Greenwashing
EU will Atomkraft grün anmalen und ausbauen
Tschernobyl und Fukushima waren nicht nur die bekanntesten Atomkraft-Katastrophen der zivilen Welt. Ihre verheerende, lang anhaltende Schädigung der Gesundheit und Vernichtung von Menschenleben sowie ganzer Landstriche haben Ausmaße, die selbst die Phantasie der Autoren der zehn biblischen Plagen blass aussehen lassen.
Da musste sogar eine reaktionäre CDU-Regierung den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft beschließen, um den Massenprotesten nach Fukushima Rechnung zu tragen. Inzwischen sehen sich angesichts des gewachsenen Umweltbewusstseins mehr oder weniger alle Politiker gezwungen, sich in Worten als Vorkämpfer des Umweltschutzes darzustellen.EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erfand dazu medienwirksam ein gewaltiges Investitionsprogramm, das angeblich durch „grüne“, erneuerbare Energiegewinnung die EU bis 2050 „klimaneutral“ machen soll. Von einem Volumen in Höhe von 100 Milliarden Euro ist die Rede (Deutschlandfunk, 14.01.2020). Dieses Programm wird als "Green Deal" bezeichnet. Es ist auch ein Mittel der imperialistischen EU im Konkurrenzkampf mit anderen imperialistischen Staaten.
Wer dachte, dass das der Anfang vom endgültigen Ende der Atomenergie in ganz Europa wäre, sieht sich nun getäuscht. Denn Motto ist: Was nicht grün ist, wird grün gemacht! Das selbe gilt für die fossile Energie Erdgas.
So schickte die EU-Behörde passend zu Neujahr einen Verordnungsentwurf zur sogenannten Taxonomie an die Regierungen der 27 EU-Mitgliedstaaten. Dieser soll festlegen, dass die Kernkraft ebenso wie Gaskraftwerke unter bestimmten Auflagen als „klimafreundliche Technologie“ gelten soll. Damit würden sich den Atomenergie-Konzernen gewaltige neue Gewinne auf Basis von massiven Subventionen eröffnen. Stefan Engel bezeichnet dies in seinem Interview vom 1. Januar 2022 treffend als „zynisch“.¹
Tatsache: So gibt der wissenschaftliche Dienst der Europäischen Kommission von sich: „Alle potenziell schädlichen Auswirkungen der unterschiedlichen Phasen im Lebenszyklus nuklearer Energiegewinnung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt können verhindert oder vermieden werden.“³ Natürlich setze das voraus, dass sich alle Beteiligten an strikte Sicherheitsregeln halten. Ein möglicher neuer GAU könne also nur an Schlampereien des Personals liegen? Eine skandalöse Täter-Opfer-Umkehr und eine schlichte Lüge. Oder wer hätte wie den Tsunami vor dem AKW in Fukushima verhindern sollen?! Abgesehen davon: Es gibt bis heute kein Endlager, in dem der hochtoxische und Jahrmillionen strahlende Atommüll aus den AKW lagern könnte.
Die neue Bundesregierung verhält sich kritisch zu dieser „Taxonomie“, wobei sie sich noch offen lässt, ob sie sich Politkern aus anderen EU-Ländern, wie Österreich, anschließt, die einer Einstufung der Atomkraft als "grün" nicht zustimmen werden. Vor allem die Grünen vertreten speziell die Interessen derjenigen Monopole, die sich aus erneuerbaren Energien Maximalprofite versprechen. So bezeichnet Umweltminister Robert Habeck (Grüne) berechtigt die EU-Qualifizierung der Atomkraft als „grün“ als das, was sie ist: „Greenwashing“. Die Grünen müssen hier auf ihre Massenbasis Rücksicht nehmen. Schließlich ist ein großer Teil von ihnen vor Jahrzehnten selber gegen die Atomkraft auf die Straße gegangen. Im Bezug auf neue Gaskraftwerke hingegen begrüßt Habeck das Label, wenn diese später auf Wasserstoff umgerüstet werden können.
Frankreich als größte Atommacht der EU kommt mit der Beruhigungspille der angeblich sicheren „neuen, kleinen Kernkraftwerken“. Um was es hier wirklich geht, verrät eine Rede Macrons vom Dezember 2020: "Ohne zivile Atomkraft keine militärische Atomkraft und ohne militärische Atomkraft keine zivile".⁷ Im Klartext: Die Aufrechterhaltung der Atomkraftwerke ist untrennbar verbunden mit dem imperialistischen Konkurrenzkampf und der Kriegsvorbereitung.
Ein demagogisches Zauberkunststück der besonderen Art bringt EU-Binnenmarktskommissar Thierry Breton auf die Bühne: Er will nicht nur neue Kernkraftwerke als „unerlässlich“ für den „Green Deal“ festklopfen, sondern er will auch die, deren Abschaltung geplant ist, weiterlaufen lassen und sie zur Elektrolyse von Wasserstoff zu nutzen: Eine tatsächlich zukunftsträchtige, regenerierbare Energiequelle⁴ – allerdings nicht, wenn sie mit Atomstrom betrieben wird! Frankreich, dessen Energiegewinnung hauptsächlich auf Atomenergie aufgebaut ist, verspricht sich davon für seine Atommonopole weltweite Geschäfte.
Selbst Versicherungskonzerne glauben nicht an die Sicherheit zukünftiger AKWs. So sind laut Manager-Magazin die tatsächlichen Risiken praktisch nicht zu versichern. Eine realistische Risikoabschätzung würde einen Versicherungsbeitrag von „pro Jahr 72 Milliarden Euro für die Haftpflicht verlangen“ - was niemand bezahlen könnte.⁵ Doch die Atomkonzerne haben keinesfalls vor, selbst für die Risiken geradezustehen: Während die Gewinne aus der Atomkraft privat angeeignet werden, trägt die Risiken - wie die Entsorgung von strahlendem nuklearem Müll - die ganze Gesellschaft.
Hier wird deutlich, worin Marxisten-Leninisten ihre Aufgabe sehen: "Sie propagieren und organisieren eine weltweite Koordinierung und Kooperation des aktiven Widerstands gegen die wachsende Gefahr der globalen Umweltkatastrophe in einer internationalen Widerstandsfront."⁶ Eine neue Qualität der Umweltbewegung zu erringen erfordert auch, sich gegen alle Faktoren eines Übergangs in einer drohenden Umweltkatastrophe zur Wehr zu setzen. Die Klimafrage mit der Atomkraft oder mit Erdgas „zu lösen“ bedeutet, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Die kämpferische Umweltbewegung darf sich auf solche gefährlichen Scharmützel nicht einlassen, sondern muss die Umwelt vor der gesamten Profitwirtschaft retten und den Sozialismus frei von Ausbeutung von Mensch und Natur erkämpfen.