Argument
Gemischte Gefühle beim Homeoffice-Mix
Bedenken, dass mit der Aufhebung der gesetzlichen Verpflichtung das Homeoffice Geschichte würde, waren von vorne herein grundlos. Am 21. März überschlugen sich die Bekenntnisse zur Fortsetzung und des weiteren Ausbaus der Homeoffice-Arbeit: Die Bayer, Evonik, Eon, Henkel, Thyssenkrupp, L'Oreal ebenso wie Allianz, Ergo, Post, Telekom und wie sie alle heißen.
Laut Umfragen nutzen nicht nur Banken und Versicherungen (zu 80 Prozent), IT-Dienstleister (zu 75 Prozent) und Medien und Kultur (zu 68 Prozent) mehrheitlich das Homeoffice. Auch die Autoindustrie (zu 68 Prozent) tut das in den Bereichen Vertrieb, Fahrzeugentwicklung und Werksplanung. Die Begeisterung der Kapitalisten hat weder etwas mit Gesundheitsfürsorge, noch mit plötzlicher Nächstenliebe der Monopole zu tun. Die Verpflichtung in der Corona-Pandemie war für die Monopole die Möglichkeit, mit Heimarbeit in Dauerisolation einen schlagkräftigen Lockdown zu umgehen und die Testungen zu minimieren.
Zugleich nutzten sie die Pandemie als umfassende Erprobungs- und Entwicklungsphase für die schon länger geplante Umstrukturierung der Abläufe. „Die Corona-Krise hat einen Digitalisierungsschub ausgelöst“, stellt Vorstandschef Roland Busch von Siemens fest. So wurde das frühere Angebot auf mobiles Arbeiten für bis zu 20 Prozent auf über 50 Prozent der Beschäftigten ausgeweitet. Das sind 140.000 weltweit und 45.000 in Deutschland. Ein Mix aus Büroarbeit und Heimarbeit soll das jetzt „Neue Normal“ („MobileWorking im NewNormal“) werden.
In der Kombination der Vorzüge des Büros mit denen des mobilen Arbeitens haben die Unternehmen eindeutig die Trümpfe in der Hand: Zunächst in der Senkung der Kosten durch deutliche Reduzierung der Büroräume und Abwälzung der steigenden Mietkosten auf die Beschäftigten. Vor allem aber durch Steigerung der Arbeitsproduktivität.
Die Aufhebung der Homeoffice-Pflicht beendet die Isolation, die für die Mehrzahl aufgrund des fehlenden persönlichen und fachlichen Austauschs sehr belastend war. (Mehr dazu hier.) Das Büro des „New Normal“ wird „zur zentralen Anlaufstelle für kreative Zusammenarbeit und persönlichen sozialen Austausch, zu einem Ort für das Wir-Gefühl und die Zugehörigkeit zu einem Team und einem Unternehmen“.¹
Die Win-Win-Situation besteht dabei angeblich in der Wahlmöglichkeit des Arbeitsplatzes (bis zu 50 Prozent der Arbeitszeit) und mehr Selbstbestimmung. Aber auch in der neuen Unternehmenskultur zählen immer „Ergebnisse über Präsenz“. Denn auch an dem Neuen ist die Ausbeutung der Ware Arbeitskraft das Normal. Die Kapitalisten sind in der hochmodernen Produktion mehr denn je auf die Schöpferkraft der Arbeiter und Angestellten angewiesen, und auf deren Identifikation mit den Unternehmenszielen. Das heißt: Der Unterordnung der Klasseninteressen unter die Profitinteressen der Monopole.
Mit dem Homeoffice wird diese Kreativität der Arbeiter und Angestellten bis in die Familien hinein besonders gefordert und ausgebeutet. Oft fehlen schon ergonomische Arbeitsplätze und auch die Versicherung von Unfällen am häuslichen Arbeitsplatz ist umstritten. Einerseits lässt die Heimarbeit mehr eigene Gestaltung des Tagesablaufes zu. Unter dem Diktat „Ergebnisse über Präsenz“ werden aus der „Selbstbestimmung“ aber schon mal ruck-zuck aufgrund anderer Belastungen in den Familien mehr Überstunden.
Überhaupt endet das selbstbestimmte Recht auf Mobilarbeit an der Freiwilligkeit des Vorgesetzten.
Bei einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich wüsste stattdessen jeder Kollege und jede Kollegin mit ihrer Zeit etwas sinnvolles anzufangen – ohne gemischte Gefühle.