Argument
Demokratie beim IOC? Fehlanzeige!
Die IOC-Regel Nr. 50 besagt unter anderem, dass den Athleten während olympischer Wettkämpfe politische Meinungsäußerungen untersagt sind. Diesen Maulkorberlass hatten schon 1968 die beiden US-Sprinter John Wesley Carlos und Tommie Smith während der Olympischen Spiele in Mexico zu spüren bekommen.
Nachdem sie bei der Siegerehrung mit erhobener Faust im schwarzen Handschuh gegen Rassismus und für die US-amerikanische schwarze Bürgerrechtsbewegung ein Zeichen setzten, wurden sie sofort aus dem US-amerikanischen IOC ausgeschlossen. Mit dem Maulkorberlass will der IOC verhindern, dass die kräftigen Kapitalflüsse mächtiger Gastgeberländer und Sponsoren, egal ob in den USA, in Russland oder jetzt in China, mit kritischen Statements von Athleten gestört werden.
IOC-Präsident Thomas Bach erntete vor den olympischen Spiele in Peking von zahlreichen Athleten heftige Kritik für seine Darstellung der Spiele in Peking als eine unpolitische Veranstaltung. In einer Pressekonferenz verteidigte er den Maulkorberlass: „Wenn ein Schauspieler in einem Theater Hamlet spielt, fragt auch keiner, ob er während des Stücks politische Meinungen äußern kann“. Abgesehen davon, dass so etwas tatsächlich schon vorgekommen ist: Wenn fadenscheinige Ausflüchte für ein fehlendes Demokratieverständnis eine olympische Disziplin wären, Herr Bach hätte einen Podestplatz sicher.
Die Olympischen Spiele waren noch nie unpolitisch. Von ihrer Wiederbelebung im Jahr 1894 bis zu den heutigen Winterspielen in Peking waren sie immer wieder Gegenstand weltweiter imperialistischer Widersprüche, die auf dem Rücken der Sportler ausgetragen wurden.
Der Sport an sich ist natürlich keine politische Betätigung, aber er ist keinesfalls eine ideologiefreie Zone: Betreibe ich Sport im Sinne der Volksgesundheit, der Völkerverständigung auf antifaschistischer Grundlage und zum Erhalt des Weltfriedens, oder missbrauche ich ihn als kapitalbringendes Werbemittel oder für militärischen Drill zur Kriegsvorbereitung?
Auf Druck von Athletikverbänden wurde die Regel Nr. 50 vor den Olympischen Spielen etwas gelockert. Demnach dürfen die Sportlerinnen und Sportler ihre Meinung unter anderem in der Interviewzone, bei Pressekonferenzen und Teambesprechungen, bei Interviews mit traditionellen und digitalen Medien sowie auf Social-Media-Kanälen frei äußern - sofern diese "im Einklang mit den Grundprinzipien der Olympischen Bewegung stehen, nicht direkt oder indirekt gegen Personen, Länder, Organisationen und / oder deren Würde gerichtet und nicht störend sind".
Ein minimales Zugeständnis, aber wenn “Demokratie wagen“ eine olympische Disziplin wäre, diese “Lockerung“ würde sicher die hinteren Ränge belegen. Im Sinne einer Völkerverständigung auf antifaschistischer Grundlage gehört der Maulkorberlass des IOC ersatzlos gestrichen!