Sanktionen gegen China
BDI-Chef Russwurm und die "wertebasierten" Geschäfte deutscher Monopole
Die Widersprüche innerhalb der NATO, der Bundesregierung und der führenden Monopole verschärfen sich nicht nur hinsichtlich der Kriegsführung in der Ukraine, sondern nun auch zum Vorgehen gegenüber China.
Ein Ausgangspunkt ist die Drohung von US-Präsident Joe Biden während einer Pressekonferenz in Tokio am 22. Mai, Taiwan auch militärisch gegen einen Angriff Chinas zu unterstützen. Auf die Frage einer Journalistin, ob die USA dies tun würden, antwortete er: "Ja. ... Das ist eine Verpflichtung, die wir eingegangen sind." Und das, obwohl Taiwan gar kein NATO-Land ist, für das eine Beistandsgarantie gilt.
Der chinesische Außenminister Wang Yi reagierte nicht minder aggressiv. China habe "keinen Raum für Kompromisse oder Zugeständnisse", wenn es um "Kerninteressen der Souveränität und territorialen Integrität" geht und "niemand sollte die starke Entschlossenheit, den festen Willen und die mächtigen Fähigkeiten" Chinas unterschätzen. Das zeigt, dass sich auch im pazifischen Raum ein gefährlicher Brandherd der akuten Weltkriegsgefahr entwickelt.
Lancierte Kampagne um "Xinjiang Police Files"
Passend dazu wurde in den westlichen Medien eine Kampagne gegen die Menschenrechtsverletzungen Chinas lanciert. Dazu dienen just zu diesem Zeitpunkt aufgetauchte Fotos ("Xinjiang Police Files") über faschistische Methoden der Unterdrückung uigurischer Häftlinge in Straflagern. Sie tauchen zufällig dann auf, wenn es den USA und anderen in den Kram passt. Während Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) den chinesischen Außenminister in einer einstündigen Videokonferenz am 23. Mai zur Rede stellt, verliert sie allerdings kein Wort über ähnliche Zustände in US-Gefangenenlagern - etwa in Guantanamo oder Abu Ghraib.
Andere bürgerliche Politiker wie der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer fordern nun auch Sanktionen gegen China. Deutsche Konzerne wie BASF oder VW, die in der Provinz Xinjiang Standorte haben, sollten sich aus China zurückziehen.
Russwurms Sorgen um das "Exportland Deutschland"
Das geht nun allerdings den führenden deutschen Monopolen zu weit. Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), warnt im Interview mit dem Deutschlandfunk: "Pauschalurteile gegen das Land China in all seiner Vielfalt helfen uns nicht weiter. ... Wenn wir nur mit den liberalen Demokratien Geschäfte machen wollen, dann wird die Welt für das Exportland Deutschland ziemlich eng. ... Die Folgen von Sanktionen gegen China wären natürlich dramatisch. Wer leichtfertig davon spricht, eine Entkopplung von China anzugehen, der muss wissen, wie stark und wie groß dieser Markt und diese Wirtschaftsmacht ist."
Abgesehen davon, dass die mediale Empörung über die Menschenrechtsverletzungen in China äußerst scheinheilig ist, offenbart Russwurm damit seine durch und durch "demokratische" Gesinnung. Wenn es um die Geschäfte der deutschen Monopole geht, tun faschistoide oder faschistische Regierungsmethoden in anderen Ländern nun wirklich nichts zur Sache.
"Wertebasiert" durch und durch
Dabei sind sich die bürgerlichen Kritiker Russwurms, die sich sofort zu Wort meldeten, im Kern mit ihm durchaus einig. So räumt der in den USA lebende deutsche Ökonom Rüdiger Bachmann freimütig ein, niemand habe verlangt, dass man nur noch mit liberalen Demokratien Geschäfte machen solle. "Aber man wird eben schon Abhängigkeitsstrukturen überdenken müssen“, so Bachmann gegenüber der FAZ. Auf gut deutsch: Raus aus den Geschäftsbeziehungen mit den imperialistischen Hauptrivalen China und Russland, um gegen sie den Weltkrieg vorbereiten zu können - rein in zusätzliche Geschäfte mit faschistischen Regimes wie in Katar oder der Türkei.
Soviel zur "wertebasierten" Politik der westlichen imperialistischen Mächte und ihrer grünen Vorbeter Baerbock und Bütikofer! Der wichtigste Wert, auf dem ihre Politik beruht, ist das Streben nach Maximalprofiten und Weltmarktführung. Dafür will Russwurm die Vorteile für den BRD-Imperialismus aus den Handels- und Finanzbeziehungen mit China nicht verlieren.
Zauderer Scholz?
Ganz im Sinne Russwurms erteilte auch Bundeskanzler Olaf Scholz beim Weltwirtschaftsforum in Davos einer "bipolaren Welt" mit den Supermächten USA und China als Führungsnationen eine Absage. Die Welt müsse vielmehr "multipolar und multilateral mit vielen Kraftzentren" sein.
Damit verfocht er die besonderen Interessen des deutschen Imperialismus mit seiner hohen Exportabhängigkeit, seiner engen Verflechtung mit der chinesischen Wirtschaft und als bisherige Führungsmacht innerhalb der EU. Die USA, Großbritannien und ein Teil der EU-Staaten haben dagegen ein Interesse an der Durchtrennung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland und China, um die jeweils eigenen Monopole zu stärken.
Unüberbrückbare Risse
In den bürgerlichen Medien wird es oft so dargestellt, als ob Scholz ein "Zauderer" wäre. Dahinter stecken aber massive Widersprüche zum offenen Kriegskurs nicht nur an der Basis der SPD und der SPD-Wähler, sondern auch unter den führenden Monopolen Deutschlands. So hat sich VW-Chef Herbert Diess ausdrücklich auch gegen eine Aufgabe des russischen Marktes ausgesprochen. Und Ola Källenius, Chef von Mercedes-Benz, verkündet nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Scholz noch Mitte April: "Deutschland (muss) handlungsfähig bleiben. Dafür braucht es jederzeit Energie aus dem Osten." Andere Teile der Monopole stehen für eine engere Anbindung an die USA.
In der demonstrativ zur Schau getragenen Einigkeit der NATO klaffen unüberbrückbare Risse zwischen den internationalen Übermonopolen und ihren imperialistischen Regierungen um die Frage, mit welchen Mitteln sie sich politisch, ökonomisch und militärisch einen Vorteil im Kampf um die Weltherrschaft verschaffen. Auch das gilt es im Kampf gegen die akute Weltkriegsgefahr und für eine internationale sozialistische Revolution bewusst in Rechnung zu stellen und auszunützen.