Drohende Gasknappheit?

Drohende Gasknappheit?

Notfallplan Gas - Kampf der hemmungslosen Abwälzung der Energiemehrkosten auf die Massen

Am 23. Juni 2022 hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die sogenannte Alarmstufe 2 des "Notfallplans Gas" ausgerufen.

Von gis
Notfallplan Gas - Kampf der hemmungslosen Abwälzung der Energiemehrkosten auf die Massen
Norwegische Bohrinseln (shutterstock _1821817790)

Die Preise steigen schon lange - vor irgendeiner Knappheit

Die von Habeck ausgerufene Alarmstufe ist die zweite von insgesamt drei solcher Stufen im "Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland". Dieser basiert auf einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats vom Oktober 2017 und handelt von "Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung". Bisher gibt es noch keine Gasknappheit in Deutschland. Derzeit kommt insgesamt sogar mehr Gas ins Land, als verbraucht wird. Damit kann man die Gasspeicher weiter füllen. Am 23. Juni waren sie zu 58,65 Prozent gefüllt, das ist mehr als letztes Jahr um diese Zeit. Lange bevor jetzt seit Mitte Juni über die Hauptleitung Nord Stream 1 aus Russland vom Energiekonzern Gazprom tatsächlich nur noch 40 Prozent der bisherigen Menge fließen, stiegen die Gaspreise massiv. Sie sind jetzt bereits zum Teil 80 Prozent höher als im Vorjahr.

Weltweiter Wirtschaftskrieg

Nach Berechnungen der Bundesnetzagentur kann der gesetzlich angepeilte Gasspeicherstand von 90 Prozent am 1. Dezember ohne zusätzliche Maßnahmen kaum mehr erreicht werden, falls es bei den 40 Prozent über Nord Stream 1 bleibt. Nächsten Montag wird Nord Stream 1 wegen einer regulären jährlichen Wartung zehn Tage lang komplett abgedreht. Normalerweise läuft dann mehr Gas über die Ukraine-Pipeline, aber die ist wegen des Krieges nur eingeschränkt einsatzbereit. Hinzu kommt die Befürchtung, dass Russland Nord Stream 1 gar nicht wieder in Gang setzt. Die wirtschaftlichen Sanktionen der westlichen Imperialisten gegen Russland sind ein zweischneidiges Schwert. Am Kriegsverlauf änderten sie gar nichts. Importverbot für russische Kohle in den Westen, Betätigungsverbot für russische Speditionen, Ölembargo - da kann man sich leicht vorstellen, dass Russland die verminderten Gaslieferungen als Gegenschlag sieht. Schließlich kann es in die 154 Länder, die sich nicht an den Sanktionen beteiligen, ebenfalls Öl und Gas liefern. Im weltweiten Wirtschaftskrieg wollen die westlichen Imperialisten die Wirtschaft des imperialisischen Konkurrenten ruinieren.

Paukenschlag für hemmungslose Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten auf die Massen

Bis zu 9 Milliarden Euro soll nach den aktuellen Beschlüssen der Bundesregierung allein Uniper als Zuschuss oder Staatsbeteiligung erhalten. Das ermöglichen die Alarmstufen des Notfallplans Gas. "Per Gesetzesänderung soll es nun leichter werden, Energieunternehmen mit Staatshilfen 'zu stabilisieren'. Dies könne notwendig sein, um Marktprozesse aufrechtzuerhalten und Kaskadeneffekte zu vermeiden." (Kölner Stadtanzeiger 5. Juli 2022). "Stabilisieren" nennt man das also! In Wahrheit ist es Umverteilung auf zahlreichen Kanälen an die darbenden Energiemonopole. Und die Endverbraucher? "Ein weiteres Problem besteht darin, dass der Importeur derzeit die Mehrkosten beim Einkauf von Gas wegen längerfristiger Verträge nicht an die Kunden weitergeben können. Daraus entstünden deutliche finanzielle Belastungen, hatte Uniper bekanntgegeben." Mit dem "Weitergeben" der finanziellen Belastungen an die Massen über horrende Gasrechnungen tut man sich hingegen nicht schwer. Anders wie beim Tankrabatt, wo es mit dem "Weitergeben" der zeitweiligen Steuersenkung für Sprit an Pendler auch nicht geklappt hat.

 

Im Klartext heißt das nichts anderes, als dass der Gaspreis hemmungslos weiter erhöht werden kann. Eine rigorose Umverteilung zu Lasten der Masse der Verbraucher zugunsten der Energiekonzerne findet statt. Ein Zusatz zum Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz soll am Freitag beschlossen werden. Paragraph 29 ermöglicht es dem Bund, sich in die Gasimporteure einzukaufen. Die Unternehmen können diese „Stabilisierungsmaßnahme“ beim Wirtschaftsministerium beantragen, das gemeinsam mit Finanzministerium und Kanzleramt entscheidet. Zur Finanzierung soll der "reguläre Haushalt", also die Steuergelder der Massen, herangezogen werden. Die MLPD fordert: Keine Abwälzung der Krisen- und Kriegslasten auf die Massen! Kampf für Lohnnachschlag! Volle Übernahme aller Energiemehrkosten durch die Bundesrgeierung auf Kosten der Monopolprofite!

Bedeutsamer Streik der norwegischen Gasarbeiter

In der Nacht zum gestrigen Dienstag streikten die Arbeiter auf drei Nordsee-Bohrinseln, die vom mehrheitlich staatseigenen norwegischen Konzern Equinor (früher Statoil) betrieben werden. Eine von ihnen fördert täglich 40 Millionen Standardkubikmeter Erdgas, die in die Rohrleitungen Richtung Süden mit bis zu einem Meter Durchmesser eingespeist werden und bei Emden beziehungsweise Dornum die niedersächsische Küste erreichen. Das entspricht knapp einem Drittel der Erdgasmenge, die Norwegen zuletzt im Durchschnitt jeden Tag nach Deutschland exportiert hat. Es war der seit Jahrzehnten größte Streik in der Branche: "Wir werden systematisch gegenüber den anderen Beschäftigten benachteiligt, unsere Reallöhne sinken seit Jahren“, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende. "Die Konzerne verdienen kräftig an den gestiegenen Rohstoffpreisen.“ Mittels staatlicher Zwangsschlichtung hat die norwegische Regierung den gewerkschaftlichen Streik jetzt abgewürgt. Aber er bleibt ein hervorragendes Zeichen, wie sich Arbeiter nicht vor den Karren von Kriegshetze und Verzichtspropaganda spannen lassen.

Abstimmung gegen umweltpolitisch skandalöse Taxonomie scheitert

Vor wenigen Stunden hat das Europäische Parlament dafür gestimmt, Investitionen in Gas- und Atomstrom als "nachhaltig" zu klassifizieren. Gegnern im Parlament gelang es nicht, diese Pläne mit einer Abstimmung zu stoppen. Statt der erforderlichen 353 Abgeordneten votierten im Plenum in Straßburg lediglich 278 gegen die Taxonomie. Damit gelten Gas- und Atomstrom als "umweltfreundlich". Investoren können sich aus dem "Klimafonds" bedienen. Die Abstimmung stand natürlich auch unter dem Verdikt "Putin dreht den Gashahn zu." Für die gefährlichsten und die Lebensgrundlagen der Menschheit bedrohenden Technologien Beihilfen aus einem "Klimafonds" abrufen - absurder geht es nicht. Zumal Atomkraftwerke auch für die Herstellung von Atomwaffen notwendig sind. "In der ökologischen Weltkrise", so die Studie der MLPD "Der Ukrainekrieg und die offene Krise des imperialistischen Weltsystems, "offenbart sich die ganze Fäulnis und Überlebtheit des imperialistischen Weltsystems. Anerkennung und bewusste Verarbeitung dieser Entwicklung sind entscheidend, damit die Massen einen gesellschaftsverändernden Umweltkampf unter Führung der Arbeiterklasse mit der Perspektive des echten Sozialismus führen."