Prozesse in Weimar

Prozesse in Weimar

Antikommunistische Unterdrückung in der Defensive

Am gestrigen Dienstag fanden am Verwaltungsgericht Weimar drei bemerkenswerte Prozesse statt. Anlass war das Verbot der Gedenkveranstaltung des Internationalistischen Bündnisses auf dem Gelände der Gedenkstätte des KZ Buchenwald anlässlich des 75. Jahrestags der Ermordung Ernst Thälmanns 2019.

Von tt
Antikommunistische Unterdrückung in der Defensive
Kundgebung vor dem Prozess (rf-foto)

Der erste Prozess ging um die Frage, ob es Kräften des internationalistischen Bündnisses erlaubt ist, Führungen auf dem Gelände der Gedenkstätte durchzuführen. In den beiden folgenden Prozessen ging es um das Verbot der Durchführung der Gedenkveranstaltung am Glockenturm und einer Kranzniederlegung am Krematorium, dem Ort, an dem Ernst Thälmann hinterrücks von den Faschisten ermordet wurde.

 

Nach den Eingangsausführungen des Richters legte Tassilo Timm als Kläger für das Internationalistische Bündnis überzeugend dar, dass die Führungen, die u.a. Genossen der MLPD durchführen, bereits gegenüber hunderten Jugendliche eine sehr wichtige antifaschistische Bildungsarbeit leisteten. Aktuell wurden etliche Gedenkbäume, die für Häftlinge im Umfeld der Gedenkstätte gepflanzt wurden, geschändet. Faschistische Kräfte organisieren sich in Thüringen zunehmend auch militant. In einer solchen Situation ist es unbegreiflich, dass die Gedenkstättenleitung diese wichtige antifaschistische Arbeit unterdrücken will. Was ihr nicht passt, ist, dass fortschrittliche Kräfte sich nicht dem von ihr verordneten bürgerlichen Antifaschismus unterordnen, der Faschismus und Kommunismus tendenziell gleichsetzt und Faschismus auf Rassismus, Terror und Antisemitismus reduziert. Wer den Antikommunismus als Kern des Faschismus leugnet, der tut die Arbeit der politischen Häftlinge im KZ als Nebenseite ab. Sie war aber entscheidend für die Selbstorganisation der Häftlinge bis hin zur militärischen Selbstbefreiung, die 21.000 Häftlingen das Leben rettete.

 

Die Gegenseite (Rechtsabteilung der Stadt Weimar und der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald Jens-Christian Wagner und sein Anwalt) wärmten in ihrer Argumentation alte Lügen und Halbwahrheiten wieder auf. So behaupteten sie wider besseren Wissens, dass die Gedenkveranstaltung zu Wahlkampfzwecken missbraucht wurde. Richtig ist, dass am Nachmittag des 17.8.19 eine Wahlkampf-Veranstaltung in Erfurt stattfand und ein guter Teil der Teilnehmer beide Veranstaltungen besuchte. Da endet aber schon die Verbindung. Jeder, der sich das auf YouTube vollständig dokumentierte Gedenken, das dann in Weimar stattfinden musste, anschaut, wird feststellen, dass der Wahlkampf nicht ein einziges Mal erwähnt wird.

 

Der Richter erklärte, dass eine Verlegung der Gedenkveranstaltung nach Weimar ihren Charakter verändert und damit als Verbot betrachtet werden kann. Er ließ auch erkennen, dass der durch die Gegenseite herangezogene Paragraph 15 Abs. 2 des Versammlungsgesetz hier nicht als Argumentation gelten kann. Die Anwälte der MLPD und des internationalistischen Bündnises, Peter Weispfenning und Roland Meister, legten überzeugend dar, dass dieser Paragraph 2005 ausdrücklich dafür geschaffen worden war, um Faschisten die Möglichkeit zu nehmen, solche Gedenkstätten für ihre Propaganda zu missbrauchen.

 

Sie argumentierten, dass es eine klare Ungleichbehandlung gibt, wenn andere Parteien ihre Fahnen zeigen und Flugblätter verteilen dürfen und Bodo Ramelow sogar seinen Wahlspot dort drehte. Gedenkstättenleiter Wagner sagte, dass das Drehen des Wahlspots der Linkspartei ohne Einwilligung der Leitung erfolgte. Offen blieb trotzdem, warum Herr Wagner nicht mit dem selben Engagement diese (seiner Meinung nach) "parteipolitische Vereinnahmung" bekämpfte. Alle Parteien müssen - selbstverständlich auf antifaschistischer Grundlage - das Recht haben, auf dem Gelände ihre Positionen darzulegen. Es darf keine Unterdrückung geben, weder der MLPD noch der Linkspartei. Direkt nach der Befreiung haben die Häftlinge mit Stolz ihre 12 Jahre verbotenen Parteifahnen getragen. Das soll jetzt im Nachhinein untersagt werden?

 

Ein weiteres Greuelmärchen ist, dass die MLPD angeblich die Würde der Opfer des Speziallagers Nr. 2 verletzen würde. Dieses Lager wurde entsprechend den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz zur Inhaftierung von Faschisten errichtet, so wie in allen Besatzungszonen. Natürlich gab es dort auch durch Denunziation unschuldig Inhaftierte, was scharf zu verurteilen ist und so weit möglich aufgeklärt werden muss. Es gab dort aber keine Misshandlungen der Häftlinge. Auch die 7.000 an Hunger verstorbenen Häftlinge im Winter 1946/47 müssen in das Verhältnis gesetzt werden, dass in diesem Winter im zerstörten Deutschland der bis dahin kälteste Jahrhundertwinter ausbrach, bei dem in ganz Deutschland hunderttausende Menschen verhungerten.

 

Die Entscheidung des Gerichts wird mit Spannung erwartet. Es hat weit über Weimar und Buchenwald hinaus Bedeutung, geht es doch letztendlich darum, ob eine tatsächlich demokratische Erinnerungskultur auf derartigen Gedenkstätten stattfinden darf, oder der Antikommunismus zur alleinigen Leitlinie wird.