“.¹

 

Wie Brandbeschleuniger wirken die extreme Trockenheit und die damit verbundene Wasserknappheit in den Flüssen und steigern die schädigenden Auswirkungen einer solchen Schadstoffbelastung im Wasser; sie markieren eine weitere und extremere Auswirkung des Umschlags in eine globale Umweltkatastrophe. Genau solche Zusammenhänge, wie sie in dem Buch „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur“ von Stefan Engel nachgewiesen werden, werden aber aktuell ausgehend von den Umweltministerien nicht thematisiert und untersucht.

 

In dem Buch heißt es: „In der öffentlichen Meinung werden einzelne Faktoren der Umweltkrise – etwa die drohende Klimakatastrophe – einseitig ins Blickfeld gerückt. Zugleich werden andere, nicht minder dramatische Probleme – wie das wachsende Ozonloch, die Zerstörung der Ökosysteme der Ozeane oder Wälder – verdrängt und verharmlost. Vor allen werden Zusammenhänge und Wechselwirkungen weitgehend ignoriert.“²


Völlig zu Recht fordert der NABU den Einsatz einer internationalen Untersuchungskommission. Auch wenn beide Regierungen in Deutschland und Polen inzwischen ebenfalls eine Untersuchung der Vorgänge fordern, verharmlosen sie die verheerende Dimension. So erkennt Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki lt. RBB24 zwar an, „dass wahrscheinlich ‚absichtlich riesige Mengen chemischer Abfälle‘ in den Fluss gekippt worden seien. Dadurch sei ein schwerer Umweltschaden entstanden, der erst in mehreren Jahren behoben sein könnte.“³ Die deutsche Umweltministerin, Steffi Lemke, fordert, man solle nicht versuchen, Flüsse zu Abwasserkanälen zu machen. Konkret legt sie aber den ganzen Fokus darauf, wie auch weitere Brandenburger Politiker der Monopolparteien SPD und Grüne, dass die Verantwortung hauptsächlich bei Polen läge, da die Zusammenarbeit in diesem Fall nicht funktioniert hätte und Deutschland viel zu spät informiert worden sei.

 

Dem entgegen berichtet ein Stahlarbeiter aus Eisenhüttenstadt: „Jeder Eisenhüttenstädter weiß, dass sowohl ArcelorMittal, wie auch die Papierfabrik in Eisenhüttenstadt, ihre Abwässer in die Oder ableiten.“

 

Bei einer länderübergreifenden Zusammenarbeit, ohne den anfänglichen Versuch einer Vertuschung auf polnischer Seite und das Abschieben jeglicher Verantwortung durch die deutsche Seite, hätten sofortige Maßnahmen eine weitgehende Eindämmung der jetzigen dramatischen Auswirkungen bewirken können. Das erfolgte lediglich im Grabensystem des Oderbruchs, wo ein weitläufiges Dammsystem verhindert hat, dass die Welle mit Giftstoffen auch diese Region verseuchen konnte.

 

Deutsche wie polnischen Monopolpolitiker orientieren in diesem Fall auf den imperialistischen Ökologismus, dessen zentrale Leitlinie die angebliche Vereinbarkeit von kapitalistischer Ökonomie und Ökologie ist. Das soll das notwendige Umweltbewusstsein der Massen für die Rettung vor der globalen Umweltkatastrophe untergraben. Für die MLPD ist diese Rettung erst im echten Sozialismus möglich, da der Kapitalismus die Einheit von Mensch und Natur immer weiter mutwillig zerstört.

 

Notwendig sind sofortige Maßnahmen zur weiteren Untersuchung des Verdachts auf eine mutwillige Zerstörung durch die Entsorgung von chemischen Industrieabfällen, denn die Dimension der Schadstoffmenge lässt nur einen solchen Verursacher zu.


Die Verursacher müssen vollständig für die Kosten zur weitest möglichen Eindämmung der nachhaltigen Folgen der Umweltkatastrophe aufkommen und entsprechend bestraft werden.

 

Es muss eine flächendeckende Information gegenüber der Bevölkerung erfolgen: Zum eigenen Schutz und als Beitrag zum Schutz des bedeutenden Ökosystems Oder. Dazu gehört auch eine breite Diskussion, wie solche mutwillig provozierten Umweltverbrechen künftig verhindert werden können.

 

Das Buch "Katastrophenalarm!" positioniert sich dazu eindeutig: „Dieses Buch lässt keinen Zweifel daran, dass die Menschheit die Umweltfrage nicht dem herrschenden Gesellschaftssystem überlassen darf. (…) Nur eine internationale sozialistische Revolution kann die soziale und die ökologische Frage lösen.“.⁴