Fernsehtipp: 17. Januar, 23.35 Uhr

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Film über "Radikalenerlass" und Berufsverbote

Unter dem Titel "Geschichte im Ersten: Jagd auf Verfassungsfeinde" strahlt die ARD am späten Abend des 17. Januar einen Film des fortschrittlichen Filmemachers Hermann G. Abmayr aus.

Von ws
Film über "Radikalenerlass" und Berufsverbote
Screenshot vom Video

Den sehenswerten Film hat der fortschrittliche Filmemacher Hermann Abmayr für den Saarländischen Rundfunk gedreht. Der Film zeigt mit Originalaufnahmen, dass die nach dem "Radikalenerlass" von 1972 verhängten Berufsverbote für die Mitglieder linker Organisationen im Inland und europäischen Ausland breite Proteste hervorriefen. Letzteres vor allem, wenn - wie im geschilderten Fall Silvia Gingold - Kinder von antifaschistischen Widerstandskämpfern betroffen waren. Aber auch der Fall von Klaus Lipps, dem langjährigen Sprecher des Bundesausschusses der Initiativen gegen Berufsverbote, wird ausführlich dokumentiert. Und der Fall des Postbeamten Werner Siebert zeigt deutlich, dass nicht nur Lehrer betroffen waren.

 

Auch die relativ ausführlichen Interviewteile mit dem grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, geben doch einiges her. Er war zunächst für den Studentenverband der heutigen MLPD, die Kommunistischen Studentengruppen, aktiv. Ende 1973 wechselte er zur Hochschulgruppe der ML-Organisation KBW an der Uni Hohenheim. Hier mehr Informationen zum Werdegang von Kretschmann. Er war deshalb selbst von Berufsverbot betroffen, erklärte er seine „revolutionären“ Jugendsünden zum größten Irrtum seines Lebens. Mit in den Schuldienst gebracht durch die Mithilfe des Präsidenten der Uni Hohenheim, machte er anschließend bei den Grünen Karriere. Als er 2011 zum ersten grünen Ministerpräsidenten gewählt wurde, keimte bei nicht wenigen vom Berufsverbot Betroffenen die Hoffnung auf Rehabilitierung und Entschädigung auf. Doch der grüne Ministerpräsident wurde zum hauptsächlichen Blockierer von Rehabilitierung. In dem Dokumentarfilm denkt Kretschmann nun zum ersten Mal an Entschuldigung.

 

Aus einem Artikel zu dem Film in der Stuttgarter Zeitung vom 8. Januar geht jedoch hervor, dass er einen Teil der Berufsverbote auf jeden Fall für gerechtfertigt hält. Dabei kann es sich nicht um Berufsverbote für Ultrarechte oder Neonazis handeln. Denn der gut informierte und gründlich recherchierende Filmemacher Hermann Abmayr erklärte bei der Vorstellung des Films in Stuttgart, dass in Baden-Württemberg nur ein einziger der NPD zugehörender Lehrer suspendiert wurde. Alle anderen Fälle in Baden-Württemberg, einer Hochburg der antikommunistischen Berufsverbote, betrafen ausschließlich linke Kräfte.

 

Der Filmemacher Abmayr hat schon mehrmals konsequent gegen Antikommunismus Stellung bezogen. So hat er in seinem Film „Als der Staat rot sah“ die Kommunistenjagd der Adenauer-Ära dokumentiert und angegriffen. Er hat darin den Fall des KPD-Abgeordneten Jupp Angenfort aus Nordrhein-Westfalen ausführlich beschrieben. Ob es Abmayrs neuer Film über die Berufsverbote auch in die ARD-Mediathek schafft, ist bisher offen. Im Vorfeld der Ausstrahlung steht er auf jeden Fall bereits zur Verfügung.

 

Siehe auch Artikel im Rote Fahne Magazin 1/2022: 50 Jahre Berufsverbote - Gib Antikommunismus keine Chance!