Sri Lanka
Zehntausende Demonstranten erzwingen den Rücktritt von Präsident Gotabaya Rajapaksa
Zehntausende Demonstranten haben gestern den Amtssitz des Präsidenten von Sri Lanka umzingelt, obwohl der zuvor eine Ausgangssperre ausgerufen hatte. Absperrungen, Tränengas und Schüsse, rund 20.000 Soldaten und Polizisten im Einsatz: All das konnte die Menschen nicht aufhalten, sie haben den Präsidentenpalast gestürmt und Rajapaksa vertrieben.
Soldaten schossen in die Luft, um die Menschenmenge zurückzudrängen, bis Rajapaksa in Sicherheit gebracht war. Im Anschluss schlenderten die Demonstranten offenbar relativ ungehindert durch den Palast - mit empörtem Staunen über den ganzen Luxus dort. Videos zeigen unter anderem, wie einige im Pool des Präsidenten schwammen und im Palast, der sonst ein Hochsicherheitstrakt ist, picknicken und flanieren.
In einem Rote-Fahne-News-Artikel von Mitte Mai wird die Entwicklung in Sri Lanka als Übergang zu einer revolutionären Gärung bezeichnet. In dem Artikel heißt es: "Im Telefongespräch berichtet ein Genosse der Frontline Socialist Party FLSP über die aktuelle Situation in Sri Lanka: 'Die Demonstranten wurden von der Regierung in einem öffentlichen Gebiet angegriffen. Der Präsident ist nicht bereit, abzutreten. Jeden Tag verschlimmert sich die Situation für die Massen. Die Inflation liegt bei 30 Prozent und betrifft vor allem Kraftstoffe, Gas und Lebensmittel. Man kann von einer revolutionären Krise sprechen. Anfangs war es eine spontane Bewegung. Die nächsten zwei bis drei Wochen sind entscheidend. Es wird daran gearbeitet, dass sich die Bewegung in eine soziale Revolution verwandelt. Die FLSP wächst und wir gewinnen viele neue Mitglieder. Wir versuchen, die Arbeiterklasse zu vereinigen. Ich möchte den deutschen Genossen sagen, dass die Möglichkeit eines revolutionären Aufstands besteht.'"
Dieser Aufstand - jetzt ist er da! Seit Wochen gibt es in Sri Lanka wegen der Wirtschaftskrise, mangelnder Versorgung der Bevölkerung und immensen Preissteigerungen Proteste. Das Land mit etwa 22 Millionen Einwohnern ist stark verschuldet. Den Menschen fehlt es an allem, Lebensmittel, Treibstoff, Medikamente. zu importieren. Parlamentspräsident Mahinda Abeywardana verkündete, dass Präsident Rajapaksa am kommenden Mittwoch zurücktreten werde.
Bedeutend war die Entwicklung in der Arbeiterklasse von Sri Lanka. Am 28. April gab es den ersten landesweiten Generalstreik seit 40 Jahren. Dazu hatten 1000 Gewerkschaften aufgerufen. Es folgte ein weiterer Generalstreik am 6. Mai, der durch einen sogenannten „Hartal“ ergänzt wurde. D. h.: auch Kleinbetriebe wurden geschlossen und die gesamte Wirtschaft kam zum Erliegen. Millionen Arbeiter auf der ganzen Insel legten die Arbeit nieder, auch in den Freihandelszonen, in Krankenhäusern, Schulen, Verwaltungen und im Verkehrswesen.
Es schlossen sich die Selbständigen, die arme Landbevölkerung und Kleinunternehmer an. Die Arbeiter schlossen sich über ethnische und religiöse Grenzen hinweg zusammen, also Singhalesen und Tamilen, Muslime, Christen, Hindus und Buddhisten. Das ist von besonderer Bedeutung, da die Herrschenden in Sri Lanka über Jahrzehnte, vor allem in Krisenzeiten, die nationalistische und ethnische Spaltung betrieben haben, was auch seine Wirkung hatte. Das heißt, dass das Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse sich gegen diese Spaltung entwickelt.
Rote Fahne News wird weiter berichten.