Politik / Kultur / Geschichte

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Was war los vor Madagaskar?

Zufällig liefen wir auf der Insel Föhr an einem Kleinauftritt des Hamburger Jochen Wiegandt (auch Gründer der einstigen Folk-Gruppe „Liederjahn“) vorbei. Neben eigenen Liedern, viele in Platt, beschäftigt er sich auch mit altem Liedgut. Eine Stärke seines Vortrags war, dass er uns als Publikum durch Fragen und Mitsingen einbezog.

Korrespondenz

Kräftig stimmten wir in den Gassenhauer „Wir lagen vor Madagaskar“ ein. Plötzlich verstummte die Gitarre, und er fragte: „Wie kann es sein, dass man von faulem Wasser die Pest bekommt? Wieso kommt hier Madagaskar ins Spiel. Zumindest der deutsche Kolonialismus war dort nicht aktiv?“ Seine Nachforschungen ergaben, dass das Lied um das Jahr 1930 entstanden sein muss. Zudem fand er es auch in den unterschiedlichsten Fassungen, aber hierzu etwas später.

 

Bei seiner Behauptung, es sei in Ebingen (heute Albstadt) im Schwarzwald entstanden zog er sich den Zorn anwesender Schwarzwälder und Älbler gleichzeitig zu. So blieb für den Interpreten auch was zu lernen.

 

Eine Fassung des oben genannten Liedes fand er im Liederbuch einer Jugendgruppe aus dem Rheinland („Edelweißpiraten“). Diese geriet 1937 ins Visier der Geheimen Staatspolizei der Hitler-Faschisten (Gestapo). Es diente ihnen als Spottlied gegen die Hitlerjugend: „So ging es um vor Madagaskar, den Navajos zur See. Die Pest (Hitlerjugend), die konnte uns nicht kriegen, denn unser Glaube siegt“. Das hatte den Hintergrund, dass sich die Hitlerjugend vielerorts als Streifendienst und „Kontrollorgan“ aufgeblasen hatte. In abgewandelter Form fand er das Lied in dem Heft „Gesammelte Lieder aus dem KZ Sachsenhausen von 1942“. Da hieß es „Als wir von Karakas kamen“.

 

Interessant war die musikalische Entwicklung. Geschrieben ist das Lied in Moll, und hat so eine bedrückende Wirkung. Irgendeinem der Hitler-Faschisten „vo dr´ Alb ra“ war aufgefallen, dass das Lied in Dur gespielt, mit besonderer Betonung bestimmter Textstellen ein „brauchbarer“ Marsch wurde. Ja, es war schon immer eine Stärke der Hitler-Faschisten, bei andern zu klauen - vor allem aus der Arbeiterbewegung und angefangen beim Begriff Sozialismus.

 

Begeistert hat uns, wie er mit der dialektischen Methode Texte verfolgt, und diese immer in einen gesellschaftlichen Zusammenhang stellt.

 

CD-Tipp: Jochen Wiegandt, „Hallo hier Hamburg“, Edel Verlag (www.edel.com)