Vom Friedenswunsch zum aktiven Widerstand
Frauenbewegung in der Friedenspolitik herausgefordert
Auf seiner Jahrestagung hat der Deutsche Frauenrat am 22. Juni 2022 eine Resolution verabschiedet mit dem Titel: „Ukrainische Frauen als Akteurinnen des Widerstands, Wiederaufbaus und Friedens unterstützen“.
Der Aufruf enthält wichtige Forderungen wie die nach strafrechtlicher Verfolgung sexualisierter Gewalt, sei es unter russischer Besatzung, oder durch einen Anstieg der geschlechtsspezifischen Gewalt auch innerhalb der ukrainischen Gesellschaft. Oder, dass humane Aufnahmestandards für alle Geflüchteten gelten müssen, statt in Flüchtlinge 1. und 2. Klasse zu spalten.
Friedensverhandlungen müssen an klare Forderungen geknüpft sein
Die Resolution verkennt jedoch das ganze Ausmaß des aktuell tobenden Krieges. Die von beiden Seiten geführte imperialistische Kriegspolitik bereitet aktiv einen Dritten Weltkrieg vor! Die Resolution enthält keine Forderungen zur Beendigung des Krieges an die NATO, an Russland oder an die BRD. Wenn Kanzler Olaf Scholz (SPD) davon spricht, dass die Ukraine siegen muss, dann hat er nicht die Masse der ukrainischen Männer, Frauen und Kinder im Kopf, denen jeder weitere Tag des Krieges weiteres Elend bringt.
Der Aufruf knüpft an am tiefen Friedenswunsch der Frauen. Friedensverhandlungen sind dringend notwendig – aber mit den richtigen Forderungen! Sofortige Beendigung des Kriegs, Abzug russischer Truppen aus der Ukraine, Abzug aller NATO-Truppen aus Osteuropa! Die kämpferische Frauenbewegung muss sich ihrer Tradition großer Vorkämpferinnen wie Clara Zetkin und Käte Duncker bewusst werden, die sich mit konkreten Forderungen für den Frieden stark gemacht haben. Dann können und werden sicherlich russische und ukrainische Frauen mit voller Kraft ihre besonderen Fähigkeiten für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete einbringen. Keine Lösung ist jedoch die zentrale Forderung des Deutschen Frauenrats, die Bundesregierung möge Frauen im Sinne einer feministischen Außenpolitik „gendergerecht“ in Verhandlungen, Kon-fliktlösungen und Wiederaufbau einbinden. So unterstützt der Aufruf die volle Ausschöpfung der Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Russland - das bedeutet aber für die Masse der russischen Frauen massive Armut und Hunger. Unterstützung oder Unterordnung unter eine feministischen Außenpolitik würde bedeuten, dass sich die Frauenbewegung vor den Karren imperialistischer Friedensverhandlungen spannen lässt, bei denen keine der imperialistischen Mächte im Interesse der Bevölkerung bereit ist Zugeständnisse zu machen.
Baerbock betreibt aggressive imperialistische Kriegspolitik
Wie schnell das Image der feministischen Außenpolitik einer „humanen Sicherheitspolitik“ an der Wirklichkeit zerplatzt und sich zur imperialistischen Kriegspolitik verwandelt, wird an der aggressiven Umsetzung schwerer Waffenlieferungen durch die grüne Außenministerin Annalena Baerbock an das reaktionäre Selenskyj-Regime deutlich. Sie setzt damit die geänderte Strategie der NATO um, die mutwillig die Ausdehnung des Krieges zu einem Weltkrieg vorbereitet. Es ist aber nicht das Interesse der Masse der ukrainischen und russischen Frauen, für die Ziele der NATO, die Ukraine in die westliche Blockbildung einzubinden, ihre Söhne und Männer zu opfern und selbst durch den Krieg unendliches Leid zu erfahren.
Diesen Widerspruch spürt auch Dr. Anja Nordmann, Autorin des Artikels „Feministische Außenpolitik und internationale Zusammenarbeit mit Deutschland“. „Der russische Angriffskrieg hat eine Situation geschaffen, in der zwischen verschiedenen falschen Handlungsoptionen entschieden werden muss. Aus diesem Dilemma kann sich auch feministische Außenpolitik nicht befreien.“ Genau! Es ist das Dilemma der gescheiterten sogenannten feministischen Außenpolitik. Aber wer sagt denn, dass sich die Masse der Frauen nur zwischen Pest und Cholera entscheiden kann, worauf die Einbindung in die imperialistische Kriegs- oder Friedenspolitik hinausliefe? Die kämpferische Frauenbewegung steht vor der Aufgabe, sich ein tiefes Verständnis der Veränderungen im imperialistischen Weltsystem zu erarbeiten, um wichtiger Teil einer neuen Friedensbewegung zu werden und sich einzureihen in den notwendigen aktiven Widerstand gegen die aktive Vorbereitung eines Dritten Weltkriegs. Einen aktiven Widerstand, der offen ist für eine sozialistische Alternative, einem System, in dem Kriege endgültig beseitigt werden können.
3. Weltfrauenkonferenz muss Signal setzen
Die 3. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen im September 2022 in Tunis/Tunesien kann zu diesem Klärungsprozess beitragen und ein wichtiges Signal setzen. Was erwarten teilnehmende ukrainische Frauen von einem Wiederaufbau des Landes? Sie haben schon vor dem Krieg Erfahrungen mit dem Selenskyj-Regime gemacht. Als die Löhne ihrer Männer im Bergbau nicht bezahlt wurden und die Regierung streikende Bergleute niederknüppeln ließ. Als Armut und Unterdrückung immer stärker wurden - trotz oder gerade wegen massiver finanzieller Unterstützung durch BRD und USA. Wie können die mutigen Friedenskämpferinnen in Russland unterstützt werden, was werden uns die Frauen von dort berichten?
Frauen aus Afghanistan werden ihre Erfahrungen einbringen – sowohl mit der Besatzung durch die sozialimperialistische Sowjetunion, als auch dem Desaster der 20-jährigen NATO-Besatzung, die in der Machtübergabe an die zutiefst frauenfeindlichen Taliban endete. Was werden uns die Frauen aus Afrika berichten, wo in vielen Ländern die Hungersnot zunimmt?
Die kämpferische Frauenbewegung braucht die Fähigkeiten und Erfahrungen, das theoretische Wissen der vielen Frauen über die imperialistischen Machtverhältnisse und gesellschaftliche Perspektiven, um sich für einen aktiven Friedenskampf und für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung von Mensch und Natur einzusetzen.