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34 Jahre nach dem Massenmord im Iran findet nun endlich der Prozess gegen einen der Täter statt!

Die "Rote Fahne" führte zu diesem Prozess ein Interview mit Zaman Masudi. Sie wurde im Iran politisch verfolgt und lebt in Deutschland. Als stellvertretende Europakoordinatorin der Weltfrauenkonferenz ist sie eine Aktivistin der internationalen kämpferischen Frauenbewegung und des Frauenpolitischen Ratschlags in Deutschland.

Von Interview
34 Jahre nach dem Massenmord im Iran findet nun endlich der Prozess gegen einen der Täter statt!
Demonstration und Fotoausstellung der Stiftung Iran Tribunal

Ehemalige politische Gefangene, die in der Stiftung Iran Tribunal organisert sind, haben am 3. Mai 2022 zu Demonstrationen aufgerufen, und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer aus verschiedenen Ländern waren zum letzten Prozesstag gegen Hamid Nour nach Stockholm gereist. Die Demonstration war mit einer Foto-Ausstellung verbunden. Zaman Masudi war dabei. Sie ist ist Mitglied der Stiftung Iran Tribunal.

 

Rote Fahne: Warum soll der Iraner Hamid Nouri in Schweden zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden?
Zaman Masudi: Nach dem Ersten Golfkrieg, dem Krieg zwischen dem Irak und Iran, der vom 22. September 1980 bis zum 20. August 1988 dauerte, reiste eine UN-Delegation in den Iran und den Irak. Die Führung der Islamischen Republik behauptete, dass es in den iranischen Gefängnissen keine politischen Gefangenen gäbe. Das iranische Staatsoberhaupt, Ayatollah Khomeini, setzte ein Todeskommando ein, das in einer Nacht- und Nebelaktion zehntausende politischer Gefangenen hinrichtete. Zu deren Leitern gehörten u.a. Hossein Ali Nayeri, Mosaffapour Mohammadi, Morteza Eshraghi und Ebrahim Raissi. Raissi ist derzeit Präsident der Islamischen Republik Iran. Hamid Noiri, der im Gefängnis mit Decknamen Hamid Abassi genannt wurde, wird beschuldigt, an den Massenmorden beteiligt gewesen zu sein. Er wurde am 9.11.2019 auf dem Stockholmer Flughafen festgenommen. Im August 2020 begann der Prozeß gegen ihn, für den mehr als 90 Anhörungen angesetzt wurden. Hamid Noiri wurde angeklagt, im Gouhardascht-Gefängnis unter der Führung des Todeskommandos gearbeitet zu haben. Die Staatsanwälte im Stockholm haben für Hamid Nouri eine lebenslange Haftstrafe beantragt.

 

Rote Fahne: Warum ist der Prozess gegen Hamid Nouri nach 34 Jahren so wichtig?
Zaman Masudi: Es ist nicht nur ein Prozess gegen Nouri, sondern er weist auch auf weitere Täter hin und hat damit eine Bedeutung für die Klärung des Ausmaßes dieser Verbrechen. Schweden verfolgt den Fall nach dem Grundsatz der universellen Gerichtsbarkeit. Es ist das erste Mal, dass vor einem offiziellen Gericht ein Beschuldigter der Ermordung politischer Gefangener angeklagt wird. Im Verlauf des Prozesses wurde oft der Name des jetzigen iranischen Präsidenten Ebrahim Raissi genannt, damals stellvertretender Staatsanwalt und Mitglied des Hinrichtungskommandos. Normalerweise werden die Verbrechen von Diktatur-Regimes – wenn überhaupt – erst nach ihrem Sturz behandelt. Aber mit der Anklage und der Verurteilung von Hamid Nouris passiert schon eine Anklage gegen die islamische-faschistische Republik und ihre Führer.

 

Rote Fahne: Wer alles war Zeuge oder Kläger in diesem Prozess?
Zaman Masudi: Es nahmen Personen mit unterschiedlichen politischen Ansätzen als Zeugen und Kläger teil. Die revolutionären Gruppen politischer Ex-Gefangener konzentrierten sich darauf, das Regime der Islamischen Republik zu entlarven und das ganze Ausmaß der Verbrechen aufzudecken. In den ersten zwei Jahren nach dem Sturz des Schahs durch Khomeini herrschte eine Atmosphäre der Revolution. Die Mitglieder der Organisationen wie Peykar Organisation, Komala, Volks-Fedayean Guerill Organiation, Sahand und Rah-e Kargar waren von Verfolgung betroffen. Und sie waren auch die Hauptkräfte, die von Anfang an gegen Chomeini ihre Stimme erhoben und die Revolution verteidigt haben. Am Sturz des Schah beteiligt waren Mitglieder der Volks-Mujahedin, der Tudeh-Partei, Liberale und auch kleinere Organisationen wie Ranjbaran. Sie stellten sich dann aber nicht gegen Chomeini, sondern hatten Hoffnung auf Beteiligung an der Macht.

 

Rote Fahne: Welche Rolle spielte die schwedische Justiz in den Prozess?
Zaman Masudi: Die schwedische Justiz reagierte positiv, sehr kooperativ. Ich gehe davon aus, dass die schwedische Justiz auch unabhängig von der schwedischen Regierung handelt. Wir müssen abwarten, was sonst noch hinter den Kulissen zwischen der schwedischen Regierung und dem Regime der Islamischen Republik passiert. Es ist das erste Mal, dass ein Iraner wegen Beteiligung an dem Massaker an politischen Gefangenen im Jahre 1988 festgenommen und im Ausland vor Gericht gestellt wurde. „Das ist der erste wichtige Schritt in Richtung Gerechtigkeit für die Hinrichtungen von 1988“, sagte Agnes Kalamard, die UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Tötungen.

 

Rote Fahne: Welche prominenten iranischen Politiker werden beschuldigt, an den Massakern von 1988 beteiligt gewesen zu sein?
Zaman Masudi: Der Prozess gegen Nouri scheint auch den Präsidenten Raissi getroffen zu haben. Ehemalige hochrangige UN-Richter und UN-Inspektoren haben Michel Bachelet, den UN-Hochkommissar für Menschenrechte, gebeten, die Ermordung politischer Gefangener im Iran im Sommer 1988 und dabei insbesondere die Rolle von Raissi zu untersuchen. In einem offenen Brief von 460 prominenten Persönlichkeiten, darunter Sang Hyun Sang, ehemaliger Leiter des Internationalen Strafgerichtshofes und Stephen Rapp, ehemaliger US-Botschafter, heißt es, dass die an dem Massaker Beteiligten „weiterhin Immunität genießen. Dazu gehören der derzeitige Präsident des Iran, Ebrahim Raissi und der Chef der Justiz, Gholamhossein Mohseni Ejei“. Raissi, der seine Präsidentschaft im Sommer 2021 antrat, war einer von vier Personen, der über die Ermordung der Gefangenen entschied. Auf die Frage nach seiner Rolle sagte er, er sei stolz auf seine Rolle damals.

Die Hauptfiguren dieser vierköpfigen Gruppe, Todesschwadron genannt, sind Hossein Ali Nayeri, damaliger Scharia-Herrscher, Moreza Eshraqi, damaliger Staatsanwalt, Ebraihim Raissi, damaliger ehemaliger Staatsanwalt und Mostafa Pourmohammaddi, damaliger Vertreter des Geheimdienstministerium im Evin-Gefängnis. Ihre Namen wurden während des Prozesses gegen Nouri immer wieder von Klägern und Zeugen genannt. Jeffrey Robertson, internationaler Richter aus Großbritannien war per Video zugeschaltet beim Prozess gegen Nouri. Er sagte: „Ich denke, die Khomeini-Regierung hat nach dem Iran-Irak-Krieg beschlossen, die interne Opposition zu vernichten, von Volks-Mudschaheddin, auch Linke, Kommunisten, Marxisten und Bahai. Ihnen wurde 'Molhed' vorgeworfen, sie seien Feinde Gottes“.

 

Rote Fahne: Im Iran haben sich seit dem 1. Mai dieses Jahres Massenaufstände für Brot, Arbeit und Freiheit entwickelt. Welche Bedeutung hat der Prozess in dieser Situation?
Zaman: Eine sehr große! Wir können den Prozess nutzen, um auf den Aufstand aufmerksam zu machen. Und für internationale Solidarität zu werben. Damit kann auch international der Druck auf des Regime erhöht werden. Das ist angesichts Zehntausender politischer Gefangener im Iran und ständigen weiteren Verhaftungen, Freiheitsberaubung und Folter auch dringend geboten!

 

Rote Fahne: Herzlichen Glückwunsch zu diesem Meilenstein im Kampf um Gerechtigkeit, den iranischen Massen Erfolg in ihrem Kampf und vielen Dank für das Gespräch!