Nicht nur in Gelsenkirchen
Ein toller Streiktag zum internationalen Frauentag 2022
Ein kämpferischer Demonstrationszug der Gewerkschaft ver.di mit ca. 450 Streikenden aus dem Sozial-und Erziehungsdienst mit ver.di Fahmen und Transparenten zog am 8.3. durch die Gelsenkirchener Innenstadt - angeführt von einer Sambagruppe.
Besonders laut wurde es, als der Demozug am Hans-Sachs-Haus ankam. Hier ist schließlich der Sitz der Oberbürgermeisterin Karin Welge, die ja auch Präsidentin der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber ist. Sie hatte in Pressemitteilungen nochmal betont, wie überzogen die Forderungen seien. ErzieherInnen würden ja schließlich nach acht Jahren im Beruf 3800.- Euro brutto verdienen. Tja, da ist wohl jemand in der Gehaltstabelle in der Zeile verrutscht!
Auf der Abschlusskundgebung machten die verschiedenen Rednerinnen und Redner nochmal deutlich: Das ist kein Kita-Streik, sondern ein Streik aller Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst, und es geht nicht um mehr Geld für Erzieherinnen, sondern um Aufwertung, bessere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung und vor allem um mehr Fachkräfte.
Dazu zwei Kolleginnen aus der Kita in ihrer Rede: "Es ist immer noch so, dass Frauen weniger verdienen als Männer. ... Wir nehmen es nicht länger hin, dass wir Beschäftigten in diesen typischen Frauenberufen schlechter bezahlt werden als z.B. in typischen Männerberufen. Wir betreuen und fördern die Kinder, wir schützen das Wohl der Kinder, wir unterstützen Kinder, Jugendliche und Familien in schwierigen Situationen. Wir leisten einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag."
Wichtig war ihnen dabei auch, gerade am Internationalen Frauentag, Antworten darauf zu geben, warum das so ist: "Nun, weil in diesen typischen Frauenberufen ja auch hauptsächlich Frauen arbeiten. Und wir Frauen stehen nun mal dem Betrieb nicht uneingeschränkt zur Verfügung. Wir bekommen die Kinder, pflegen Angehörige, betreuen die kranken Kinder zu Hause. ... Auch wenn der Einspruch von manchem Kollegen kommt, dass auch er in den Erziehungsurlaub geht, bleibt es doch eine Ursache dafür, dass typische Frauenberufe schlechter bezahlt werden. Dabei arbeiten wir nicht nur als Zuverdienst. Wir Frauen müssen von unserem Verdienst leben und eine Familie ernähren können. Und später müssen wir von unserer Rente leben können. ... Nicht erst seit Corona ist uns Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst klar, wie wichtig unsere qualifizierte Arbeit für die Kinder, für die Jugendlichen und Familien – für diese Gesellschaft ist. In dieser Gesellschaft, oder besser in dieser kapitalistischen Gesellschaft, steht aber der Profit im Mittelpunkt und nicht der Mensch."
Besonders klar wurde von ihnen herausgearbeitet, warum es genau richtig ist, zu streiken:
"Wenn jetzt das Argument kommt, wir streiken auf dem Rücken der Kinder – sagen wir: Nein – wir streiken für die Kinder!
Wenn jetzt das Argument kommt, wir streiken und aus der Ukraine fliehen Frauen und Kinder – sagen wir: Nein – wir brauchen mehr Fachkräfte für die Betreuung traumatisierter Kinder und Frauen.
- Ja - wir streiken, weil wir für all diese Krisen nicht verantwortlich und weil wir am Limit sind.
- Ja - wir streiken, weil Schluss sein muss, dass junge Kolleginnen und Kollegen in der Sozialarbeit verheizt werden!
- Ja - wir streiken, weil Kinderpflegerinnen und -pfleger besser eingruppiert werden müssen! ...
- Ja - wir streiken, weil wir eine gute qualifizierte Arbeit für die Kinder, die Jugendlichen und die Familen machen wollen.
- Ja – wir streiken für mehr Aufwertung, bessere Arbeitsbedingungen, eine bessere Bezahlung und mehr Fachkräfte in den sozialen Berufen!"
Ein Kollege berichtete anschaulich über die schwierigen Arbeitsbedingungen im Allgemeinen Städtischen Sozialdienst.
Carmen Dachner vom Frauenverband Courage und Lothar Jacksteit, Vorsitzender der GEW Gelsenkirchen, überbrachten kämpferische Solidaritätsgrüße. In ihrer Pressemitteilung zum gestrigen Internationalen Frauentag schreibt die Gelsenkirchener Gruppe von Courage: "Mit besonderer Freude begrüßten und beglückwünschten wir Frauen der Gewerkschaft ver.di, die gerade von ihrem Streiktag und erfolgreichen Startschuss ihrer Tarifrunde für Beschäftigte in Sozial- und Erziehungsberufen kamen. Ein besserer Tag wie der Internationale Frauentag war dafür nicht auszudenken! Sie sprachen engagiert über ihre Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen, nach höheren Löhnen und Gehältern und gegen Fachkräftemangel, wofür sie große Solidarität erhielten. Protestiert wurde bei unserer Aktion auch gegen die unterdurchschnittliche Bezahlung von Frauenberufen, die steigende Inflation und Abwälzung der Belastungen der Corona-Pandemie insbesondere auf die Frauen und ihre Familien. Eine gute Sache wäre, solche Streiktage am 8. März auch in Zukunft durchzuführen. Beide Aktionen – der Streiktag und unsere Kundgebung – passten jedenfalls wunderbar zusammen."
Ein Schlaglicht auf die bundesweite Bedeutung des Streiktags und die Solidarität wirft die Solidaritätserklärung von der MLPD Halle: "Wir solidarisieren uns mit eurem berechtigten Kampf für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Die wachsende Inflation, die steigenden Preise sorgen dafür, dass unser Geld immer weniger wert wird. Bis heute sind die Schulen und Kindertageseinrichtungen nicht mit ausreichenden Luftfilteranlagen ausgestattet und immer noch sind die Gruppengrößen nicht verkleinert und es gibt kein ausreichendes Personal. Trotz alledem habt Ihr Euch mit aller Kraft für das Wohl unserer Kinder eingesetzt. Für die Aufrüstung der Bundeswehr, einer imperialistischen Armee, werden 100 Milliarden Euro von einem Tag auf den anderen durch die SPD/Grünen/FDP-Regierung bewilligt."
Dieser Streiktag am 8. März, dem Internationalen Frauentag, war erst der Anfang! Für diese Tarifauseinandersetzung brauchen die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst einen langen Atem und noch viel Unterstützung und Solidarität.