USA: Skandalöses Urteil gegen Recht auf Schwangerschaftsabbruch

USA: Skandalöses Urteil gegen Recht auf Schwangerschaftsabbruch

„Ich bin nicht euer verdammter Brutkasten“

Mit diesem und anderen Plakaten brachten Zehntausende ihre Wut und ihren Protest in vielen Städten der USA zum Ausdruck. Er richtete sich gegen das am 24.6. ausgesprochene Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA.

Von bl
„Ich bin nicht euer verdammter Brutkasten“

Dieser kippte nach fast 50 Jahre das als "Roe vs. Wade" bekannte Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1973. Dieses sicherte den Frauen grundsätzlich das Recht zu, selbst zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft austragen oder abbrechen wollen. Darüber hinaus durften die für die entsprechende Gesetzgebung verantwortlichen Bundestaaten Abtreibungen im ersten Drittel der Schwangerschaft gar nicht verbieten und später nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen.

 

Seit 1973 machen sogenannte meist religiös-fundamentalistische eingestellte „Pro-Life“-Aktivisten gegen das Gesetz mobil. In den letzten Jahren hat sich die Auseinandersetzung um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch als Teil der Rechtsentwicklung polarisiert. Die verschärften Gesetze bzw. Gesetzesentwürfe einiger Bundesstaaten, das Durchsickern des Urteilsentwurfs im Frühjahr dieses Jahres wurde mit Massenprotesten vor allem von Frauen beantwortetet. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“, erklärte ganz bibelfest eine Aktivistin.

 

Bejubelte doch der Faschist Donald Trump das Urteil als „Entscheidung Gottes“. Dabei hat er selbst mit der massiven Förderung der Pro-Life-Bewegung und mit der Berufung von drei reaktionären Richtern, darunter die Katholikin und stramme Abtreibungsgegnerin Amy Coney Barrett, diese Entscheidung gezielt mit herbeigeführt.

 

Nun können die einzelnen Bundesstaaten Abtreibungen erlauben, einschränken oder gänzlich verbieten. Kaum war das Urteil gefällt, sagten Kliniken in Texas und Arkansas geplante Abbrüche ab. Neun Länder setzten ihre unter Vorbehalt verabschiedeten restriktiven Abtreibungsgesetze in Kraft, sechs weitere werden in den nächsten Wochen folgen. So Texas, wo Abtreibung ab dem Zeitpunkt, zu dem der Herzschlag des Kindes gemessen werden kann, also ab der 6. Woche, verboten ist. Meistens wurde die Schwangerschaft bis dahin noch gar nicht festgestellt. Rund 40 Millionen Frauen im gebärfähigen Alter leben nun in Bundesstaaten, in denen Abtreibungen bereits verboten oder nur sehr eingeschränkt möglich sind bzw. sein werden. Einige Bundesstaaten wollen den Frauen sogar verbieten, einen Schwangerschaftsabbruch in einem andern Staat vornehmen zu lassen.

 

Staaten wie New York dagegen haben sich zum „sicheren Hafen“ für betroffene Frauen erklärt. Aber ungewollt Schwangere, die es sich nicht leisten können, tausende Kilometer in einen anderen Bundesstaat zu reisen, werden gezwungen, die Schwangerschaft auszutragen oder sich auf unsichere, gefährliche Schwangerschaftsabbrüche einzulassen. Und das sind immer mehr Frauen. 43% der 330 Millionen Menschen in den USA sind arm oder Geringverdienende. In einem der reichsten Länder der Welt. Das legte der Marsch der Armen offen, bei dem am 19. Juni Tausende in Washington gegen die steigende Armut, gleichzeitig steigende Rüstungsausgaben, Angriffe auf Arbeiterrechte demonstrierten.

 

Davon will die Partei Joe Bidens wohl ablenken und gleichzeitig die Proteste auf ihre Mühlen lenken, wenn sie den Schwangerschaftsabbruch zum wichtigen Wahlkampfthema für die Kongresswahlen im November macht. Die Frauen in den USA und auf der ganzen Welt müssen den Kampf um ihr Recht auf Selbstbestimmung als Teil des Kampfes gegen die ganzen Lebensverhältnisse, die ihnen der Imperialismus aufdrückt, führen. „Lebensschutz“ spielt im erbitterten Konkurrenzkampf um Märkte, Ressourcen, Einflusssphären bis hin zur Vorbereitung eines 3. Weltkriegs keine Rolle. Er wird allerdings immer dann angeführt, wenn es in Wirklichkeit um die Kontrolle der Schaffung und Erhaltung menschlichen Lebens entsprechend der Erfordernisse des Systems der Ausbeutung und Unterdrückung geht.

 

Tatsächliche Selbstbestimmung und Lebensschutz kann es erst in einer Gesellschaft ohne Ausbeutung, Unterdrückung, Krieg und Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen geben. Wie die Frauen ihre Rolle im Kampf darum einnehmen, wird auch ein wichtiges Thema bei der 3. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen sein, die im September in Tunesien stattfinden wird.

 


Quellen:
www.dw.com, 03.05.2022
tagesschau.de, 26.06.2022
sueddeutsche.de, 26.06.2022
taz.de, 20.06.2022