Versammlungsgesetz NRW

Versammlungsgesetz NRW

Es ist nicht erlaubt, „diskussionsfreudige Versammlungsteilnehmer mundtot zu machen“

Unter Berufung auf das seit Januar 2022 geltende neue Versammlungsgesetz NRW hat es inzwischen wieder Versuche gegeben, Vertreter von MLPD oder Rebell aus Versammlungen gegen den Ukraine-Krieg oder Fridays-for-Future auszuschließen, nur, weil sie Flugblätter verteilt oder Plakate oder Fahnen gezeigt haben, die den Veranstaltern nicht genehm waren.

Rechtsanwalt Frank Jasenski von der Kanzlei Meister & Partner

Auch dieses neue Versammlungsgesetz gibt den Versammlungsleitern nicht das Recht, Teilnehmer deswegen aus einer Versammlung auszuschließen. Nach § 6 Abs. 4 des Gesetzes kann der Versammlungsleiter – allerdings nur mit Zustimmung der Polizei – Personen ausschließen, die die „Ordnung der Versammlung erheblich stören“. Das Vertreten einer von der Meinung des Veranstalters abweichenden Meinung ist aber keinesfalls eine solche „Störung der Ordnung“.

 

Es gilt nach wie vor das, was das Bundesverfassungsgericht bereits 1990 entschieden hat: „Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit schützt nicht nur solche Teilnehmer vor staatlichen Eingriffen, die die Ziele der Versammlung oder die dort vertretenen Meinungen billigen, sondern kommt ebenso denjenigen zugute, die ihnen kritisch oder ablehnend gegenüberstehen und dies in der Versammlung zum Ausdruck bringen wollen“ (Az. 1 BvR 772/90).

 

So stellt auch der führende versammlungsrechtliche Kommentar zum Versammlungsrecht von Dietel/Gintzel/Kniesel klar: „Weisungen, die Äußerung einer Gegenmeinung verbieten (Mitführen eines Spruchbands, dessen Aussage den Intentionen der vom Veranstalter oder Leiter vorgesehenen Demonstration widerspricht) sind unzulässig. Die Polizei hat das Recht des Teilnehmers gegen Leiter und Ordner zu schützen.“

 

Auch der neu eingeführte § 7 („Störungsverbot“) betrifft nicht das Äußern von abweichenden Meinungen. In der Gesetzesbegründung heißt es eindeutig: „Das Ziel des Störungsverbots ist es nicht etwa, diskussionsfreudige Versammlungsteilnehmer mundtot zu machen.“

 

Das Verteilen von Flugblättern, das Mitführen von Plakaten, Transparenten oder Fahnen und die Durchführung des „offenen Mikrophon“ während einer Demonstration sind daher auch nach dem neuen Gesetz keine „erheblichen Störungen“, die einen Versammlungsausschluss rechtfertigen könnten. Im Gegenteil, es ist die Wahrnehmung der Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Alle Versuche, dies durch Ordner einzuschränken sind rechtswidrig und zurückzuweisen.

 

Dort, wo dies trotzdem versucht oder von der Polizei gar durchgesetzt wird, ist es wichtig, dies öffentlich zu machen, und, wenn nötig, auch juristische Schritte einzuleiten, z.B. Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Polizei.