Klartext
Auch Pragmatismus tötet!
Svenja Schulze (SPD), „Entwicklungshilfeministerin“, weist die Forderung der Nothilfe-Organisation Oxfam nach Aufhebung der Patente auf Impfstoffe entrüstet zurück. „Ich bin hier für Pragmatismus. Theoretische Fundamentalpositionen bringen uns nicht weiter.“ Denn: Die Produktion von „Impfstoffen geht gerade jetzt in der Pandemie am schnellsten mit den Unternehmen.“¹
„Am schnellsten“ läuft es mit dem Patentrecht vor allem für die Maximalprofite!
Während die Steuerzahler auf der Welt Hunderte Millionen Euro für die Impfforschung aufbrachten, damit die Produktion schneller losgeht, gehen die Pharmamonopole mit den Impfstoffen nämlich ganz pragmatisch um: Sie verkaufen sie meistbietend. Und sie produzieren auch nicht mehr, als sie maximalprofitbringend verkaufen können. Immerhin hat es Bion-Tech-Chef Ugur Sahin so nun in den erlauchten Kreis der Superreichen der Welt geschafft – mit einem Privatvermögen von 11,5 Milliarden Euro.
Auch Pragmatismus tötet! Tassilo Timm, Landesvorsitzender der MLPD Thüringen
Es wäre zwar gesellschaftlich gesehen höchst nützlich, würde man den Patentschutz auf Corona-Impfungen aufheben und es so abhängigen Ländern ermöglichen, ihn selbst für kleines Geld zu produzieren. Aber der Pragmatismus ist nicht auf den gesellschaftlichen Nutzen ausgerichtet. Nein, er prüft jede politische Maßnahme, ob sie konsequent auf die „unmittelbare Nützlichkeit für die Durchsetzung der Monopolinteressen“ ausgerichtet ist, wie Stefan Engel in seinem neuen Buch „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Opportunismus“ nachweist.²
In ihrer Ablehnung jeglicher fundamentaler Kritik am bürgerlichen Krisenmanagement lässt Frau Schulze geflissentlich das klitzekleine Detail weg, dass die Produktion von Impfstoffen noch lange nichts über ihre Verteilung aussagt. Dabei hat Oxfam es ihr vorgerechnet: Drei Milliarden Menschen, vor allem in den imperialistischen Zentren, sind doppelt geimpft – aber nur jeder zehnte Mensch mit geringem Einkommen hat wenigstens eine Dosis bekommen. Und das schreiende Unrecht beschränkt sich nicht auf die Impffrage. So prangert Oxfam im neuen Sozialreport an: Das Vermögen der 2755 Milliardäre auf der Welt ist während der Pandemie um 4,4 auf 12 Billionen Euro gewachsen. 3,4 Milliarden Menschen leben dafür unterhalb der offiziellen Armutsgrenze von 4,80 Euro.
Der deutsche Titel des Berichts ist allerdings an Verharmlosung kaum zu überbieten. Er lautet „Gewaltige Ungleichheit“. Das englische Original war betont drastischer: „Ungleichheit tötet“. Aber woher kommt diese Ungleichheit? Da braucht man schon etwas von der von Frau Schulze so geschmähten Theorie. So wies Karl Marx auf den gesetzmäßigen Zusammenhang hin, „dass in denselben Verhältnissen, in denen der Reichtum produziert wird, auch das Elend produziert wird“.³ Statt das ganz pragmatisch fortzusetzen, ist es fundamental, sich für die revolutionäre Überwindung der kapitalistischen Zustände und für den echten Sozialismus einzusetzen!